Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 1. Senat | 1 ME 76/22 | Beschluss | Gebietserhaltungsanspruch in gegliederten Baugebieten

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OVG Lüneburg 1. Senat,
Beschluss vom
20.09.2022, 1 ME 76/22, ECLI:DE:OVGNI:2022:0920.1ME76.22.00

§ 11 BauNVO

Verfahrensgang

vorgehend VG Oldenburg (Oldenburg), 6. Juli 2022, Az: 4 B 191/22, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg – 4. Kammer (Einzelrichter) – vom 6. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 115.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Teilbaugenehmigung und eine Baugenehmigung für eine ihren Ferienhäusern benachbarte Hotelanlage sowie gegen eine Befreiung von planungsrechtlichen Festsetzungen zur Lage der Stellplätze dieser Anlage.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Flurstücke E. und F., jeweils Flur G. der Gemarkung H., die mit mehreren zum Ferienwohnen vermieteten Gebäuden (Zum I. 25-29a und 33-37) bestanden sind. Die Gebäude werden über die weiter südlich in Ost-West-Richtung verlaufende Straße Zum I. und eine von dieser nach Norden abzweigende, im Miteigentum der Antragstellerin stehende Gemeinschaftsstellplatzanlage, an die die Gebäude Zum I. 29a im Norden und Zum I. 35-37 im Westen angrenzen, erschlossen. Sie liegen im Geltungsbereich der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. III/6a der Gemeinde A-Stadt, die dort ein Sonstiges Sondergebiet SO 2 mit der Zweckbestimmung „Gebiet für die Fremdenbeherbergung“ und der allgemeinen Zulässigkeit von Ferienhäusern festsetzt.

3

Die Beigeladene ist Eigentümerin der dem Flurstück J. und der Gemeinschaftsstellplatzanlage östlich benachbarten Flurstücke, die mit der genannten Bebauungsplanänderung als Sonstiges Sondergebiet SO 1 „Gebiet für die Fremdenbeherbergung“ mit der allgemeinen Zulässigkeit von Betrieben des Beherbergungsgewerbes (Hotelbetrieben), Schank- und Speisewirtschaften, Einzelhandelsbetrieben, Dienstleistungseinrichtungen und von Anlagen für gesundheitliche Zwecke festgesetzt sind. Eine Fläche für Stellplätze ist in diesem Gebiet an seinem Ostrand festgesetzt. Östlich des Gebietes und des Beigeladenengrundstücks liegt ein Deich.

4

Auf dieser Fläche beabsichtigt die Beigeladene die Verwirklichung eines als „Hotelpark Hooksiel“ bezeichneten Vorhabens, das aus fünf Einzel- und fünf Doppelhäusern jeweils gleicher Bauart mit je drei bzw. sechs Nutzungseinheiten, einem größeren „Apartmenthaus“ mit Restaurant im Erdgeschoss und einem vorhandenen „Boardinghaus“ bestehen und insgesamt 234 Betten aufweisen soll. Von den hierfür vorgesehenen insgesamt 59 Einstellplätzen sollen 43 auf einer Stellplatzanlage im Südwesten des Grundstücks – von der Gemeinschaftsstellplatzanlage des Sondergebiets SO 2 durch eine von der Grundstücksgrenze 3 m entfernte Schallschutzwand getrennt – eingerichtet, die übrigen vereinzelt auf dem Grundstück verteilt werden. In der Südwestecke des Grundstücks, noch westlich der Schallschutzwand, ist eine Fläche für Müllcontainer vorgesehen.

5

Am 25. März 2021 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Teilbaugenehmigung für Erdarbeiten und die Gründung der Gebäude mit Ausnahme des Apartmenthauses sowie eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Lage der Stellplätze. Die hiergegen erhobenen Widersprüche der Antragstellerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2021 zurück. Am 2. August 2021 erteilte er die Baugenehmigung für das Gesamtvorhaben und wies den dagegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2021 zurück.

