Gesundheitsdaten besser nutzbar machen – Bayerisches Landesportal
Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek hat die Bundesregierung aufgefordert, die notwendigen Gesundheits- und Pflegereformen nicht länger zu verzögern. Der Minister sagte am Sonntag: „Die Corona-Pandemie hat wie unter einem Brennglas offenbart, wo wir im deutschen Gesundheits- und Pflegesystem dringenden Reformbedarf haben. Grundsätzlich hat sich unser Gesundheits- und Pflegesystem zwar als robust erwiesen und die enormen Herausforderungen durch die Pandemie bisher gut gemeistert – dafür nochmal mein Dank an alle, die hier geholfen, geheilt und versorgt haben. Aber es haben sich auch Defizite gezeigt. Die Bundesregierung muss hier jetzt endlich handeln.“
Holetschek fügte hinzu: „Eines unserer Ziele muss sein, eine hochwertige Krankenhausversorgung flächendeckend zu gewährleisten. Dafür braucht es auch bedarfs- und leistungsgerechte Krankenhausfinanzierungsstrukturen.“
Der Minister erläuterte: „Wir müssen unsere Krankenhäuser stärken, indem wir beispielsweise das Fallpauschalensystem gründlich reformieren. Die Vergütungsstrukturen müssen eine auskömmliche Finanzierung der Kliniken ermöglichen. Ich fordere deshalb von der Bundesebene bereits seit längerem eine grundsätzliche Überprüfung der geltenden Regelungen. Ich trete dafür ein, Leistungen der Grund- und Regelversorgung in größerer Breite als bisher losgelöst von den Fallpauschalen zu finanzieren. Dabei müssen wir ganz besonders die Versorgung von Kindern in den Blick nehmen und die Möglichkeit schaffen, dass die Pädiatrie und Geburtshilfe als sogenannte ‚besondere Einrichtungen‘ entsprechend ihrem individuellen Bedarf abrechnen können.“
Holetschek ergänzte: „Wir müssen Bürokratie abbauen. Der Bund und die Selbstverwaltungspartner, insbesondere der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA), müssen strikt darauf achten, Dokumentations- und Nachweispflichten für das Krankenhauspersonal auf das tatsächlich zwingend Notwendige zu beschränken. Nur so kann sichergestellt werden, dass Zeit und Kraft sinnvoll in die eigentlichen Aufgaben investiert werden und nicht in unnötigen und erheblichen Administrations- und Dokumentationsaufwand. Eine Verstetigung der zeitlich befristeten Corona-Sonderregelungen durch den G-BA im Bereich der Qualitätssicherung oder andere Wege zur Entbürokratisierung sind daher dringend zu prüfen und rasch umzusetzen.“
Aber auch das Zusammenspiel zwischen stationärer und ambulanter Versorgung muss verbessert werden. Holetschek fügte hinzu: „So muss die durch die Pandemie gestoppte Notfallreform zeitnah fortgeführt werden. Eine der Lehren der Pandemien ist doch, dass eine sektorenübergreifende Versorgung wichtiger denn je ist: Es geht vor allem darum, die Patientinnen und Patienten in die für sie richtige Versorgungsebene zu steuern. Auch müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen pandemiefest gemacht werden, vor allem durch eine dauerhafte und ausreichende finanzielle Ausstattung für die besonderen Herausforderungen einer Pandemie – hier geht es beispielsweise um die Einrichtung von speziellen Infektsprechstunden oder einen Ausbau der Telefonhotline 116 117.“
Dringlich sei es auch, Regulierungen bei investorengetragenen medizinischen Versorgungszentren (MVZ) auf den Weg zu bringen. Der Minister erläuterte: „Die Zahl solcher MVZ steigt stetig an, hier verändert sich aktuell schleichend und unumkehrbar unsere Versorgungslandschaft mit unabsehbaren Folgen. Die Gesundheitsministerkonferenz hat dem Bund bereits im November 2021 Regulierungsvorschläge übermittelt und die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe gefordert – passiert ist bisher aber leider nichts.“
Holetschek fügte hinzu: „Ferner muss die zwischen Bund und Ländern vereinbarte Reform der Berufsgesetze für die Gesundheitsfachberufe weitergeführt werden, um die Berufsbilder – insbesondere in den Therapieberufen – zu modernisieren und für junge Menschen attraktiver zu machen. Auch die im Masterplan Medizinstudium 2020 vereinbarte Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung muss wieder aufgegriffen und zeitnah abgeschlossen werden.“
Der Minister unterstrich: „Das alles setzt ein Umdenken bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung voraus: Es gilt nun, rasch und klar zu definieren, welche gesamtgesellschaftlichen Aufgaben den Krankenkassen auferlegt sind. Dafür muss endlich eine vollständige Gegenfinanzierung aus Steuermitteln vorgesehen werden“.
