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14.10.2021 – 12:10
Prof. Dr. Heino Stöver – Sozialwissenschaftliche Suchtforschung
Frankfurt a.M. (ots)
Bei der 4. Fachtagung „Tobacco Harm Reduction – Diversifikation der Rauchentwöhnungsstrategien“ widmeten sich die bekanntesten Lehrstuhlinhaber*innen, Suchtforscher*innen und Praktiker*innen im Bereich Tabakentwöhnung der Frage, wie der Kampf gegen die Tabakzigarette gewonnen werden könne. Nachdem der Drogen- und Suchtbericht der Bundesdrogenbeauftragten am 07.10.2021 erneut keine signifikante Senkung der Raucher*innenzahlen in Deutschland verkünden konnte, richteten die Referent*innen den dringenden Apell an die kommende Bundesregierung, bei der Gesundheitspolitik endlich umzudenken.
„In vielen Bereichen sind risikoreduzierte Produkte bereits eine anerkannte Säule der Anti-Drogenpolitik. Nur beim Tabak stellt man sich weiterhin quer, obwohl alle Kampagnen und gut gemeinten Ratschläge der vergangenen Jahre nicht geholfen haben. Schlechter als jetzt werden wir mit Sicherheit nicht dastehen, wenn wir einen risikobasierten Ansatz in der Tabakkontrollpolitik fahren würden.“, so Organisator Prof. Dr. Stöver am Rande der Veranstaltung.
Die hochkarätigen Referent*innen zeigten auf der Fachtagung vielversprechende alternative Lösungsansätze, die es zur aktuellen Suchtpolitik gibt und wie grundsätzlich der Pfad in ein rauchfreies Deutschland im Jahr 2030 aussehen könne. Sie kritisierten aber auch, dass aktuelle wissenschaftliche Evidenzen auf politischer Ebene nicht in die Bewertung des Schadenspotenzials von E-Zigaretten, Tabakerhitzern und Nikotinpouches einfließen würden:
- Prof. Dr. Dirk Ziebolz (Oberarzt Universitätsklinikum Leipzig) ging auf die zahnmedizinische Bedeutung des Rauchstopps ein: „Auch die orale Gesundheit wird durch Zigaretten geschädigt. E-Zigaretten und Nikotinpouches sind gegenüber Zigaretten die deutlich risikoreduzierteren Alternativen. Dass macht sich auch umgehend in der Zahngesundheit bemerkbar. Da die Rauchreduktion und der Rauchstopp zu einer wichtigen Aufgabe der zahnmedizinischen Beratung gehören, muss die Aufklärung von Zahnärzten über Tobacco Harm Reduction deutlich verbessert werden.“
- Prof. Dr. Berthold U. Wigger (Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Public Management am Karlsruher Institut für Technologie) erklärte: „Ein modernes Tabaksteuerrecht muss unterschiedliche gesundheitliche Risiken verschiedener Nikotinprodukte berücksichtigen. Der steuerliche Rahmen muss die Nutzer motivieren, zu risikoärmeren Produkten zu wechseln. Die aktuelle Verteuerung wirkt da absolut gegenteilig.“
- Leon Nussbaumer (Verbraucheraktivist) machte sich für ein Regulierungsverfahren von tabakfreien Nikotinbeuteln, sog. Nikotinpouches, stark: „Ich selbst bin mit Hilfe von Nikotinpouches zum Nichtraucher geworden. Es ist völlig unverständlich, warum gerade das Nikotinprodukt, bei dem nicht einmal etwas inhaliert wird, derzeit in Deutschland nicht verkauft werden kann. Als Stimme der Verbraucher fordere ich von der Politik eine geordnete Regulierung dieser tabakfreien Nikotinprodukte.“
- Dr. Bernd Werse (Centre for Drug Research von der Goethe Universität Frankfurt) erklärte zur sog. Gateway Hypothese: „Die Befürchtung einer Epidemie von E-Zigaretten unter Jugendlichen ist völlig unbegründet. Die Nutzung von E-Zigaretten führt laut aktuellen Studien nicht dazu, dass die Konsumenten später zur Tabakzigarette greifen. Die Gatewayhypothese ist damit widerlegt. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Rauchen von E-Zigaretten im Jugendalter und späterem Tabakzigarettenrauchen existiert nach wissenschaftlichem Kenntnisstand nicht.“
- Dr. med. Thomas Hering (Facharzt für Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin, Berlin) teilte einen Blick in die Praxis der Patientenbehandlung: „Bei sich verschlechternder Lungenkapazität ist die E-Zigarette in aller Konsequenz die gangbare Alternative, wenn für COPD-Patienten ein Rauchausstieg nicht möglich ist. E-Zigaretten sind gegenüber anderen Nikotinersatztherapien deutlich attraktiver für Raucher*innen. Dass muss im Behandlungs- und Beratungsalltag berücksichtigt werden.“