6

Den Antrag der Antragstellerin, (1.) die aufschiebende Wirkung der fristgerecht erhobenen Klage gegen die genannten Bescheide anzuordnen und (2.) dem Antragsgegner aufzugeben, Arbeiten zur Errichtung der Hotelanlage „mit einer für sofort vollziehbar erklärten Verfügung zu untersagen bzw. stillzulegen und die Aufnahme der genehmigten Nutzung zu untersagen“, hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag zu 2. sei unzulässig, da das erforderliche Sicherungsinteresse fehle; es bestünden keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gegen die Baugenehmigungen die Bautätigkeit bzw. Nutzung fortsetzen werde. Der Antrag zu 1. sei unbegründet. Die Teilbaugenehmigung, die Baugenehmigung und die Befreiung verletzten die Antragstellerin voraussichtlich nicht in ihren Rechten. Die Festsetzung im Bebauungsplan zur Lage der Stellplätze im SO 1 sei nicht drittschützend, da ein gegenteiliger Regelungswille des Plangebers nicht erkennbar sei. Die mithin auf die hinreichende Berücksichtigung nachbarlicher Interessen beschränkte Prüfung der Befreiung gehe zu Lasten der Antragstellerin aus. Zwischen der genehmigten Stellplatzanlage und den Ferienhäusern der Antragstellerin lägen die Gemeinschaftsstellplätze des SO 2. Die Ruhezonen der Ferienhäuser lägen auf der dem SO 1 abgewandten Gebäudeseite. Nach überzeugender gutachterlicher Aussage unterschreite der Parkplatzlärm an den Gebäuden der Antragstellerin unter Berücksichtigung einer 2 m hohen Lärmschutzwand die hier maßgeblichen Richtwerte der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet tags um mindestens 16 dB(A), nachts um mindestens 9 dB(A). Selbst unter Zugrundelegung der Richtwerte für ein reines Wohngebiet seien diese unterschritten. Auch unter optischen Gesichtspunkten sei die Verlagerung der Stellplatzanlage zumutbar, da die Häuser der Antragstellerin von dieser durch ihre eigene Stellplatzanlage getrennt würden und die nur 2 m hohe Lärmschutzwand nicht in unmittelbarer Sichtachse, sondern im seitlichen Sichtfeld zu den Häusern der Antragstellerin liege. Auch die Teilbaugenehmigung und die Baugenehmigung verletzten keine Nachbarrechte der Antragstellerin. Etwaiger Baulärm sei nicht Genehmigungsgegenstand. Gegen die Einhaltung der Grenzabstände sei nichts Substantiiertes vorgetragen. Ob die Planfestsetzungen zur überbaubaren Grundfläche überschritten würden, könne dahinstehen, da diese nicht nachbarschützend seien. Gleiches gelte für eine etwaige Unzulässigkeit der gewählten hochgeschossigen Holzbauweise; im Übrigen enthalte die dem Bebauungsplan beigefügte örtliche Bauvorschrift keine gestalterischen Vorgaben für das SO 1. Zwar seien die vorgesehenen 59 Stellplätze (einer je vier Betten) weniger als nach dem Stellplatzerlass erforderlich, da der Zuschlag nach Nr. 6.3 i.V.m. Nr. 6.1 des Erlasses für das Restaurant im Umfang von 8 Stellplätzen (einer je 10 Sitzplätze) nicht berücksichtigt worden sei. Die Richtzahlen des Erlasses seien aber lediglich ein Anhaltspunkt für den Bedarf. Zudem sei die Vorschrift des § 47 NBauO über die Zahl der notwendigen Einstellplätze nicht unmittelbar nachbarschützend, sondern nur dann, wenn der durch einen Verstoß bedingte Park- und Parksuchverkehr die Zufahrt zu Nachbargrundstücken verstopfe und deren Nutzung stark beeinträchtige. Das sei hier angesichts der geringfügigen Überschreitung, der Familienorientierung des Hotels und der Erwartung, dass das Restaurant in erster Linie fußläufig oder mit dem Fahrrad aufgesucht werde, nicht zu befürchten. Von der Antragstellerin geltend gemachte Verstöße gegen Vorgaben des Bebauungsplans zur Begrünung lägen nicht vor; zudem seien diese Vorgaben nicht nachbarschützend. Soweit die Antragstellerin vortrage, es liege ein „Etikettenschwindel“ vor, die Beigeladene plane tatsächlich kein Hotel, sondern Ferienhäuser, führe dies nicht zu einer Rechtsverletzung. Es sei bereits zweifelhaft, ob ein „Etikettenschwindel“ vorliege, da die Absicht, Ferienhäuser zu errichten, nicht – wie erforderlich – bereits den Bauvorlagen zu entnehmen sei; vorgesehen seien vielmehr hotelähnliche Nebenleistungen. Im Übrigen würde selbst eine planwidrige Ferienhausnutzung keine Rechte der Antragstellerin beeinträchtigen; auf einen Gebietserhaltungsanspruch könne diese sich nicht berufen, da ihre Grundstücke nicht im selben Baugebiet wie das Vorhaben lägen und eine ausnahmsweise bestehende Absicht der Gemeinde, Gebietsnachbarn Drittschutz hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zu vermitteln, nicht erkennbar sei. Auch das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt, weder mit Blick auf den Verkehrs- noch auf den sonstigen Gebietslärm, die Baugestaltung oder auf eine Beeinträchtigung der Aussicht von den Ferienhäusern der Antragstellerin auf den Deich. Auch eine erdrückende Wirkung habe das Vorhaben nicht.

