Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 10. Senat | 10 LC 247/20 | Urteil | Auslegung des Begriffs „verwerten“ in § 12 Abs. 5 DüV

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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 30. September 2020 die Klage als unbegründet abgewiesen und hierzu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Verwertungsbegriff des § 12 Abs. 5 DüV umfasse nicht die Anwendung der Gärrückstände als Düngemittel. Dies folge bereits aus dem Wortlaut der Norm. Der Verordnungsgeber habe in § 12 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 DüV mit „anwenden“, verwenden“ und „verwerten“ unterschiedliche Begriffe genutzt, bei denen es sich nicht um Synonyme handele. Nach dem Duden sei „anwenden“ mit „gebrauchen, verwenden, mit etwas arbeiten“, „verwenden“ mit „(für einen bestimmten Zweck, zur Herstellung, Ausführung o.ä. von etwas) benutzen, anwenden“ und „verwerten“ mit „(etwas, was brachliegt, was nicht mehr oder noch nicht genutzt wird) verwenden, etwas daraus machen“ definiert. § 12 Abs. 3 DüV treffe zudem bereits eine Regelung für den Fall, dass Biogasanlagenbetreiber, die – wie die Klägerin – nicht über eigene Ausbringungsflächen verfügten, die Gärrückstände entweder „im eigenen Betrieb verwenden“ oder „an andere zu Düngezwecken abgeben“. Da der systematische Aufbau des § 12 DüV sich so darstelle, dass in Abs. 1 zunächst der allgemeine Grundsatz festgelegt werde, dass das Fassungsvermögen von Anlagen zur Lagerung von Wirtschaftsdüngern und Gärrückständen aus dem Betrieb einer Biogasanlage, die als Düngemittel angewendet werden sollen, größer sein müsse, als die Kapazität, die in dem Zeitraum erforderlich sei, in dem das Aufbringen der Düngemittel auf landwirtschaftlich genutzten Flächen verboten sei, und die folgenden Absätze 2 bis 4 dann konkrete Zeiträume für die unterschiedlichen Stoffe und Betriebsvarianten festlegten, sei nicht davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber mit § 12 Abs. 5 DüV diese zuvor normierten Grundsätze abändern hätte wollen. Die Pflicht der Anlagenbetreiber zur Lagerung bleibe auch bei der Inanspruchnahme der überbetrieblichen Lagerung (§ 12 Abs. 5 Alt. 1 DüV) unberührt. Nur dann, wenn „verwertet“ im Sinne des § 12 Abs. 5 Alt. 2 DüV dahingehend verstanden werde, dass die „Verwertung“ der Gärrückstände eine solche sei, die nicht deren Verwendung zu Düngezwecken umfasse, bliebe auch bei dieser zweiten Alternative des § 12 Abs. 5 DüV der Grundsatz des § 12 Abs. 3 DüV (Sicherstellung der Lagerung bei Gärrückständen, die an Dritte zu Düngezwecken abgegeben werden) unberührt. Anders als die Klägerin meine, sei auch in dem Erfordernis der vertraglichen Vereinbarungen keine diese Abweichung von den zuvor normierten Grundsätzen erklärende „Rechtfertigung“ zu sehen, da das Erfordernis der vertraglichen Vereinbarungen gleichermaßen für § 12 Abs. 5 Alt. 1 DüV („überbetrieblich gelagert“) gelte, der keine Abweichung von den Grundsätzen des § 12 DüV beinhalte. Zudem handele es sich bei § 12 DüV um eine präventive umweltrechtliche Schutznorm. Ziel der Düngeverordnung, damit auch des § 12 DüV, sei es, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung vorzubeugen. Hintergrund für die Lagerpflicht der Erzeuger betreffend die Gärrückstände, die in einem Zeitraum von 9 Monaten anfallen, sei ausweislich der Verordnungsbegründung, dass „Ausbringungsengpässe“ der Erzeuger vermieden werden sollten und nur in für den Gewässerschutz verträglichen und pflanzenbaulich sinnvollen Zeiten eine Ausbringung von Düngemitteln erfolgen solle.Deshalb müsse eine „Verwertung“, die dazu führe, dass eben diese Lagerkapazitäten nicht vorgehalten werden müssten, umwelt-, insbesondere gewässer- und bodenschutzrechtlich gleich geeignet sein, wie die Sicherstellung der Lagerung beim Erzeuger. Da Gärrückstände, die als Düngemittel angewendet werden sollten, wegen des damit verbundenen Nitrateintrags in Böden und Gewässer, boden- und gewässerschutzrechtlich