Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Lüneburg 1. Kammer | 1 A 44/00 | Urteil | Genehmigung des Führens eines bulgarischen medizinischen Doktortitels in Deutschland

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VG Lüneburg 1. Kammer,
Urteil vom
12.02.2003, 1 A 44/00, ECLI:DE:VGLUENE:2003:0212.1A44.00.0A

§ 10 HSchulG ND, § 26 Abs 2 HSchulG ND, § 38 Abs 1 VwVfG, § 43 VwGO, § 4 AkaGrV ND, § 43 VwGO, § 132a StGB

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt in Abänderung der ihr vom Beklagten nach § 26 Abs. 2 NHG in der Fassung vom 24. März 1998 (im Folgenden: NHG a. F.) erteilten Genehmigung zur Führung ihres in Bulgarien am Höheren Medizinischen Institut Pleven erworbenen medizinischen Doktortitels auf der Grundlage des § 10 NHG in der Fassung vom 24. Juni 2002 (im Folgenden: NHG n. F.) die Feststellung, dass sie berechtigt ist, ihren Doktortitel in Deutschland in der Verleihungsform mit Herkunftsangabe in der abgekürzten Form „D-r“ statt „d-r“ führen zu dürfen.

2

Die am … in …/Bulgarien geborene Klägerin – die inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat – studierte in der Zeit von … bis … an dem Höheren Medizinischen Institut Pleven in der Fachrichtung Medizin. Am … 1989 erwarb sie nach erfolgreich abgeschlossener Prüfung ihr Diplom mit der Berechtigung zur Ausübung des Arztberufes (“
lekar
„). Aufgrund einer Verfügung des bulgarischen Ministers für Gesundheitswesen und Sozialfürsorge vom 9. August 1958 (Anordnung Nr. A-74) erwarb sie nach der seinerzeitigen Sachlage in Bulgarien damit zugleich die Berechtigung zur Führung des bulgarischen Titels „Doktor“, ohne eine Promotion nach deutschem Vorbild oder eine sonstige weitere Prüfung ableisten zu müssen. Ihrem Diplom ist ihrem Namen daher die Buchstabenfolge „D-r“ (kyrillisch: „D-p“) vorangestellt. Im Jahre 1995 erwarb sie ihre Approbation in Deutschland, seit Oktober 1999 ist sie als Fachärztin für Allgemeinmedizin min eigener Praxis in … niedergelassen.

3

Mit auf den 8. Februar 1999 datiertem Vordruck beantragte sie die Genehmigung zur Führung ihres an der Medizinischen Hochschule in Pleven erworbenen akademischen Doktorgrades. Dem Antrag fügte sie neben einem Lebenslauf, einer Aufenthaltsbescheinigung der Samtgemeinde Wathlingen in Kopie ihr Diplom in bulgarischer Sprache sowie in deutscher Übersetzung bei.

4

Mit Schreiben vom 23. Februar 1999 kündigte der Beklagte der Klägerin an, der von ihr erworbene „staatliche Grad (doctor)“ werde in der Verleihungsform mit Herkunftsangabe genehmigt (abgekürzt: „D-r (BG)“). Im Gegensatz zu dem deutschen akademischen Grad „Doktor der Medizin“ („Dr. med.“) liege dem bulgarischen Doktortitel keine Promotionsleistung zugrunde. Das bulgarische Diplom sei rangmäßig und inhaltlich nur vergleichbar mit der ärztlichen Prüfung (Staatsexamen), dem Abschluss eines hiesigen Medizinstudiums. Die Erteilung dieser Genehmigung sei gebührenpflichtig. Es werde gebeten, die Gebühr in Höhe von 360 DM zu überweisen.

5

Mit Verfügung vom 30. März 1999 genehmigte der Beklagte der Klägerin, den ihr vom Höheren Medizinischen Institut Pleven verliehenen Hochschulgrad „Doktor“ in folgender (gegenüber der Ankündigung vom 23. Februar 1999 leicht abgewandelten) Form in der Bundesrepublik Deutschland zu führen: „
doktor
(Bulgarien)“ (abgekürzt: „d-r (BG)“).

