Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Hannover 12. Kammer | 12 B 358/21 | Beschluss | Nachbarantrag gegen eine Baugenehmigung; Abänderungsverfahren; Mangel bei der Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung auf Ebene der Bauleitplanung
aa) Eine Heilung des festgestellten Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 UmwRG (vgl. hierzu VG Hannover, Beschluss vom 22.6.2021 – 12 B 358/21 –, juris, Rn. 29 ff.) ist nicht eingetreten. Die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Aufstellung der 4. Änderung des Bebauungsplans Nr. 36 „J.“ hat zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht zu einer Heilung des ursprünglichen absoluten Verfahrensfehlers geführt. Für die Beurteilung von Fehlerfolgen ist bei Bebauungsplänen gemäß § 4 Abs. 2 UmwRG auf die §§ 214 und 215 BauGB abzustellen (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 28.7.2011 – 1 MB 13/11 – BeckRs 2016, 55111). Die Heilung des Verfahrensfehlers im Rahmen eines sog. ergänzenden Verfahrens bemisst sich nach § 214 Abs. 4 BauGB (vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 11.10.2021 – 1 ME 110/21 –, juris, Rn. 22). Beim ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB setzt der Plangeber das von ihm ursprünglich eingeleitete Verfahren an der Stelle fort, an der ihm der zu korrigierende Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.8.2015 – 4 CN 10.14 –, juris, Rn. 9) und wird hierdurch in das Verfahren des Bebauungsplanentwurfs zurückversetzt (BVerwG, Beschluss vom 12.7.2017 – 4 BN 7.17 –, BeckRS 120037, Rn. 7; OVG Hamburg, Beschl. v. 8.1.2020 – 2 Bs 183/19 –, KommJur 2020, 174, 182). Im ergänzenden Verfahren müssen der jeweilige Mangel durch fehlerfreie Wiederholung geheilt und die sich anschließenden Verfahrensschritte nochmals durchgeführt werden (BVerwG, Beschluss vom 7.11.1997 – 4 NB 48/96 –, NVwZ 1998, 956). Es kann daher der Sache nach als eine Art „Wiedereinsetzung in den letzten verfahrensfehlerfreien Stand“ charakterisiert werden. Es ergänzt das ursprüngliche Aufstellungsverfahren in seinen fehlerfreien Teilen und ermöglicht es der Gemeinde, sich nach erfolgreicher Fehlerbehebung im ergänzenden Verfahren so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn sie das Aufstellungsverfahren von vornherein rechtmäßig durchgeführt und abgeschlossen hätte (vgl. zum Vorstehenden auch Uechtritz in: BeckOK BauGB, 54. Edition, § 214, Rn. 139). Der ursprüngliche (unwirksame) Bebauungsplan erlangt mit der Bekanntmachung im Anschluss an das ergänzende Verfahren zusammen mit dem geänderten Plan insgesamt als ein Bebauungsplan Wirksamkeit, der sich aus zwei Teilnormgebungsakten zusammensetzt (BVerwG, Beschluss vom 20.5.2003 – 4 BN 57/02 –, NVwZ 2003, 1259 und BVerwG, Urteil vom 24.3.2010 – 4 CN 3/09 –, NVwZ 2010, 782). Vor diesem Hintergrund erscheint zweifelhaft, ob eine Heilung in einem anderen Bauleitplanverfahren überhaupt erreicht werden kann. Im Übrigen dürfte hierfür eine wirksame Abschichtung der Umweltprüfung in das andere Verfahren Voraussetzung sein. Zwar sieht § 2 Abs. 4 Satz 5 BauGB grundsätzlich die Möglichkeit einer Beschränkung der Umweltprüfung auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren vor, wenn eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder Teile davon bereits durchgeführt wurde. Auch könnte möglicherweise davon ausgegangen werden, dass das Bauleitplanverfahren Nr. 21 durch die Zurückversetzung gleichzeitig oder nachfolgend zu dem Bauleitplanverfahren Nr. 36 durchgeführt wird. Es muss jedoch grundsätzlich auf jeder Planungsebene eine formal vollständige Umweltprüfung durchgeführt werden. Eine Abschichtung erfordert deshalb grundsätzlich eine Prüfung der Möglichkeit zur Übernahme der Ergebnisse bereits durchgeführter Umweltprüfungen auf vor- und nachgelagerten Ebenen. Die maßgebliche Grenze für die Abschichtung in Form der Verlagerung von Prüfinhalten ergibt sich dabei aus den Anforderungen an die sachgerechte Abwägung über den Bauleitplan. Als formalisiertes Prüfverfahren zur Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen dient die Umweltprüfung dazu, das umweltbezogene Abwägungsmaterial für den jeweiligen Bauleitplan aufzubereiten und zu bewerten. Dies ist für eine sachgerechte Planungsentscheidung notwendig (vgl. zum Vorstehenden Timm in: NuR 2011 33: 545, 547, 554). Für eine wirksame Abschichtung dürfte es demgemäß mindestens an einer entsprechenden Abwägung der durch die Umweltprüfung bzw. der im Rahmen ihrer Auslegung ermittelten Belange im Rahmen der Bauleitplanung Nr. 21 fehlen. Die Frage einer möglichen Heilung in einem Parallelverfahren kann aber letztlich dahinstehen, da die maßgeblichen Verfahrensschritte schon für den Bebauungsplan Nr. 36 nicht abgeschlossen worden sind. Es fehlt an einer Prüfung der Bedenken und Anregungen sowie einer Entscheidung darüber gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB, an einem Satzungsbeschluss gemäß § 10 Abs. 1 BauGB und einer Bekanntmachung gemäß § 10 Abs. 3 BauGB (Q., abgerufen am 2.5.2022).
Original Quelle Niedersachsen.de
Bilder Pixabay / Original Quelle
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