II.

7

Die dagegen gerichtete Beschwerde, auf deren fristgerecht, das heißt bis einschließlich Montag, den 8. August 2022, dargelegte Gründe sich die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, hat keinen Erfolg.

1.

8

Dies gilt zunächst, soweit die Antragstellerin eine Rechtsverletzung durch die der Beigeladenen erteilte Befreiung geltend macht.

9

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht eine drittschützende Wirkung der Festsetzung zur Lage der Stellplätze im sonstigen Sondergebiet SO 1 verneint. Sein Argument, der Umstand, dass die zwei weiteren Stellplatzflächen im Plangebiet in dessen Mitte und nicht an seinem Rand eingerichtet worden seien, spreche dagegen, dass sich die Gemeinde bei der Verortung von Belangen des Nachbarschutzes habe leiten lassen, wird nicht dadurch entkräftet, dass die Antragstellerin dies als bloße Mutmaßung bezeichnet. Die Behauptung der Antragstellerin, die Anlage der SO-2-Parkplätze gewährleiste die gebotene Rücksicht auf spielende Kinder, stellt die Erwägung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht in Frage. Die im SO 2 vorgesehenen zwei Stellplatzflächen sind nicht – was möglich gewesen wäre – am Südrand des Gebietes entlang der Straße Am I. angeordnet, sondern schneiden tief in die Bauflächen ein; die westlichste der drei Stellplatzflächen ist sogar so festgesetzt, dass Teile des SO 2 – die Grundstücke Am I. 45-47B – auf drei Seiten von Verkehrsanlagen umgeben sind. Angesichts dessen bedürfte die These, gerade für die Verortung der Stellfläche im SO 1 sei die größtmögliche Abschirmung der weiter westlich gelegenen Sondergebiete bestimmend gewesen, konkreter Anhaltspunkte in der Planbegründung; solche benennt die Antragstellerin indes nicht, sondern begnügt sich ihrerseits mit einer Behauptung.