6

Mit Schreiben vom 22. Juni 1999 legte die Klägerin gegen die genehmigte abgekürzte Schreibweise Widerspruch ein und beantragte, ihren Hochschulgrad in der Verleihungsform mit Herkunftsangabe, abgekürzt „D-r (BG)“ führen zu dürfen. Zur Begründung führte sie an, im Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 1999 sei ihr zugesichert worden, ihren Hochschulgrad in der gewünschten abgekürzten Form führen zu dürfen. Insofern handele es sich um eine Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 VwVfG. Entgegen der Darstellung des Beklagten könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Groß- bzw. Kleinschreibung des Buchstabens „D“ um einen Schreibfehler handele. Zudem habe sie nach § 4 Abs. 1 der Verordnung über die Führung ausländischer akademischer Grade – AkGradVO – vom 29. Mai 1991 einen Rechtsanspruch auf die von ihr gewünschte Abkürzung. Gemäß § 4 Abs. 3 AkGradVO sei der Hochschulgrad in der Originalform und in der im Ausland üblichen Abkürzung zu führen. Aus der Übersetzung des Diploms ergebe sich, dass der Doktorgrad in der abgekürzten Fassung vorn ein großgeschriebenes „D“ aufweise. Für die vom Beklagten gewählte Kleinschreibung des Buchstabens „d“ gebe es keine Grundlage, weder aus der bezeichneten Verordnung noch aus der Grammatik der bulgarischen Sprache. Im Bulgarischen würden am Anfang von Sätzen und satzartigen Gebilden wie Überschriften, Titeln, Aufschriften und ähnlichem große Anfangsbuchstaben geschrieben.

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Mit Schreiben vom 26. August 1999 machte der Beklagte die Klägerin darauf aufmerksam, dass nach § 68 VwGO gegen ihre Entscheidungen ein Widerspruch nicht zulässig sei, sondern sie sich direkt an das Verwaltungsgericht wenden müsse. Nach seiner ständigen Genehmigungspraxis sei es im Übrigen nicht möglich, die von ihr gewünschte Abkürzung des Titels zu gestatten.

8

Daraufhin hat die Klägerin am 10. Februar 2000 Klage erhoben, mit der sie ihr Ziel weiter verfolgt. Zur Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Der ihr in Bulgarien verliehene Doktortitel falle unter den Anwendungsbereich des nunmehr maßgeblichen § 10 NHG n. F. In Bulgarien weise der Doktorgrad in der abgekürzten Fassung vorn in kyrillischer Schrift ein groß geschriebenes „D“ auf. Die Abkürzung setze sich aus einem großen kyrillischen „D“, einem Bindestrich und sodann einem kleinen kyrillischen „r“ zusammen: „D-r“. In der Originalurkunde ihres Diploms gehe ihrem Namen mithin die kyrillische Buchstabenfolge „D-p“ voraus. Dies entspreche der lateinischen Buchstabenfolge „D-r“. Die Schreibweise der Eigennamen entspreche der ISO-Norm. Im Bulgarischen seien kleine Anfangsbuchstaben am Anfang von Sätzen und satzartigen Gebilden wie Überschriften, Titeln, Aufschriften und ähnlichem absolut unüblich. Deshalb entspreche die vom Beklagten in der Genehmigungsurkunde genehmigte Form nicht der Originalform und der im Ausland üblichen Abkürzung im Sinne des § 4 Abs. 3 AkGradVO. Eine Irreführung der Öffentlichkeit durch die von ihr gewünschte Schreibweise der Abkürzung des Titels sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil die hinter die Führungsform gesetzte Kennzeichnung des Ursprungslandes der erlangten Qualifikation hinreichend Klarheit verschaffe. Es bestünde nach außen keine Vergleichbarkeit mit Ärzten ohne Promotion, die ihren Abschluss in Deutschland gemacht hätten, weil diese schon nicht berechtigt seien, sich Doktor zu nennen. Unabhängig davon stelle das Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 1999 eine Zusicherung dar, so dass sie bereits deshalb einen Anspruch auf die von ihr gewünschte Abkürzung habe.

