Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 14. Senat | 14 ME 236/22 | Beschluss | Kein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung des sog. Genesenenstatus bei – an die Genesung – anschließender Erstimpfung
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Kein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung des sog. Genesenenstatus bei – an die Genesung – anschließender Erstimpfung
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1. Ein vollständiger Impfschutz i.S.d. § 22a IfSG liegt bis zum 30.09.2022 auch vor, wenn die betroffene Person nachweislich zunächst eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durchgemacht und anschließend eine Erstimpfung erhalten hat (§ 22a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. Satz 4 IfSG).
2. Die einrichtungsbezogene Nachweispflicht i.S.d. § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG wird bei Vorliegen eines vollständigen Impfschutzes nach § 22a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. Satz 4 IfSG erfüllt.
OVG Lüneburg 14. Senat,
Beschluss vom
27.04.2022, 14 ME 236/22, ECLI:DE:OVGNI:2022:0427.14ME236.22.00
§ 20a IfSG, § 22a IfSG
Verfahrensgang
vorgehend VG Stade, 1. April 2022, Az: 6 B 246/22, Beschluss
Tenor
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Auf die Beschwerde des Antragsgegners zu 2. wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade – 6. Kammer – vom 1. April 2022 geändert.
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Auch der Antrag der Antragstellerin zu 1. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
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Die Antragstellerin zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gilt unter Einbeziehung der teilweise rechtskräftigen erstinstanzlichen Kostenentscheidung: Die Antragstellerin zu 1. und der Antragsteller zu 2. tragen die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1. und des Antragsgegners zu 2. jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Antragstellerin zu 1. und der Antragsteller zu 2. jeweils selbst.
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Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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I.
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Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner zu 2. gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade vom 1. April 2022, soweit darin im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt wird, dass die Antragstellerin zu 1. bis zum 1. Mai 2022 als genesene Person gilt, wie am 22. November 2021 in dem von dem Antragsgegner zu 2. ausgestellten „Genesenennachweis“ bescheinigt.
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Die Antragstellerin zu 1. wurde am 1. November 2022 positiv auf eine SARS-CoV-2-Infektion getestet. Sie ist Altenpflegerin bei der Landkreis E..
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Mit ihrem am 22. Februar 2022 gestellten Eilantrag hat sie zuletzt beantragt,
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im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass sie bis einschließlich 1. Mai 2022 im Sinn des § 2 Nummer 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der Fassung vom 8. Mai 2021 als Genesene gilt.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 1. April 2022 im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin zu 1. bis zum 1. Mai 2022 als genesene Person gilt, wie am 22. November 2021 in dem von dem Antragsgegner zu 2 ausgestellten „Genesenennachweis“ bescheinigt. Bezogen auf den Antragsteller zu 2. hat es den Antrag abgelehnt.
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Der Antragsgegner zu 2. hat am 14. April 2022 Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 1. April 2022 eingelegt, soweit darin im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt wird, dass die Antragstellerin zu 1. bis zum 1. Mai 2022 als genesene Person gilt. Er beantragt, den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes auch insoweit abzulehnen und die Kosten der Verfahren insgesamt den Antragstellern (zu 1. und 2.) aufzuerlegen.
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II.
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Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
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Unter Berücksichtigung der von dem Antragsgegner zu 2. im Beschwerdeverfahren angeführten und vom Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfenden Gründe hätte das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht stattgeben dürfen.
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Der Antragsgegner zu 2. macht in seiner Beschwerde geltend, dass die Antragstellerin zu 1. ihm – und nicht auch dem Verwaltungsgericht – am 26. März 2022 ein Impfzertifikat vorgelegt habe. Danach habe die Antragstellerin zu 1. am 18. März 2022 ihre Erstimpfung gegen COVID-19 empfangen. Damit habe es – bereits zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung – am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, weil für sie spätestens durch die Erstimpfung insbesondere nicht die Gefahr bestanden habe, künftig Beschränkungen in der Berufsausübung ausgesetzt zu sein. Die Voraussetzungen eines vollständigen Impfschutzes nach § 22a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a) und b) i.V.m Satz 4 IfSG lägen hier in Anbetracht der Genesung und der anschließenden Erstimpfung vor.
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Dies zugrunde gelegt ist der Eilantrag der Antragstellerin zu 1. schon nicht zulässig. Ihr fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Wie jedes gerichtliche Verfahren erfordert auch die Zulässigkeit eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag ein schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse besteht (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123, Rn. 22). Ausnahmsweise fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn der Rechtsschutzsuchende seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung derzeit nicht verbessern kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Antrag, selbst wenn er ansonsten zulässig und begründet wäre, dem Rechtsschutzsuchenden keinen Nutzen bringen könnte. Das Rechtsschutzinteresse fehlt ferner dann, wenn es einen anderen, einfacheren Weg zu dem erstrebten Ziel gibt (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 8.10.2021 – 13 MN 424/21 -, juris Rn. 12 m.w.N.).
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Die von der Antragstellerin zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung begehrte vorläufige Feststellung, dass sie bis einschließlich 1. Mai 2022 im Sinn des § 2 Nummer 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der Fassung vom 8. Mai 2021 als Genesene gilt, bringt ihr – unabhängig davon, ob sie einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund nach § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat – keinen Nutzen (mehr). Die Antragstellerin zu 1. konnte bzw. kann einen solchen Nutzen insbesondere weder zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung noch derzeit aus ihrem Vorbringen herleiten, dass sie der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht nach § 22a IfSG unterliege und ausweislich eines Schreibens ihres Arbeitsgebers ab dem 16. März 2022 nur noch Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden dürften, die über einen vollständigen Impfschutz, insbesondere einen „Booster“ verfügten.
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Zwar unterliegt die Antragstellerin zu 1. der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG. Denn danach müssen Personen, die – wie die Antragstellerin zu 1. – in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind, ab dem 15. März 2022 über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Absatz 1 oder Absatz 2 verfügen. Die Antragstellerin verfügt aber bereits seit dem 18. März 2022 über einen solchen Nachweis. Nach § 22a Abs. 1 Satz 2 IfSG liegt ein vollständiger Impfschutz gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 vor, wenn 1. die zugrundeliegenden Einzelimpfungen mit einem oder verschiedenen Impfstoffen erfolgt sind, die a) von der Europäischen Union zugelassen sind oder b) im Ausland zugelassen sind und die von ihrer Formulierung her identisch mit einem in der Europäischen Union zugelassenen Impfstoff sind, 2. insgesamt drei Einzelimpfungen erfolgt sind und 3. die letzte Einzelimpfung mindestens drei Monate nach der zweiten Einzelimpfung erfolgt ist. Von dem Erfordernis des Vorliegens dreier Einzelimpfungen wird nach § 22a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. Satz 4 IfSG bis zum 30. September 2022 in dem Fall einer Einzelimpfung abgesehen, wenn die betroffene Person mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert gewesen ist, sie diese Infektion mit einem Testnachweis über einen direkten Erregernachweis nachweisen kann und die dem Testnachweis zugrundeliegende Testung a) auf einer Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) beruht sowie b) zu einer Zeit erfolgt ist, zu der die betroffene Person noch nicht die erste Impfdosis gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 erhalten hat. In diesem Fall muss die betroffene Person also nachweislich zunächst eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durchgemacht haben und anschließend eine Erstimpfung erhalten haben. Dies ist vorliegend bei der Antragstellerin der Fall. Aufgrund der vom Antragsgegner mit Schreiben vom 22. November 2021 übermittelten Bescheinigung über die Genesung, in der auch das Datum und das Ergebnis des PCR-Tests der Antragstellerin zu 1. von ihm bestätigt wurde, sind die nach § 22a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. Satz 4 IfSG geltenden Anforderungen an den Testnachweis erfüllt. Schließlich ist (auch aufgrund der Überprüfung durch den Antragsgegner zu 2.) davon auszugehen, dass die Antragstellerin zu 1. tatsächlich am 18. März 2022 geimpft worden ist.
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Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber der Antragstellerin zu 1. diese nicht als „vollständig geimpft“ ansieht, bestehen – unabhängig davon, welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus für der vorliegende Verfahren ergäben – nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 11), wobei im Hinblick auf die tatsächliche Vorwegnahme der Hauptsache eine Reduzierung des Auffangstreitwerts nicht angebracht erscheint.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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