10

Auch das Beschwerdevorbringen zur Frage, ob bei der Erteilung der Befreiung nachbarliche Interessen der Antragstellerin hinreichend berücksichtigt worden sind, überzeugt nicht. Die Ausführungen zum Standort der Müllcontainer sind insoweit unerheblich; deren Standort ist durch den Bebauungsplan nicht vorgegeben und steht in keinem zwingenden Zusammenhang mit der Lage der Stellplätze; maßgebend dürfte eher die gute Erreichbarkeit für Müllfahrzeuge gewesen sein. Anderes gilt zwar mit Blick auf die Errichtung der Lärmschutzwand, die gerade der Bewältigung der Lärmauswirkungen der Verlegung der Stellplatzanlage dient. Indes hat das Verwaltungsgericht überzeugend dargelegt, dass die durch die Lärmschutzwand hervorgerufenen Sichtbeeinträchtigungen der Antragstellerin zumutbar sind. Dies würde selbst dann gelten, wenn die Lärmschutzwand, wie die Antragstellerin geltend macht, eine Höhe von 4 m – und nicht lediglich von 2 m – aufwiese; denn sie ist vom nächstgelegenen Gebäude der Antragstellerin (Am I. 37) durch den 3 m breiten Grenzabstand auf dem Baugrundstück, die rd. 19 m breite Gemeinschaftsstellplatzanlage im SO 2 und den nochmals gut 3 m tiefen Vorgarten der Antragstellerin getrennt. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht ergänzend darauf hin, dass die Ostfassade des Gebäudes Am I. 37 nicht auf die Lärmschutzwand, sondern weitgehend auf das nördlich davon gelegene Flurstück K. gerichtet ist. Der Blick von der – offenbar im Miteigentum der Antragstellerin stehenden – Gemeinschaftsstellplatzanlage auf die Fläche, auf der die Lärmschutzwand errichtet werden soll, genießt rechtlich keinen besonderen Schutz. Die Behauptung der Antragstellerin, auf der Fläche für die Zukunft eine Freilauffläche für Hunde und Ruhebänke für die Hundehalter zu planen, ist – abgesehen davon, dass dem die Festsetzungen des Bebauungsplans entgegenstehen dürften – schon deshalb unerheblich, weil für die Beurteilung des Bauantrags die Sachlage zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung zugrunde zu legen ist. Hinzu kommt, dass auch eine Hundeauslauffläche nicht erhöht schutzwürdig ist.

2.

11

Das auf die Darlegung eines Nachbarrechtsverstoßes durch die Teilbau- und die Baugenehmigung abzielende Beschwerdevorbringen überzeugt ebenfalls nicht.

a)

12

Dies gilt zunächst, soweit die Antragstellerin geltend macht, die Anzahl der notwendigen Einstellplätze sei vom Verwaltungsgericht fehlerhaft berechnet worden; es seien Stellplätze für mindestens 10 Reinigungskräfte, Personal der Rezeption, Küchen- und Servicepersonal, Fahrradverleih und Autovermietung und Mitarbeiter des Abhol- und Bringservice hinzuzurechnen. Die Antragstellerin verkennt insoweit, dass der Bedarf an Personalstellplätzen in der an die Bettenzahl anknüpfenden pauschalierenden Berechnung der Nrn. 6.1, 6.3 des Stellplatzerlasses bereits einbezogen ist; lediglich 75 % der errechneten Stellplätze sind, wie sich aus der letzten Spalte der Tabelle des Erlasses ergibt, für Besucher kalkuliert, die übrigen 25 % – hier also nach der Berechnung des Verwaltungsgerichts 16-17 Stellplätze – tragen dem Bedürfnis nach Mitarbeiterstellplätzen Rechnung. Die Behauptung der Antragstellerin, es würden für die Anlage weitere 20 Kundenparkplätze für Fahrradverleih, Autovermietung, Abhol- und Bringservice benötigt, ist nicht verständlich; soweit diese Dienste in der Betriebsbeschreibung (Projektbeschreibung S. 3 unten) erwähnt werden, sollen sie den Hotelgästen dienen. Bleibt es mithin bei der vom Verwaltungsgericht angenommenen eher geringfügigen Unterschreitung der Richtzahlen, so ist für die Befürchtung, Park- und Parkplatzsuchverkehr werde die Zufahrtswege zu den Grundstücken der Antragstellerin verstopfen, kein Raum.

