Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 12. Senat | 12 L 1562/00 | Beschluss | Zur Passivlegitimation bei der Aufhebung verkehrsbehördlicher Anordnungen

Exkursion der Partner des LIFE IP Projekts „GrassBirdHabitats“ in die Dümmer-Wiesen.

Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 12. Senat | 12 L 1562/00 | Beschluss | Zur Passivlegitimation bei der Aufhebung verkehrsbehördlicher Anordnungen

OVG Lüneburg 12. Senat,
Beschluss vom
15.06.2000, 12 L 1562/00, ECLI:DE:OVGNI:2000:0615.12L1562.00.0A

§ 72 VwGO, § 78 VwGO, § 79 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 80 Abs 1 S 1 VwVfG

Verfahrensgang

vorgehend VG Braunschweig, 10. März 2000, Az: 6 A 6114/00

Gründe

1

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe greift der Zulassungsantrag der Beklagten nicht durch. Die Beklagte macht hierzu geltend, das Verwaltungsgericht habe in dem angefochtenen Urteil den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 19. März 1998 aufgehoben, soweit mit diesem der Widerspruch der Kläger vom 3. November 1997 (für die Kläger kostenpflichtig) zurückgewiesen worden ist; damit habe aber das Verwaltungsgericht gegen § 78 VwGO verstoßen, durch diese Entscheidung sei nämlich eine Entscheidung einer Behörde (teilweise) aufgehoben worden, die an diesem, nur gegen sie – die Beklagte – gerichteten Verfahren nicht beteiligt sei; auch wenn  nach § 79  Abs. 1 Nr. 1 VwGO Klagegegenstand grundsätzlich der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt sei, den er durch den Widerspruchsbescheid erhalten habe, habe dies hier nicht zu ihrer – der Beklagten – Passivlegitimation (in Bezug auf die für die Kläger kostenpflichtige Zurückweisung des Widerspruchs vom 3. November 1997) führen können; das Verwaltungsgericht habe hierbei übersehen, dass sie – die Beklagte – die die Aufstellung von Halteverbotsschildern des Zeichens 283 (‚absolutes Halteverbot‘) betreffende verkehrsbehördliche Anordnung vom 17. Juli 1997 bei Erlass des Widerspruchsbescheides bereits aufgehoben hatte, der Widerspruch der Kläger vom 3. November 1997 gegen diese Allgemeinverfügung bereits erledigt gewesen sei; nach Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes (Anordnung vom 17. Juli 1997) habe dieser nicht mehr Gegenstand der Anfechtungsklage der Kläger  i. S. des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sein können; dies gelte auch, wenn man der Meinung sein sollte, die von ihr – der Beklagten – mit Anordnung vom 1. Dezember 1997 verfügte Aufstellung von Halteverbotsschildern des Zeichens 286 (‚relatives Halteverbot‘) stelle eine Abhilfeentscheidung dar; habe aber die Allgemeinverfügung vom 17. Juli 1997 nicht mehr Klagegegenstand sein können, so stelle der den Widerspruch der Kläger vom 3. November 1997 zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 19. März 1998 insoweit einen eigenständigen Verwaltungsakt, der für die Kläger eine eigenständige Beschwer enthalte dar, weshalb die Klage insoweit nach den Vorschriften der §§ 78, 79 VwGO gegen die Bezirksregierung Braunschweig, die diesen Bescheid erlassen habe, hätte gerichtet werden müssen, zumindest hätte der Widerspruchsbescheid insoweit nicht in dem sie – die Beklagte – betreffenden Klageverfahren aufgehoben werden dürfen. Mit diesem Vorbringen kann die Beklagte indessen eine Zulassung der Berufung nicht erstreiten; denn bei richtiger Betrachtung, liegt hier auch hinsichtlich des Widerspruchs vom 3. November 1997 ein Fall des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO mit der Folge vor, dass die Beklagte auch insoweit die richtige Beklagte  i. S.  des § 78 VwGO ist. Dies ergibt sich aus Folgendem:

2

Auszugehen ist davon, dass die verkehrsbehördliche Anordnung der Beklagten vom 17. Juli 1997 (Aufstellung der Halteverbotsschilder des Zeichens 283) aus widerspruchsbezogenen Gründen (s. dazu Rennert, in: Eyermann, aaO, RdNr. 11 zu § 72) und damit durch eine Abhilfeentscheidung der Beklagte  i. S.  des § 72 VwGO aufgehoben worden ist. Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil (UA S. 6) zutreffend ausgeführt hat, ohne dass dies von der Beklagten im Zulassungsverfahren substantiiert angegriffen worden ist, hat (erst) der mit anwaltlichen Schriftsatz erhobene Widerspruch der Kläger, in dem u. a. auf die Beeinträchtigung der Anliegerrechte der Kläger durch die verfügte Parkverbotsregelung hingewiesen wurde, die Beklagte veranlasst, ihre Anordnung vom 17. Juli 1997 (nochmals) nach Rücksprache mit ihrer Berufsfeuerwehr (Amt 37) zu überdenken und zu einer Aufhebung der Anordnung sowie zu einer neuen Entscheidung (Anordnung eines nur eingeschränkten Halteverbots, verkörpert durch das Verkehrszeichen 286) zu kommen. Zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist lediglich anzumerken, dass auch dem Ordnungsamt der Beklagten das – anwaltliche – Widerspruchsschreiben der Kläger vom 3. November bereits am 5. November und nicht erst am 12. November 1997 vorlag (und bereits am 5. November 1997 zu der Nachfrage bei der Berufsfeuerwehr seitens des Ordnungsamtes geführt hat); denn nach den Verwaltungsvorgängen (Beiakte B, S. 11 f.) ist das Widerspruchsschreiben laut Eingangsstempel auch beim Ordnungsamt am 5. November 1997 (als Telefax) eingegangen. Die Abhilfeentscheidung (Aufhebung der mit dem Widerspruch vom 3. November 1997 bekämpften verkehrsbehördlichen Anordnung vom 17. Juli 1997) ist auch dem bereits im ersten Widerspruchsverfahren bevollmächtigten jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger bekannt gegeben worden; denn nach einem Vermerk in den Verwaltungsvorgängen vom 10. November 1997 ist nicht nur darüber entschieden („angeordnet“) worden, dass „die VZ <gemeint waren die am 31. Oktober 1997 aufgrund der Anordnung vom 17. Juli 1997 aufgestellten Verkehrszeichen 283> vorerst abgehängt werden“ sollten, vielmehr ist von dieser (Abhilfe-)Entscheidung auch der Prozessbevollmächtigter für die Kläger unterrichtet worden. Damit lag bereits unter dem 10. November 1997 eine – mündlich ergangene (Schriftform war für die Abhilfeentscheidung nicht erforderlich, zumal auch die der Aufstellung der Parkverbotsschilder zugrundeliegende verkehrsbehördliche Anordnung vom gegenüber den Klägern nicht schriftlich ergangen war) – Abhilfeentscheidung der Beklagten vor, die allerdings insoweit unvollständig war, als sie entgegen § 72 VwGO nicht die von Amts wegen zu treffende Kostenentscheidung enthielt. Diese Kostentscheidung ist im Laufe des Widerspruchsverfahrens, auch nicht nach der Entfernung der Verkehrschilder 283 am 11. Dezember 1997 und auch nicht nach einem Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Kläger (im Widerspruch vom 16. Dezember 1997) von der an sich hierzu verpflichteten Beklagten nicht getroffen worden. Eine Kostenentscheidung hat vielmehr erst – nach Abgabe des gesamten Widerspruchsvorganges – die Bezirksregierung Braunschweig im Widerspruchsbescheid vom 19. März 1998 getroffen, die nach Abgabe des Widerspruchsvorganges auch gehalten war, auch hinsichtlich der Abhilfeentscheidung der Beklagte die noch ausstehende Kostenentscheidung zu treffen. Damit enthält der Widerspruchsbescheid vom 19. März 1998 nicht nur eine Sach- und Kostenentscheidung bezüglich der verkehrsbehördlichen Anordnung vom 1. Dezember 1997 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1998), sondern auch bezüglich der Abhilfeentscheidung der Beklagten von 10. November 1997, weshalb es sich bei dieser (vom Verwaltungsgericht aufgehobenen) Kostenentscheidung auch um einen der Beklagte und nicht der Widerspruchsbehörde nach den §§ 78, 79 VwGO zuzurechnenden Verwaltungsakt handelt. Dass die Widerspruchsbehörde insoweit in Verkennung der Rechtslage und unter Verstoß gegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine Kostentscheidung zu Lasten der Kläger getroffen hat, ist insoweit, d. h. für die hier nur interessierende Frage, wem die Kostenentscheidung für eine Passivlegitimation zuzurechnen ist, unerheblich.