relevant seien, entspreche es dem Vorsorgegedanken, dass nur eine Verwertung, bei der die Gärrückstände nicht zum Zwecke der Düngung anfielen, als boden- und gewässerschutzrechtlich „gleich sicher“ wie die Lagerung zu betrachten sei. Denn wenn die Stoffe nicht zur Düngung anfielen, bestehe auch nicht die Gefahr einer Gewässerverunreinigung durch übermäßigen Nitrateintrag, wohingegen die Stoffe dann, wenn sie nicht von dem Erzeuger gelagert werden müssten, gleichwohl durch Dritte als Düngemittel genutzt werden könnten, jedenfalls latent gewässer- und bodengefährdend seien. Hinzu komme, dass es dem Vorsorgegedanken widerspreche, die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Umgang mit den Gärrückständen, die an Dritte zu Düngezwecken abgegeben werden sollten, auf Dritte zu übertragen. Denn der Verordnungsgeber habe eine klare Regelung dahingehend getroffen, dass ein Erzeuger für die ordnungsgemäße Lagerung verantwortlich sei. Dies sei auch bei § 12 Abs. 5 Alt. 1 DüV (überbetriebliche Lagerung), bei der der Verordnungsgeber ebenfalls schriftliche vertragliche Vereinbarungen fordere, der Fall, sodass sich kein Anhaltspunkt dafür ergebe, dass es dem Willen des Verordnungsgebers entspreche, einzig bei § 12 Abs. 5 Alt. 2 DüV einen Übergang der Verantwortung für die Lagerung der Gärrückstände zu ermöglichen. Der Verantwortungsübergang würde unabhängig vom Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen und des seitens der Betreiber ausgearbeiteten Verwertungskonzepts erfolgen. Angesichts dessen sei es unerheblich, ob es dem Betreiber generell möglich wäre, ein Verwertungskonzept zu erstellen, das die Abnahmemengen und die Abnahmezeitpunkte unter Berücksichtigung der Lagerkapazitäten der Dritten regele, mit den Regelungen des Düngerechts korrespondiere und festlege, dass alle Mengen entsprechend der gesetzlichen Regelung abgenommen sowie verwertet würden, da der Gedanke, die Verantwortung der ordnungsgemäßen Lagerung durch vertragliche Vereinbarungen an Dritte abzugeben der konkret vom Verordnungsgeber vorgegebenen Ausgestaltung des Vorsorgegedankens zuwiderliefe. Untermauert werde dieses Argument durch die Verordnungsbegründung. Denn wenn eine Verwertung die Abgabe an Dritte zur Verwendung der Gärrückstände als Düngemittel umfassen würde, ergäbe sich für die zuständige Behörde ein erhöhter Kontrollaufwand, den der Verordnungsgeber bei den Ausführungen zu den „Veränderungen des Erfüllungsaufwands gegenüber der Düngeverordnung in der bisherigen Fassung“ nicht berücksichtigt hätte. Denn zusätzlich zu den von den Betreibern vorzuhaltenden Lagerkapazitäten wäre (regelmäßig) nachzuvollziehen und zu berechnen, welche Menge der Gärrückstände, die der Betreiber nicht lagern könne, wo gelagert würde und welche Kapazität die entsprechenden Lagerbehälter der Dritten aufweisen müssten. Der Verordnungsgeber habe bei seinen in der Verordnungsbegründung enthaltenen Ausführungen zum Kontrollaufwand einzig den erhöhten Kontrollaufwand der Verwaltung für die Berechnung der im Betrieb anfallenden Mengen der flüssigen Wirtschaftsdünger und dem Abgleich mit der vorhandenen Lagerkapazität aufgeführt. Ausführungen zu einem erhöhten Kontrollaufwand der Verwaltung für die Berechnung der Lagerkapazitäten von Dritten, die statt der Erzeugerbetriebe die Lagerverpflichtung übernähmen, fänden sich in der Verordnungsbegründung nicht. Auch stehe es dem präventiven Regelungsgehalt der Norm entgegen, wenn die Lagerverpflichtung auf einen Dritten, der von der Klägerin ausgewählt und – zunächst – keiner behördlichen Kontrolle unterzogen werde, übertragen würde. Denn dann bestünde die Gefahr, dass der Dritte den Betreiber täusche oder tatsächlich über kein den gesetzlichen Anforderungen genügendes Gärrestelager verfüge und dieses erst nach Vertragsschluss auffallen könnte, obwohl die Lieferungen bereits ab Vertragsschluss beginnen könnten.

Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

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