b)

13

Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin eine Verletzung ihres Gebietserhaltungsanspruchs. Dabei kann offenbleiben, ob die These der Antragstellerin, nach den von der Rechtsprechung unter dem Stichwort des „Etikettenschwindels“ entwickelten Grundsätzen sei hier von einer Ferienhausnutzung auf den Grundstücken der Beigeladenen auszugehen, zutrifft. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht jedenfalls dargelegt, dass eine Ferienwohnnutzung die Antragstellerin nicht in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzen würde. Die Annahme, unabhängig von einem entsprechenden Planungswillen der Gemeinde komme den Artfestsetzungen innerhalb eines Baugebiets stets Drittschutz im Sinne eines „Gebietserhaltungsanspruchs“ zu, beruht auf der Annahme, dass einheitliche Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung in einem Baugebiet die Planunterworfenen zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbinden. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 12). Vor diesem Hintergrund kann sich die Antragstellerin auf einen Gebietserhaltungsanspruch nicht berufen. Von der Beschränkung der ihrer Art nach zulässigen baulichen Nutzung auf Hotels unter Ausschluss von Ferienwohnungen, wie sie im SO 1 gilt, ist sie mit ihren im SO 2 gelegenen Grundstücken nicht betroffen, unabhängig davon, ob man diese Sondergebiete als verschiedene Baugebiete oder als ein (gegliedertes) Baugebiet definiert. Vielmehr möchte die Antragstellerin der Beigeladenen gerade eine Nutzung versagen, die sie selbst ausüben darf (und auch ausübt). Drittschutz könnten die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung im SO 1 angesichts dessen nur vermitteln, wenn der Plangeber diesen eine drittschützende Zielrichtung beigemessen hätte. Das ist nicht der Fall. Aus der Planbegründung zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 26 ergibt sich vielmehr deutlich, dass die Antragsgegnerin das SO 1 einer Hotelnutzung vorbehalten hat, um das touristische Angebot von Hooksiel zu erweitern und Synergien mit dem benachbarten Hallenbad zu fördern, nicht hingegen, um das benachbarte Plangebiet/SO 2 vor dem Entstehen weiterer Ferienwohnungen zu schützen.

c)

14

Soweit die Antragstellerin (im Rahmen des Beschwerdevorbringens zu einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme durch Verstoß gegen örtliche Bauvorschriften) geltend macht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die Maßfestsetzungen des Bebauungsplans drittschützend, da auf S. 6 der Planbegründung der Nachbarschutz ausdrücklich in Bezug genommen worden sei, ist ihr nicht zu folgen. Selbst wenn man aus den direkt nur auf die Dachneigung und -gestaltung bezogenen Aussagen Rückschlüsse auf die Zielsetzung auch der Maßfestsetzungen ziehen wollte, ergäbe sich daraus kein Drittschutz. Wenn die Gemeinde die Festsetzungen mit dem Wunsch begründet, die neuen baulichen Anlagen sollten sich „der bestehenden Bebauung in der Nachbarschaft [das wäre i.Ü. die Nachbarschaft außerhalb der damals noch unbebauten SO 2 und 3] anpassen“, ist damit zunächst einmal nur das öffentliche Interesse an einem harmonischen Ortsbild angesprochen. Ein qualifizierter, von konkreten unzumutbaren Beeinträchtigungen unabhängiger Schutz gerade der Nachbarschaft vor Abweichungen folgt daraus nicht.

d)

