Schluss mit Berliner Schulden – Leitartikel von Christian Kerl

BERLINER MORGENPOST

Berlin (ots)

Die Steuerzahler in Deutschland leisten immer mehr, bald knacken sie eine neue Rekordmarke: Spätestens übernächstes Jahr geben sie voraussichtlich mehr als 1.000.000.000.000 Euro, also über eine Billion, an den Fiskus ab. Bund, Länder und Kommunen profitieren von der besseren Konjunktur, obwohl die Koalition erst zu Jahresanfang eine Steuerentlastung in Kraft gesetzt hatte, die unfaire Inflationsgewinne des Staates an die Bürger zurückgibt. Aber als Finanzminister Lindner die neue Steuerschätzung vorstellte, löste er Enttäuschung in der Ampelkoalition aus. Deren Hoffnung hat sich zerschlagen: Die Einnahmen steigen zwar, aber nicht genug, um die absehbaren Haushaltsprobleme des Bundes zu lösen.

Jetzt ist endgültig klar: 14 bis 18 Milliarden Euro fehlen bereits im Etat für das kommende Jahr, üppige Zusatzwünsche der Ministerien noch nicht eingerechnet. Nach Jahren großzügiger Ausgabepolitik auf Pump ist das eine Zäsur: Die Steuerschätzung ist der Auftakt zu einem heftigen Verteilungskampf in der Koalition. Hat die Ampel angesichts schwindender Spielräume noch die Kraft, zur stabilitätsorientierten Haushaltspolitik zurückzukehren, wie vereinbart war? Es wird ungemütlich für die Koalitionäre bis zum Kabinettsbeschluss über den nächsten Etat. Der Wirtschaftsminister will mehr Geld für den Umbau der Energieversorgung, der Gesundheitsminister für seine Krankenhausreform, die Familienministerin für Kinderhilfen. Und der Verteidigungsminister braucht zusätzliche Milliarden für die Bundeswehr.

Alles zusammen geht so nicht mehr. Die Koalition muss Prioritäten setzen: Dass der Bund deutlich mehr für Verteidigung ausgibt, ist angesichts der verschlechterten Sicherheitslage unabdingbar. Ebenso sollten Investitionen in den Klimaschutz Vorrang haben. Andere Projekte aber müssen vertagt, abgespeckt oder gestrichen werden. Die denkbaren Auswege sind versperrt: Steuererhöhungen haben riskante Nebenwirkungen und sind in der Ampel nicht durchsetzbar, eher zerbricht die Koalition – und selbst wenn etwa große Vermögen stärker herangezogen würden, ließen sich damit die Lücken nicht schließen. Gefährlich aber wäre die Flucht in eine noch höhere Verschuldung: Lindner pocht zu Recht darauf, dass die Schuldenbremse der Verfassung endlich wieder eingehalten wird.

Die Belastungsgrenze ist längst erreicht: Der Bund hat erst die Corona-Pandemie und dann die kriegsbedingte Energiekrise mit gigantischen Krediten abgefedert. Innerhalb von nur drei Jahren wurden 850 Milliarden Euro an neuen Schulden aufgenommen – in den 70 Jahren davor hat der Bund einen Schuldenberg von 1300 Milliarden angehäuft. Die Republik ist mit den vielen Hilfspaketen zwar einigermaßen gut durch die Krisen gekommen. Aber der Preis ist hoch: Allein für die Zinsen zahlt der Bund dieses Jahr 40 Milliarden Euro – zehnmal mehr als 2021 und so viel, wie die Ministerien für Wirtschaft, Familie und Inneres zusammen ausgeben dürfen. So schwindet der Spielraum für Zukunftsinvestitionen und auch für die Abfederung künftiger Krisen. Die Haushaltsberatungen werden deshalb hart für die Koalition. Lindner liegt richtig: Die Konflikte lassen sich nicht mehr vertagen. Wenn der Bund nicht den Kontrollverlust riskieren will, ist Verzicht angesagt, was den Abschied von Ampel-Wunschträumen ebenso einschließt wie das Zurückschneiden von Subventionen: Der Ausstieg aus der bequemen Schuldenpolitik, die Rückkehr zu soliden Staatsfinanzen ist überfällig.

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