9

Die Klägerin, die bisher auf der Grundlage des § 26 Abs. 2 Satz 2 NHG a. F. die Verpflichtung des Beklagten zur Abänderung der Genehmigung in ihrem Sinn begehrt hat, beantragt im Hinblick auf § 10 NHG n. F. nunmehr,

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unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 30. März 1999 festzustellen, dass sie berechtigt ist, ihren beim Höheren Medizinischen Institut Pleven erworbenen Hochschulgrad „Doktor“ in der Bundesrepublik Deutschland in der Verleihungsform mit Herkunftsangabe, abgekürzt: „D-r (Höheres Medizinisches Institut Pleven)“, zu führen.

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Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen,

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und vertieft seinerseits unter Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes Weimar vom 22. Januar 1998 – 2 K 707/94.We – die bisherigen Ausführungen. Die in der Diplomurkunde der Klägerin ihrem Namen vorangestellte Buchstabenfolge „d-p“ stelle gar keinen akademischen Grad dar. Da sie wie ein inländischer akademischer Grad laute, falle sie jedoch in den Anwendungsbereich des § 10 NHG n. F. Bis zu einer Reform des Hochschulsystems im Jahre 1995 habe das bulgarische Hochschulrecht einen akademischen Doktorgrad gar nicht vorgesehen. Vielmehr habe das Medizinstudium mit einem Staatsexamen abgeschlossen, wobei das ausgestellte Diplom die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes verliehen und dem Inhaber die berufliche Qualifikation eines Arztes zuerkannt habe. Die Tatsache, dass in den Diplomurkunden regelmäßig bei der Nennung der Personaldaten dem Namen des jeweiligen Inhabers die kyrillische Buchstabenfolge „d-p“ vorangestellt worden sei, finde keinen Anhalt in dem „regelnden“ Teil des Diploms, sondern beruhe vielmehr auf einer Verfügung des Ministers für Gesundheitswesen und Sozialfürsorge aus dem Jahre 1958 und knüpfe an die in Bulgarien hergebrachte Tradition an, wonach ein praktizierender Arzt unabhängig von einer tatsächlich durchgeführten Promotion umgangssprachlich als „Doktor“ bezeichnet werde. Die Genehmigungsurkunde vom 30. März 1999 weise die Form auf, in der die Genehmigung auf der Grundlage des § 26 Abs. 2 NHG a. F. habe erteilt werden können. Im Anschreiben vom 23. Februar 1999 zu der Genehmigungsurkunde sei der Grad in der Abkürzung fälschlicherweise groß geschrieben worden; hierin sei keine Zusicherung zu sehen. Eine derartige Gradgenehmigung komme generell nur in der Verleihungsform nebst einer nicht die Öffentlichkeit irreführenden Abkürzung in Betracht, da es sich inhaltlich nicht um den Erwerb eines Doktorgrades handele, sondern lediglich um den Abschluss des Medizinstudiums. Mit dem bulgarischen Diplom sei der Klägerin die Berufsbezeichnung Arzt (
lekar
) zuerkannt worden, die zur Ausübung des Arztberufes in Bulgarien berechtige und mit dem hiesigen Abschluss des Medizinstudiums (Staatsexamen) rangmäßig und inhaltlich vergleichbar sei. Der vor dem Namen des Diploms aufgeführte „doctor“ werde in Bulgarien seit 1958 dem akademischen Grad aufgrund einer Verfügung des dortigen Gesundheitsministeriums beigefügt. Im Gegensatz zu dem deutschen akademischen Grad (abgekürzt „Dr. med.“) lägen dem bulgarischen „doctor“ keine Promotionsleistungen zugrunde. Wenn die Klägerin mit ihrem Klagebegehren durchdringen würde, würde die Öffentlichkeit über ein durchgeführtes Promotionsvorhaben getäuscht werden.