3

Die Kostenentscheidung wäre nur dann der Beklagte nicht nach den §§ 78, 79 VwGO zuzurechnen, wenn man der Meinung sein könnte, die Beklagte habe hinsichtlich der Aufhebung der verkehrsbehördlichen Anordnung vom 17. Juli 1997 nicht eine Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO, sondern außerhalb des Widerspruchsverfahrens nach den §§ 48 ff. VwVfG eine Aufhebungsentscheidung (vgl. dazu BVerwG, Urt. 18. April 1996 – BVerwG 4 C 6.95 – , BVerwGE 101, 64 (69 f.) = DVBl. 1996, 1315 (1316) = NVwZ 1997, 272) getroffen. Dies ist aber schon deshalb zu verneinen, weil hier eine Kostenentscheidung zu Lasten der Kläger getroffen worden ist, die sich, wollte man sie anstelle der Kostenentscheidung im Abhilfeverfahren zulassen, als unzulässige (BVerwG, Urt. v. 18.4.1996, aaO, S. 70 ff. = S. 1317 f.) Umgehung der Regelung des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG darstellten würde. Im Übrigen stellt sich nach dem Akteninhalt die Entscheidung der Beklagten, die verkehrsbehördliche Anordnung vom 17. Juli 1997 wieder aufzuheben und von der Aufstellung von Halteverbotsschildern des Verkehrszeichens 283 (‚absolutes Halteverbot‘) wieder Abstand zu nehmen, als Abhilfeentscheidung und nicht als Aufhebungsentscheidung nach den §§ 48 ff. VwVfG außerhalb eines Widerspruchsverfahrens dar. Die Beklagte ist nämlich erst auf den Widerspruch der Kläger vom 3. November 1997 tätig geworden, auch wurde in dem Vermerk des Ordnungsamtes vom 5. November 1997 festgehalten, dass ‚die Feuerwehr‘ (auch) „mit VZ 286 leben“ kann und dass damit (Anordnung eines eingeschränkten Halteverbots, das Ladegeschäfte zulässt, s. § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO) „der Lieferverkehr – die Aufrechterhaltung dieses Verkehrs war von den Klägern in ihrem Widerspruch vom 3. November 1997 in besonderem Maße gefordert worden – gesichert…wäre“. Gerade dies macht aber deutlich, dass die Beklagte bei ihrer Aufhebungsentscheidung vom 10. November 1997 die ursprüngliche Anordnung vom 17. Juli 1997 aus spezifisch widerspruchsbezogenen Gründen erlassen hat.

 


 Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten:
http://www.dbovg.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE060005234&psml=bsndprod.psml&max=true

Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

Vermisst: Rebecca Reusch – Wer hat die 15-Jährige zuletzt gesehen oder kann Hinweise geben?

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen