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Kelkheim (ots)
Am 3. Mai 2023 brachen im nordostindischen Bundesstaat Manipur gewaltsame Unruhen aus. Der Konflikt basiert auf ethnischen Spannungen, hindu-extremistische Gruppen nutzten ihn jedoch für gezielte Übergriffe gegen die in der Region lebenden Christen. Dabei wurden über 100 von ihnen getötet und rund 50.000 vertrieben. „Schon seit vielen Jahren ging es bei Konflikten [in der Region] in erster Linie um Land und Stammeszugehörigkeit. Nun wurden jedoch zum ersten Mal religiöse Stätten angegriffen, und diesmal ist es systematisch: Organisierte Gewalttäter trugen Listen mit religiösen Stätten bei sich“, ordnet Open Doors Partner Dr. Yohan Murray die Situation ein. Im Rahmen seiner Forschungen zur Lage der Christen in Indien hat er auch Opfer der Gewalt in Manipur besucht und befragt.
Vertreibung der Christen mit behördlicher Unterstützung
Seit Ende April kam es verstärkt zu Übergriffen. Als eigentlicher Auslöser der aktuellen Unruhen gilt ein Beschluss des Obersten Gerichts von Manipur vom 3. Mai. Der empfahl die Verleihung des „Scheduled Tribe“-Status an das Volk der mehrheitlich hinduistischen Meitei – obwohl sie in Manipur über 50% der Bevölkerung stellen. Sie haben auch zahlreiche politische Ämter inne; viele gehören zu den oberen Kasten und werden von der hindu-nationalistischen Regierung der Bharatiya Janata Party (BJP) begünstigt. Das oberste Gericht Indiens nannte den Gerichtsbeschluss am 17. Mai in einer offiziellen Erklärung „absolut falsch“.
Das Volk der überwiegend christlichen Kuki ist als geschützte Minderheit seit Langem als „Scheduled Tribe“ anerkannt. Sie befürchten den Verlust ihres Lebensraums im bewaldeten Hügelland und protestierten daraufhin friedlich in der Stadt Churachandpur. Die Regierung hatte bereits zuvor mehrere Kuki-Stämme in einer massiven Räumungsaktion aus ihren Dörfern in den Bezirken Churachandpur und Noney vertrieben; dabei waren mehrere Kirchen zerstört worden. 38 weitere Dörfer wurden zu illegalen Siedlungen erklärt, obwohl sie ursprünglich gesetzlich geschützt waren – bis die Regierung diesen Schutz im November 2022 änderte.
Angriffe auf Christen aus allen Volksgruppen
Attackiert wurden gezielt Christen, zuerst die der Kuki, sodann die der Meitei, Hmar und Mizo sowie christliche Chin-Flüchtlinge aus Myanmar. Walter Fernandez, Leiter des North Eastern Social Research Centre im benachbarten Bundesstaat Assam, berichtete von mit Waffen und Fackeln gerüsteten Mobs. Diese hätten die Häuser von Kuki- und Meitei-Christen in Brand gesetzt, andere Häuser jedoch verschont.
Indische Medien berichteten, dass eine Ansammlung von 2.000 wütenden Meitei am 4. Juni einen Krankenwagen in Brand setzte und drei Meitei-Christen bei lebendigem Leib verbrannte: Tonsing Hangsing (7 Jahre), seine Mutter Meena Hangsing (45) sowie ihre Verwandte Lydia Lourembam (37).
Bis zum 26. Juni wurden nach Open Doors vorliegenden Informationen rund 400 Kirchen sowie über 1.700 Häuser zerstört, 120 Menschen verloren ihr Leben, die meisten davon Christen. 50.000 von ihnen wurden vertrieben. Auch Hindus waren in geringem Ausmaß von der Gewalt betroffen. Open Doors hat Nothilfe für die Betroffenen auf den Weg gebracht und ruft zum Gebet für sie und für eine Beendigung des Konfliktes auf.
Immer mehr antichristliche Gewalt – Premier Modi sieht „absolut keine Diskriminierung“
Viele der Angreifer gehören zu ideologischen Gruppierungen mit Verbindungen zur hindu-nationalistischen BJP und der extremistischen Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS). Auch deshalb weisen Vertreter der Christen der politischen Führung Verantwortung für die Krise zu. So sagte der Journalist und Mitgründer des ökumenischen „All India Christian Council“, John Dayal: „Die von der BJP geführte Regierung des Bundesstaates und die Regierung in Neu-Delhi haben nichts unternommen, um die Spannungen zu entschärfen oder die Gewalt zu verhindern.“
Indiens Premierminister Narendra Modi hat indes während seines US-Besuchs am 22. Juni rundheraus bestritten, dass es in Indien überhaupt zu Diskriminierung kommt: „Unsere Regierung hat sich die Grundprinzipien der Demokratie zu eigen gemacht, […] und das ganze Land funktioniert auf dieser Grundlage […] unabhängig von Kaste, Glaube, Religion, Geschlecht, es gibt absolut keinen Platz für Diskriminierung.“
Nach Beobachtungen von Open Doors werden in Indien jährliche Hunderte Übergriffe gegen Christen verübt und zahlreiche Kirchen zerstört; die Täter gehen in der Regel straffrei aus. In zwölf Bundesstaaten begünstigen Anti-Bekehrungs-Gesetze Repressionen gegen religiöse Minderheiten, sechs davon wurden seit Modis Amtsantritt eingeführt. Der Weltverfolgungsindex von Open Doors führt Indien auf Platz 11 als Land mit extremer Verfolgung und Diskriminierung von Christen.
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