14

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige (dazu 1.) Klage hat in der Sache keinen Erfolg (dazu 2.).

16

1. Die Feststellungsklage ist zulässig.

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Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO kann nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein, das durch besondere Umstände hinreichend konkretisiert ist, wobei die streitigen Beziehungen sich zu einer festen Form verdichtet haben müssen (BVerwG, Urt. v. 13.1.1969 – 1 C 86.64 -, Buchholz 310 § 43 Nr. 31; Nds. OVG, Urt. v. 21.10.2002 – 10 L 3912/00 -). Die Beteiligten streiten im vorliegenden Fall darüber, ob die Klägerin berechtigt ist, den ihr aus Bulgarien stammenden Doktortitel in der Bundesrepublik Deutschland in der von ihr gewünschten Abkürzungsform „D-r“ mit Herkunftsangabe zu führen. Bei einer nach Auffassung des Beklagten unzulässigen Führung dieses Titels liefe die Klägerin nach der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Rechtslage Gefahr, dass der Beklagte ihr die Führung nach § 10 Abs. 5 Satz 1 NHG n. F. untersagt oder dass sie sich in einem Strafverfahren wegen Verstoßes gegen § 132 a StGB ausgesetzt sieht. Damit besteht zwischen den Beteiligten ein hinreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis.

18

Hierin wird zugleich das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche rechtlich schützenswerte Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung deutlich. Der Klägerin ist es nicht zuzumuten, die Klärung der verwaltungsrechtlichen Streitfrage, ob sie den Doktortitel in Deutschland in der von ihr gewünschten abgekürzten Form führen darf, etwa als Angeklagte in einem Strafverfahren herbeizuführen.

19

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert auch nicht an § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Denn die von der Klägerin zunächst erhobene Verpflichtungsklage hat mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Hochschulreform in Niedersachsen vom 24. Juni 2002 (Nds. GVBl. S. 286) am 1. Oktober 2002 (Art. 7 des Gesetzes) ihre Erledigung gefunden (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 21.10.2002 – 10 L 3912/00 -). Bei der von der Klägerin (zunächst) erhobenen Verpflichtungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht maßgeblich; zu diesem Zeitpunkt kommt nunmehr ausschließlich § 10 Abs. 1 bis 3 NHG n. F. als Rechtsgrundlage für die hier in Frage stehende Berechtigung der Klägerin, den aus Bulgarien stammenden Doktortitel in Deutschland in der von ihr gewünschten abgekürzten Form führen zu dürfen, in Betracht. Im Gegensatz zu § 26 Abs. 2 Satz 2 NHG a. F. verzichtet § 10 NHG n. F. darauf, die Führung des ausländischen Grades oder Titels sowie einer Hochschultätigkeitsbezeichnung einem Genehmigungsvorbehalt zu unterwerfen. Stattdessen untersagt § 10 Abs. 5 Satz 1 NHG n. F. eine von § 10 Abs. 1 bis 4 abweichende Grad- und Titelführung. Da § 10 NHG n. F. ein Genehmigungsverfahren nicht mehr vorsieht, geht die von der Klägerin zunächst erstrebte Verpflichtung des Beklagten auf Erteilung einer entsprechenden Genehmigung ins Leere.

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2. Die Feststellungsklage ist aber unbegründet.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung der Berechtigung, ihren in Bulgarien aufgrund ihres beim Höheren Medizinischen Institut Pleven erworbenen medizinischen Diploms zuerkannten Titel „Doktor“ in der Bundesrepublik Deutschland in der von ihr gewünschten Abkürzungsform „D-r“ mit Herkunftsangabe führen zu dürfen. Dies folgt in erster Linie bereits daraus, dass der bulgarische „Doktortitel“ schon unter keine der Tatbestände des § 10 Abs. 1 bis 4 NHG n. F. fällt (dazu b), in zweiter Linie aber auch aus dem Sinn und Zweck der Regelungen des § 10 NHG n. F. (dazu c). Und schließlich kommt dem Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 1999 nicht die Qualität einer Zusicherung zu (dazu a).

