Bonn (ots)
Anlässlich des heute (28. Dezember 2021) vom Bundesverfassungsgericht veröffentlichten Beschlusses zu Fragen im Zusammenhang einer gegebenenfalls erforderlichen medizinischen Triage erklärt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing:
„Gegenstand der heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die Frage, ‚ob der Gesetzgeber verpflichtet ist, wirksame Vorkehrungen zu treffen, dass niemand bei einer Entscheidung über die Verteilung von pandemiebedingt knappen intensivmedizinischen Behandlungsressourcen, also in einem Fall einer Triage, aufgrund einer Behinderung benachteiligt wird‘. In seinem Beschluss fordert das Gericht den Gesetzgeber auf, regelnd tätig zu werden, um eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung in einem solchen Fall wirksam zu verhindern. Dieser Beschluss ist im Sinne des besseren Schutzes von Menschen mit Behinderung vor Diskriminierung sehr zu begrüßen.
Die Triage ist eine ärztliche Entscheidung, die getroffen werden muss, wenn die zur Verfügung stehenden medizinischen Ressourcen in einer Ausnahmesituation nicht ausreichen, um allen dringend behandlungsbedürftigen Patienten die notwendige medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Im Ernstfall geht es hier um eine Entscheidung über Leben und Tod. Daher müssen die Kriterien der Behandlungsbedürftigkeit und der unmittelbaren Behandlungsprognose, also die Aussichten der Patienten, die aktuelle Erkrankung durch Intensivtherapie zu überleben, mit aller in der konkreten Notsituation möglichen Sorgfalt abgewogen werden. Andere Kriterien wie etwa Alter, Geschlecht, Leistungsfähigkeit, sozialer Status aber insbesondere auch Behinderung oder Vorerkrankung sind in dieser Entscheidung ethisch in keiner Weise akzeptabel.
Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner eingehenden sachlichen Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass die aktuelle klinische Praxis das Risiko birgt, Menschen mit Behinderung aufgrund unzureichender Regelungen zu benachteiligen. Ausdrücklich weist das Gericht auf das Problem hin, dass es in der Praxis leicht zu Fehleinschätzungen in Bezug auf Komorbidität und den Zusammenhang von Behinderung und kurzfristigen Überlebenschancen kommen kann. Dem kann und muss der Gesetzgeber entgegenwirken, um einen Handlungsrahmen zu definieren, der den Handelnden und den Betroffenen so viel Sicherheit bietet, wie dies in der krisenhaften Situation möglich ist. Das Gericht lässt in seiner Entscheidung keinen Zweifel an der Letztverantwortlichkeit des ärztlichen Personals für die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts im konkreten Einzelfall.
Im Sinne eines besseren Schutzes von Menschen mit Behinderung vor Benachteiligung ist dem Gericht für seine eingehende Prüfung und für seine wichtigen Hinweise auf gravierende Mängel zu danken. Festzuhalten bleibt jedoch auch, dass eine Situation, in der die Triage angewandt werden muss, eine Notsituation darstellt, die soweit als irgend möglich zu vermeiden ist. Die Gemeinschaft steht hier vor der dringenden Aufgabe, aus der akuten Pandemie zu lernen und möglichst schnell die notwendigen Schlüsse zu ziehen, um eine auch in schwierigen Situationen ausreichende medizinische Versorgung der Bevölkerung zu sichern.“
Original-Content von: Deutsche Bischofskonferenz, übermittelt durch news aktuell
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Original Quelle Presseportal.de
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