Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 14. Senat | 14 LA 260/22 | Beschluss | Pflegegeld für Kindertagespflegepersonen

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OVG Lüneburg 14. Senat,
Beschluss vom
06.12.2022, 14 LA 260/22, ECLI:DE:OVGNI:2022:1206.14LA260.22.00

§ 23 Abs 2 SGB 8, § 23 Abs 2a SGB 8

Verfahrensgang

vorgehend VG Braunschweig, 4. März 2022, Az: 3 A 276/20, Urteil

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig – Einzelrichterin der 3. Kammer – vom 4. März 2022 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Ihr Vorbringen, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, lässt nicht erkennen, dass die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO oder der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gegeben sind.

2

1. Die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, Beschl. v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 -, juris Rn. 32 und v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 -, juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 -, juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 17.6.2015 – 8 LA 16/15 -, juris Rn. 10; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206 jeweils m.w.N.).

3

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten für das von ihr im Umfang von 20 Stunden pro Woche betreute Kind L. M. Pflegegeld (Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung sowie Sachaufwandserstattung, vgl. § 23 Abs. 2 Nr. 1, 2, Abs. 2a SGB VIII) nur für diese tatsächlich geleistete Stundenzahl zustehe und der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld für wöchentlich 35 Betreuungsstunden – mithin auch für fünfzehn tatsächlich nicht geleistete – nicht gegeben sei. Dies entspricht der Satzung des Beklagten zur Förderung von Kindern in Tagespflege in der hier maßgeblichen Fassung der 2. Änderungssatzung vom 28. Juli 2014. Danach erhält eine Kraft mit einer Grundqualifikation von 160 Stunden grundsätzlich ein Pflegegeld i.H.v. 4,80 Euro (Anerkennungsleistung i.H.v. 3,00 Euro sowie Sachaufwand i.H.v. 1,80 Euro) je Kind pro geleisteter Stunde.

4

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie bei dem Kind L. M. aufgrund des mit seinen Eltern geschlossenen Betreuungsvertrages zunächst mit einem Betreuungsumfang von sieben Stunden täglich, also 35 Stunden wöchentlich, gerechnet habe und deshalb auch keine weiteren Kinder habe annehmen können. Das Verwaltungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der allein zwischen der Klägerin und den Eltern des betreuten Kindes geschlossene Betreuungsvertrag keine Verpflichtungen der Beklagten begründen kann. Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten auf eine bestimmte Anzahl von Betreuungsstunden für das zu betreuende Kind hat. Der Förderungsanspruch nach § 24 Abs. 1 und 2 SGB VIII steht lediglich dem Kind, vertreten durch die Sorgeberechtigten, nicht aber der Tagespflegeperson zu (Etzold, in: beck-online Großkommentar, Stand: 1.9.2022, SGB VIII § 24 Rn. 3). Dass der Beklagte als „notwendige Betreuung“ des Kindes L. M. lediglich täglich vier Stunden an fünf Tagen/Woche anerkannt hat und somit nur diese Kosten übernimmt, kann daher nur das Kind, nicht aber die Tagespflegeperson in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen.

5

Die stundenbezogene Finanzierung pro Kind verstößt entgegen dem Zulassungsvorbringen auch nicht gegen höherrangiges Recht. Gemäß § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII ist der Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung der Kindertagespflegeperson leistungsgerecht auszugestalten. Nach Satz 3 der Vorschrift ist dabei gerade auch der zeitliche Umfang der Leistung zu berücksichtigen. Damit soll der objektiven Leistungserbringung der Tagespflegeperson Rechnung getragen werden (OVG NRW, Urt. v. 22.8.2014 – 12 A 591/14 -, juris Rn. 167 f. m.w.N.). Ein Anspruch auf Planungssicherheit durch Gewährung eines verlässlichen Pauschbetrages pro Kind unabhängig vom Betreuungsumfang, wie ihn die Klägerin geltend macht, ergibt sich somit gerade nicht. Hinsichtlich des Sachaufwands legt das Zulassungsvorbringen bereits nicht dar, warum eine Festlegung pro Kind und Stunde gegen höherrangiges Recht verstoßen könnte. Die Klägerin setzt sich nicht konkret mit der Kalkulation des Beklagten auseinander und legt auch nicht dar, welche tatsächlichen Aufwendungen sie für die betreuten Kinder hat.

6

Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die Berücksichtigung des zeitlichen Umfangs der erbrachten Leistung auch nicht mit Blick auf die Vergütung der Angestellten in den Kindertagesstätten gleichheitswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Vorliegend kann hinsichtlich der Vergütung von Angestellten in einer Kindertagesstätte einerseits und von Kindertagespflegepersonen andererseits bereits nicht von einem vergleichbaren Sachverhalt ausgegangen werden. Bei den Angestellten in Kindertagesstätten handelt es sich um Arbeitnehmer, die mithin ein regelmäßiges monatliches Gehalt entsprechend der Tarifvereinbarung beziehen, die Klägerin ist als Tagespflegeperson dagegen selbstständig tätig.

7

2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 211 m.w.N.).

8

Hieran fehlt es. Die Klägerin hat bereits keine konkrete Frage aufgeworfen. Soweit sie (konkludent) die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob sie vom Träger der Jugendhilfe auch für fiktive Stunden bezahlt werden muss, die die Eltern des Kindes zunächst mit ihr vereinbart, letztendlich jedoch nicht in Anspruch genommen haben, bedarf es für die Klärung dieser Frage nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Vielmehr ergibt sich aus § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII eindeutig, dass die Kindertagespflegeperson grundsätzlich entsprechend der erbrachten Leistung zu bezahlen ist (vgl. auch die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie oben unter 1.).

9

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.

10

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

 


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