Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Hannover 5. Kammer | 5 A 1775/21 | Urteil | Ausweisung, Aufenthaltserlaubnis

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aa. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind nicht erfüllt, weil der Lebensunterhalt des Klägers nicht i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 3 AufenthG gesichert ist und ein Ausweisungsinteresse i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dabei kein – nach den vorstehenden Ausführungen im Übrigen bestehendes – besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse erforderlich, sondern es genügt, dass ein Ausweisungsinteresse gleichsam abstrakt – d. h. nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen – vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.2.2021 – 12 S 3852/20 –, juris Rn. 18). Schließlich erfüllt der Kläger auch die aus § 5 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 3 AufenthG resultierende Passpflicht nicht. Von der Passpflicht kann auch nicht im Einzelfall abgesehen werden, denn der Kläger ist entgegen seines Vorbringens nicht staatenlos. Eine Person ist staatenlos, wenn kein Staat sie auf Grund seines Rechts als Staatsangehörige ansieht, d. h. eine Person, die de jure staatenlos ist (Art. 1 Abs. 1 StlÜbk; BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 – BVerwG 1 C 15.88 –, juris). Der Nachweis der negativen Tatsache der De-Jure-Staatenlosigkeit obliegt grundsätzlich dem Betroffenen. Er muss die von ihm behauptete Staatenlosigkeit darlegen und beweisen, denn die erforderlichen Informationen – etwa die detaillierte Darlegung der Abstammung und die Angaben zu den Vorfahren mit Geburtsdaten, Geburtsorten und Wohnorten – sind grundsätzlich solche aus dem Lebensbereich des Betroffenen und seiner Herkunftsfamilie, die einer Ermittlung von Amts wegen weitgehend nicht zugänglich sind. Die Ausländerbehörde hat eine Hinweis- und Anstoßpflicht (vgl. VG Hannover, Urteil vom 22.12.2021 – 5 A 1570/21 –, juris; Nds. OVG Beschluss vom 31. Juli 2007 – 2 LA 1197/06 –, n.V., und Urteil vom 27.5.2010 – 2 LB 577/07 –, n. V.; abgedruckt im Urteil vom 25.3.2014 – 2 LB 92/13 –, juris Rn. 50 ff.). Das türkische Staatsangehörigkeitsrecht folgt dem Abstammungsprinzip, siehe Art. 7 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 5901 vom 29. Mai 2009 (tStAG), das das Gesetz über die türkische Staatsangehörigkeit Nr. 403 vom 11. Februar 1964 ersetzte (vgl. zum Hintergrund Rumpf/Odendahl in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 6. Auflage, Stand: 1.6.2020, Türkei, Seite 4 ff.). Da die Eltern des Klägers im Zeitpunkt seiner Geburt noch nicht verheiratet waren, ergibt sich die Staatsangehörigkeit des Klägers aus Art. 7 Abs. 2 des tStAG. Der Kläger hat danach die türkische Staatsangehörigkeit durch Abstammung von seiner türkischen Mutter durch Geburt erworben. Der vom Kläger vorgelegte Registerauszug zeigt insoweit nur, dass er derzeit nicht im türkischen MERNIS-Register eingetragen ist. Mithilfe seiner Geburtsurkunde und des vorgelegten Auszugs aus dem Personenstandsregister kann er jedoch seine Abstammung gegenüber den türkischen Behörden nachweisen (siehe Art. 36 Abs. 2 tStAG Nr. 5901). Es gibt derzeit keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die türkischen Behörden ihn als einen türkischen Staatsangehörigen ansehen würden. Der Kläger hat aber von vornherein keinerlei Bemühungen gezeigt, die türkischen Behörden zur Nachregistrierung und Ausstellung eines Reisepasses zu bewegen. Damit hat er seine Mitwirkungspflichten nicht im Ansatz erfüllt (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 25.3.2014 – 2 LB 92/13 –, juris Rn. 64 ff.). Auch eine Verweigerung der Mithilfe seiner Eltern müsste er sich zurechnen lassen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 10.12.2007 – 2 LA 441/07 –, juris).

Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

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