- Ph. D. Karl E. Lund (Senior Researcher, Norwegian Institute of Public Health) referierte zu den Erfolgen durch den Einsatz von Snus: „Norwegen und Schweden setzen Snus seit Jahren im Kampf gegen tabakindizierte Erkrankungen ein. Meine dringende Empfehlung ist, dafür zu sorgen, dass jeder die Rauchentwöhnungsmethode nutzen kann, die für ihn am besten geeignet ist. Damit ist man erfolgreicher, als reinen Verzicht zu predigen.“
- Prof. Dr. med. Martin Storck (Klinikdirektor, Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie, Städtisches Klinikum Karlsruhe) sprach zu aktuellen Evidenzen: „E-Zigaretten sind, was die Prävalenz von Lungenerkrankungen angeht, deutlich weniger schädlich. Studien sprechen dafür, dass beim Rauchen von Tabakzigaretten das Risiko, an Krebs zu erkranken, mehrere hundert Mal höher ist.“
- Univ.-Prof. Dr. Ute Mons (Professur für Kardiovaskuläre Epidemiologie des Alterns im Herzzentrum der Uniklinik Köln) wies auf fehlerhafte und ungenaue Studien hin, auf die sich Gegner von E-Zigaretten immer wieder beziehen würden: „Häufig führen Ungenauigkeiten und grobe Fehler in den Studien und Positionspapieren zu einer schlechteren Bewertung von E-Zigaretten, als eigentlich angebracht wäre.“ Als Beispiel führte sie u.a. das Positionspapier der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen an, in welchem vorliegende Studien zu E-Zigaretten falsch interpretiert wurden. Das ist „Cherrypicking vom Feinsten“, so Mons über die ungenaue Wissenschaftskommunikation.
Die Veranstalter werteten das Symposium insgesamt als Erfolg: „Es ist deutlich geworden, dass wir durch ein Festhalten am „Quit-or-Die“ der Bundesregierung nicht zu einem rauchfreien Land werden können. Die Veranstaltung hat gezeigt, dass die größte Chance zur landesweiten Rauchentwöhnung in einer umfassenden Implementierung des Harm Reduction-Ansatzes liegt. Die Regulierung muss deshalb wissenschaftlichen Erkenntnissen folgen und den Konsument*innen die sofortige Risikoreduzierung durch alternative Produkte wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer ermöglichen, statt sie zu erschweren“, erklärte Veranstalter Prof. Dr. Heino Stöver.
Das ISFF vermittelt Interviewanfragen gerne an die Referent*innen.
Videomittschnitte des Symposiums werden in Kürze auf dem Youtube-Kanal von Prof. Dr. Stöver verfügbar sein. Sie finden diesen unter folgendem Link.
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Das Institut für Suchtforschung (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Sciences wurde 1997 ins Leben gerufen von Prof. Dr. Volker Happel, Prof. Dr. Dieter Henkel und Prof. Dr. Irmgard Vogt. Es sieht seine Aufgabe darin, Sucht in ihren verschiedenen Erscheinungsformen sowie die mit Sucht in Zusammenhang stehenden Probleme und Aspekte zu erforschen. Das Institut fördert den Ausbau von interdisziplinären Beziehungen zu Kooperationspartnern auf regionaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Forschungsprozesse und -resultate sollen in Lehre und Studium Berücksichtigung finden und nutzbar gemacht werden.
Seit dem Sommersemester 2009 ist Prof. Dr. Heino Stöver Professor an der Frankfurt UAS (ehemals FH FFM), Fachbereich 4 – Soziale Arbeit und Gesundheit (Schwerpunkt Sozialwissenschaftliche Suchtforschung) und seit 1. September 2009 geschäftsführender Direktor des ISFF.
Pressekontakt:
Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit
Prof. Dr. Heino Stöver
Telefon: +49 69 1533-2823 und mobil: +49 162 133 45 33
E-Mail: heino.stoever@fb4.fra-uas.de
Twitter: @HeinoStoever
Original-Content von: Prof. Dr. Heino Stöver – Sozialwissenschaftliche Suchtforschung, übermittelt durch news aktuell
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Original Quelle by Wertheim24.de
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