Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 13. Senat | 13 LB 148/22 | Urteil | Generalpräventive Ausweisung wegen Verletzung von Pass- und Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung

Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 13. Senat | 13 LB 148/22 | Urteil | Generalpräventive Ausweisung wegen Verletzung von Pass- und Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung

Danach allein verbleibende generalpräventive Gründe könnten die Ausweisung des Klägers nicht rechtfertigen. Ziel der Generalprävention sei es, andere Ausländer zu einem ordnungsgemäßen Verhalten in der Bundesrepublik Deutschland zu veranlassen. Die generalpräventiv motivierte Ausweisung komme in Betracht, wenn von dem Ausländer selbst zwar keine (Wiederholungs-)Gefahr (mehr) ausgehe, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten würden, vergleichbare Delikte zu begehen. Die generalpräventive Ausweisung setze grundsätzlich voraus, dass die Straftat (bzw. die vorgeworfene Verhaltensweise) schwer, wenn auch nicht besonders schwer wiege, und deshalb ein dringendes Bedürfnis daran bestehe, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung andere Ausländer von Straftaten (und Verhaltensweisen) ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Generalpräventive Ausweisungen kämen danach etwa in Betracht bei der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, dem Werben um Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung in Verbindung mit Gewaltdarstellung und Billigung von Straftaten, Totschlag, Drogendelikten, Raub und räuberischer Erpressung, Körperverletzung mit Todesfolge, Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wie Vergewaltigung, insbesondere dann, wenn die Sexualstraftat Ausdruck einer durch ein frauenverachtendes Weltbild geprägten Einstellung sei, sexuellem Missbrauch von Kindern, illegalen Waffengeschäften, massenhaftem Zigarettenschmuggel, Trunkenheit am Steuer, Verkehrsunfallflucht, Fahren ohne Fahrerlaubnis, illegaler Einreise und Arbeitstätigkeit, Einreise ohne das erforderliche Visum, Falschangaben über Familienstand und Falschangaben zur Verhinderung der Abschiebung. Ungeeignet seien dagegen Leidenschafts- oder Beziehungstaten, weil bei ihnen in der Regel eine abschreckende Wirkung auf andere potenzielle ausländische Täter nicht erwartet werden könne. Straftaten, für die der Privatklageweg zur Verfügung stehe oder nach denen erfolgreich ein Täter-Opfer-Ausgleich durchgeführt worden sei, schieden ebenso aus wie allein aus einer Abhängigkeit heraus begangene Taten. Hier sei der Kläger zwar schon im Januar 2018 aufgefordert worden, seinen Nationalpass vorzulegen. Dem sei er letztlich erst im November 2019, mithin etwa 22 Monate später, nachgekommen. Ob es sich hierbei um eine hinreichend schwerwiegende Verfehlung handele, die eine generalpräventive Ausweisung rechtfertigen könne, sei aber fraglich. Denn das Verhalten des Klägers sei – anders als etwa falsche Angaben zur Erlangung eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes) – nicht strafbewehrt. Der einer Identitätstäuschung innewohnende Vorwurf rechtsuntreuen Verhaltens wiege schwerer als derjenige mangelnder Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Allerdings könne der Kläger durch sein Verhalten den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 98 Abs. 2 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes verwirklicht haben, wonach ordnungswidrig handele, wer entgegen § 48 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes eine dort genannte Urkunde, beispielsweise einen Pass, nicht oder nicht rechtzeitig vorlege, aushändige oder überlasse. Hier habe der Kläger zwar zögerlich gehandelt. Eine vollständige, jahrelange und hartnäckige Verweigerungshaltung sei aber nicht gegeben. Letztlich habe er einen neu ausgestellten Nationalpass freiwillig vorgelegt. Hierin unterscheide sich der Fall des Klägers erheblich von Sachverhalten, in denen jahrelang nicht bei der Passbeschaffung mitgewirkt worden sei und ein Pass oder Identitätsnachweis nur zufällig und unfreiwillig auftauche.

Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

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