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a) Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 1999 nicht um eine „Zusicherung“ im Sinne der §§ 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG. Zwar ist insoweit dem Schriftformerfordernis des § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Genüge getan; dieses Schreiben erfüllt aber nicht die materiellen Erfordernisse für eine Zusicherung i. S. d. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (vgl. hierzu allgemein P. und U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, Komm., 6. Aufl. 2001, § 38 Rdnr. 25 ff. m. w. N.). Wie sich aus dem letzten Teil dieses Schreibens mit dem Hinweis auf die Gebührenpflicht und die Zahlungsbitte ergibt, handelt es sich hierbei nicht um eine Erklärung mit einem verbindlich gewollten und nach außen erklärten Bindungswillen, sondern lediglich um das bloße In-Aussicht-Stellen eines künftigen Verwaltungsaktes, mithin um eine unverbindliche Auskunft über das beabsichtigte weitere Vorgehen des Beklagten für den Fall, dass die Klägerin die Gebühr überweist.

23

b) § 10 Abs. 1 bis 4 NHG n. F. scheiden als Grundlage für die von der Klägerin begehrte Feststellung ebenfalls aus.

24

§ 10 Abs. 4 NHG n. F. kommt in diesem Zusammenhang abgesehen davon, dass eine Verordnung noch nicht erlassen worden ist, schon deshalb nicht in Betracht, weil es nach Auskunft des Beklagten entsprechende Äquivalenzvereinbarungen zwischen Deutschland und Bulgarien nicht gibt und die Klägerin keine Berechtigte nach dem Bundesvertriebenengesetz ist. Auch § 10 Abs. 3 NHG n. F. scheidet als Anknüpfungspunkt aus, da der bulgarische medizinische „Doktorgrad“, wie ihn die Klägerin innehat, weder ein „Hochschultitel“ noch eine „Hochschultätigkeitsbezeichnung“ ist.

25

Ein Feststellungsanspruch folgt auch nicht aus § 10 Abs. 1 Satz 1 sowie Satz 3 NHG n. F., die einen „ausländischen Hochschulgrad“ sowie einen „staatlichen Grad“ – ein „kirchlicher Grad“ scheidet von vornherein aus – zum Gegenstand haben. Die der Klägerin in Bulgarien zuerkannte Bezeichnung („Doktor“; in kyrillischer Schreibweise abgekürzt:

26

„D-p“) ist weder ein ausländischer Hochschulgrad noch ein staatlicher Grad. Dies ergibt sich im Einzelnen aus dem – den Beteiligten bekannten – rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichtes Weimar vom 22. Dezember 1998 – 2 K 707/94.We-, dem der Einzelrichter folgt. Hiernach ergibt sich im Einzelnen Folgendes:

27

Das Verwaltungsgericht Weimar hat auf der Grundlage mehrerer – den Beteiligten ebenfalls bekannten – Stellungnahmen der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen ausgeführt, dass das Medizinstudium in Bulgarien mit einem Staatsexamen abgeschlossen wird. Das nach Bestehen des Examens ausgestellte Diplom verleiht die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes; dem Inhaber wird mit dem Diplom die berufliche Qualifikation eines Arztes (“
lekar
„) zuerkannt. In Bulgarien werden akademische oder wissenschaftliche Grade von den jeweiligen Hochschulen (bei Hochschulabschlussdiplomen) oder von der Hohen Attestationskommission (bei wissenschaftlichen Titeln) verliehen. Bis 1995 wies das bulgarische Hochschulwesen lediglich im postgraduierten Bereich die Möglichkeit der Vergabe akademischer Grade auf. Der bis dahin einzige Doktorgrad lautete “
Doktor na naukite
“ („Doktor der Wissenschaften“), der einer deutschen Habilitation entspricht. Als materielle Entsprechung des deutschen Doktorgrades galt der bulgarische “
Kandidat na naukite
“ („Kandidat der Wissenschaften“). Ein „Doktorgrad“ im eigentlichen Sinn für alle Ärzte ist dagegen im bulgarischen Hochschulrecht überhaupt nicht vorgesehen. Der bulgarische medizinische „Doktorgrad“ beruht allein auf einer Verfügung des Ministers für Gesundheitswesen und Sozialfürsorge aus dem Jahre 1958, die allen Ärzten, die die Hochschule für Medizin im Fach „Medizin“ absolviert haben, den Titel „Doktor“ zuerkennt. Dieser „Doktorgrad“ wird nicht eigens verliehen, sondern erscheint auf dem Diplom vor dem Namen des Hochschulabsolventen. Hierbei handelt es sich um das Festhalten an der hergebrachten bulgarischen Tradition, wonach ein praktizierender Arzt unabhängig von einer tatsächlich durchgeführten Promotion als „Doktor“ bezeichnet wird.

28

Eine solche Bezeichnung, wie sie der Klägerin in Bulgarien zuerkannt worden ist, ist demnach kein ausländischer Hochschulgrad i. S. v. § 10 Abs. 1 Satz 1 NHG n. F. Denn sie wird nach dem eben Gesagten nicht von der Hochschule aufgrund eines durch Prüfung abgeschlossenen Studiums durch Verleihungsakt oder durch gesetzliche Regelung zuerkannt und damit „verliehen“, sondern folgt nur dem traditionell Hergebrachten. Auch nach bulgarischem Recht ist sie gerade kein akademischer Hochschulgrad, da sie in keinem Zusammenhang mit den genannten bulgarischen Graden „Kandidat der Wissenschaften“ und „Doktor der Wissenschaften“ steht. Das der Klägerin verliehene Diplom scheidet als Anknüpfungspunkt ebenfalls aus, da dieses ihr „nur“ die Berufsbezeichnung und Befähigung als Arzt (“
lekar
„) zuerkennt, nicht aber zusätzlich die Berechtigung zum Führen des bulgarischen Titels „Doktor“; die Diplomurkunde setzt die Berechtigung zur Führung dieser Bezeichnung vielmehr voraus.

29

Die bulgarische Bezeichnung „D-r“ ist auch kein ausländischer staatlicher Grad i. S. v. § 10 Abs. 1 Satz 3 NHG n. F. Ein solcher ausländischer staatlicher Grad ist nach der insoweit weiterhin maßgeblichen Begriffsbestimmung unter Abschnitt I 3 des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 28. April 1977 in der Form vom 13. Mai 1985 (GMBl. 1985 S. 498) eine Bezeichnung, die Absolventen einer in dem betreffenden Land anerkannten Hochschule aufgrund einer staatlichen Abschlussprüfung anstelle eines im Geltungsbereiches des Grundgesetzes verliehenen akademischen Grades von der zuständigen staatlichen Stelle durch Verleihungsakt oder durch gesetzliche Regelung zuerkannt worden ist. Als Anknüpfungspunkt kommt hier allein die Verfügung des bulgarischen Ministers für Gesundheitswesen und Sozialfürsorge vom 9. August 1958 sowie die diese bestätigende Anordnung von 1968 in Betracht. Diese sind jedoch weder von der nach dem seinerzeit in Bulgarien gültigen Recht zuständigen Hochschule noch von der Hohen Attestationskommission erlassen worden, sondern von der Gesundheitsverwaltung. Überdies fehlt es an einem besonderen Verleihungsakt bzw. der Zuerkennung durch gesetzliche Regelung.