15

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht deshalb zu bejahen, weil durch eine Verkleinerung der im Bebauungsplan vorgesehenen Stellplatzfläche eine größere Anzahl an Ferienwohnungen (bzw. Hotelbetten) entstünde als planerisch vorgesehen. Die Annahme trifft bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Der Bebauungsplan geht ausweislich S. 4 der Planbegründung vom Entstehen von 450 bis 500 Gästebetten aus, wobei Betten in Ferienwohnungen und Hotelbetten hinsichtlich der damit verbundenen Beeinträchtigungsintensität als gleichwertig angesehen werden; die Beigeladene möchte demgegenüber lediglich 234 Betten schaffen. Unabhängig davon würde eine Abweichung von der mit der Planung verbundenen Erwartung hinsichtlich der Ausnutzungsdichte des Baugebiets noch nicht gleichsam automatisch einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zulasten der Antragstellerin begründen. Konkrete unzumutbare Beeinträchtigungen durch den planbedingten Stellplatzverkehr sind, wie bereits ausgeführt, nicht zu erwarten.

16

Der vorgesehene Standort der Müllcontainer – den die Antragstellerin mit dem auf die Befreiung bezogenen Beschwerdevorbringen beanstandet – verletzt ihr gegenüber ebenfalls nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Der Standort grenzt nicht an ein Wohngrundstück der Antragstellerin, sondern lediglich an die dem SO 2 zugeordnete Stellplatzanlage an, die keine erhöhte Schutzbedürftigkeit genießt. Die vorgetragenen Absichten der Antragstellerin, diesem Standort unmittelbar benachbart eine Hundeauslauffläche anzulegen sind, wie dargelegt, – wenn überhaupt realisierbar – nicht berücksichtigungsfähig.

17

Soweit die Antragstellerin meint, „weitere Belastungen durch Befreiungen der Höhe und Dachneigungen, die das Grundstück der Antragstellerin beeinträchtigen“, ergäben „die erschlagende Wirkung aus der Massivität und dem einheitlichen, monolithischen Erscheinungsbild der Hotelanlage, die nicht dem Landschaftsbild entspricht“, zeigt sie auch damit keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme auf. Auf das Landschaftsbild bezogene Bestimmungen, die die Antragstellerin entgegen den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht konkret benennt, sind generell nicht nachbarschützend. Dass von dem Vorhaben eine erdrückende oder „erschlagende“ Wirkung ausgehen könnte, liegt mit Blick auf die eingehaltenen Grenz-/Abstände fern. Örtliche Bauvorschriften zur Dachneigung und Pfannenfarbe für das Sondergebiet SO 1 bestehen nicht, so dass das diesbezügliche Beschwerdevorbringen unabhängig von der Frage des Drittschutzes ins Leere geht.

18

Soweit die Antragstellerin erneut Verstöße gegen die im Bebauungsplan festgesetzten Pflanzgebote rügt, verkennt sie, dass diese Gebote nicht nachbarschützend sind. Soweit sie geltend macht, in den Bauvorlagen seien Bäume eingezeichnet, die auf ihr Grundstück ragten, hat die Antragsgegnerin dem zu Recht entgegengehalten, dass der Standort der Bäume nicht Gegenstand der Baugenehmigung ist und im Übrigen allenfalls ein zivilrechtliches, nach dem NNachbG zu beurteilendes Hindernis bei der Ausnutzung der Genehmigung darstellen kann; für die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ist dies unerheblich (Burzynska/Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 70 Rn. 154).

3.

19

Besteht bereits kein Anspruch auf Außervollzugsetzung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen, so ist für Maßnahmen zur Baustellenstilllegung oder Nutzungsuntersagung von vornherein kein Raum; auch insoweit bleibt die Beschwerde mithin ohne Erfolg, ohne dass es darauf ankäme, ob das bisherige Verhalten der Beigeladenen eine Missachtung einer entsprechenden Außervollzugsetzung erwarten ließe.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

21

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 2 52 Abs. 1 GKG. Hinsichtlich der Streitwertbemessung im Einzelnen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

 


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Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

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