30

Die Möglichkeit, in dem bulgarischen „Doktortitel“ einen „ausländischen Ehrengrad“ i. S. d. § 10 Abs. 2 Satz 1 NHG n. F. zu sehen, scheidet ebenfalls aus. Hierfür ist erforderlich, dass der ausländische Ehrengrad von einer nach dem Recht des Herkunftslandes zur Verleihung berechtigten Stelle verliehen wurde. Dies trifft nach dem oben Gesagten aber gerade nicht zu. Zudem nimmt § 10 Abs. 2 Satz 2 NHG n. F. Ehrengrade, für die die ausländische Institution – wie hier – kein Recht zur Vergabe des entsprechenden Grades besitzt, ausdrücklich aus.

31

Da mithin im Ergebnis der „Doktortitel“ der Klägerin schon unter keine der Tatbestände des § 10 Abs. 1 bis 4 NHG n. F. fällt und ihr deshalb nach § 10 Abs. 5 Satz 1 NHG n. F. die Führung dieses Titels in Deutschland untersagt ist, hat sie auch keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Feststellung zur Berechtigung des Führens ihres Titels in der von ihr gewünschten Abkürzungsform „D-r“ mit Nennung der Herkunftsangabe.

32

c) Unabhängig hiervon hat die Feststellungsklage aus einem weiteren Grund keinen Erfolg. Dies ergibt sich aus Folgendem:

33

Auch wenn § 10 Abs. 5 Satz 1 NHG n. F. den Genehmigungsvorbehalt des § 26 Abs. 2 Stz 2 NHG a. F. aufgegeben und stattdessen eine nachträgliche Prüfung durch die Beklagte als zuständige Behörde eingeführt hat, ist es mit Sinn und Zweck der Vorschrift des § 10 Abs. 5 Satz 1 NHG n. F. nicht zu vereinbaren, dass bei einer geringerwertigen ausländischen Bezeichnung – wie hier der bulgarischen Bezeichnung „Doktor“ für alle Mediziner – und dem Bestehen einer Verwechslungsgefahr mit dem deutschen Doktorgrad die Führung des in Bulgarien erworbenen medizinischen Doktortitels in der von der Klägerin begehrten Abkürzungsform hingenommen wird. Damit würde gegen den – auch nach der Gesetzesänderung weiterhin unveränderten – Schutzzweck des § 10 NHG n. F. verstoßen, der gerade darin besteht, eine Verwechslung geringerwertiger ausländischer Bezeichnungen mit deutschen Graden und damit verbunden eine Irreführung im Rechtsverkehr zu vermeiden. Angesichts der nahezu identischen Schreibweise der von der Klägerin begehrten Bezeichnung „D-r“ mit dem deutschen Grad „Dr.“ ist eine solche Verwechslungsgefahr offenkundig (so zutreffend auch VG Weimar, Urt. v. 22.12.1998 – 2 K 707/94.We -, S. 23 f. UA).

34

Diese Verwechslungsgefahr, die gerade ausgeschlossen werden soll, wird nicht dadurch beseitigt, dass der von der Klägerin begehrten Abkürzungsform „D-r“ die verleihende ausländische Institution hinzugefügt wird. Zum einen wäre ein solcher Zusatz schon inhaltlich nicht zutreffend und damit irreführend. Denn das Höhere Medizinische Institut Pleven ist nach dem oben Gesagten gerade nicht die verleihende ausländische Institution. Zum zweiten gilt unabhängig hiervon: Auch wenn sachkundige Dritte aus diesem Zusatz ohne Weiteres darauf schließen können, dass es sich aufgrund dieses Zusatzes um einen geringer wertigen Grad handeln muss, bleiben Missverständnisse durch Unkundige möglich und sogar wahrscheinlich. Angesichts des Schutzzweckes der Norm, den allgemeinen Rechtsverkehr zu schützen, ist bei der Gefahrenprognose aber gerade vorrangig auf nicht kundige Personen abzustellen, für die die Gefahr entsprechender Irrtümer offen zu Tage liegt.

 


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Original Quelle Niedersachsen.de

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