Holetschek bekräftigte zudem: „Wir brauchen eine umfassende Struktur- und Finanzreform der Pflegeversicherung, ein attraktives Berufsbild und ein steuerfinanziertes Pflegezeitgeld. Wir müssen den gesamten Pflegebereich reformieren. Wir müssen konsequent vereinfachen, flexibilisieren und entlasten!“
Der Minister erläuterte: „Das können wir nur mit einer echten Strukturreform der Pflegeversicherung erreichen. Wir können es uns nicht leisten, Pflegebedürftige, Pflegekräfte und Pflegeanbieter mit vermeidbaren komplexen Strukturen rechtlicher, abrechnungstechnischer und organisatorischer Art davon abzuhalten, sich um die bestmögliche Versorgung zu kümmern.“
Holetschek ergänzte: „Wir brauchen einen attraktiven Pflegeberuf. Mit der im September in Kraft tretenden Verpflichtung zur Zahlung von Tariflöhnen ist ein wichtiger Schritt für die notwendige bessere Bezahlung getan. Was wir jetzt noch brauchen, sind steuerfreie Zuschläge für belastende Dienste und attraktive Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten für besonders qualifizierte Pflegekräfte. Aber Geld ist nicht alles, wir brauchen vor allem attraktive Arbeitsbedingungen und mehr Verlässlichkeit bei den Arbeitszeiten.“
Holetschek verwies darauf, dass er bereits einen eigenen Reformvorschlag mit Eckpunkten für eine zukunftsfeste Pflegereform vorgelegt hat: „Wir müssen insbesondere die Sektorengrenzen im Leistungsrecht der Pflegeversicherung aufheben und die Kosten der medizinischen Behandlungspflege unabhängig vom Ort der Versorgung voll durch die Pflegeversicherung refinanzieren. Vor allem brauchen wir eine verbindliche regelmäßige Dynamisierung der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung. Die bessere Bezahlung von Pflegekräften, bessere Personalschlüssel und auch steigende Energiekosten wirken sich auf die Kosten der Pflege aus. Damit dürfen wir Pflegebedürftige und ihre Familien nicht allein lassen.“
Auch mit Blick auf den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) gibt es aus Sicht des bayerischen Gesundheitsministers viel zu tun. Holetschek erläuterte: „Der im Angesicht der Pandemie zwischen Bund und Ländern bereits Ende 2020 geschlossene Pakt für den ÖGD sieht hier viele Maßnahmen insbesondere zur personellen Verbesserung vor. Doch mit einseitig vom Bund vorgenommenen Fristsetzungen sind praktikable Lösungen seitens der Länder genauso wenig möglich wie mit engen inhaltlichen Vorgaben bei den Förderprogrammen“.
Holetschek ergänzte: „Zwar hat der Bund bereits vor Monaten bei allen Problemfeldern Gesprächsbereitschaft signalisiert, doch konkrete Zusagen oder Entgegenkommen sind bislang nicht erfolgt. Das betrifft insbesondere die dringend zu klärende Folgefinanzierung der neu geschaffenen Stellen im ÖGD nach Ende der Paktlaufzeit oder die Digitalisierung des ÖGD.“
Der bayerische Gesundheitsminister fügte hinzu: „Wir brauchen zum Beispiel praktikable technische und rechtliche Voraussetzungen für die Nutzung von Gesundheitsdaten im Rahmen der Telematikinfrastruktur! Die Bundesregierung muss deshalb das im Ampel-Koalitionsvertrag vorgesehene Registergesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz endlich angehen. Ich bin überzeugt: Gesundheitsdaten können Leben retten, etwa wenn alle relevanten Daten in der Notaufnahme schnell verfügbar sind – aber auch langfristig gesehen durch medizinische Forschung mit klinischen Daten. Ein Gesundheitswesen ohne Daten, ohne Digitalisierung verschenkt die Chancen auf ein besseres und gesünderes Leben.“
Der Minister ergänzte: „Corona hat uns deutlich vor Augen geführt, dass wir hier noch riesiges Potenzial haben. Wir müssen die Nutzung von Gesundheitsdaten in Deutschland neu denken. Für eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten müssen wir Gesundheitsdaten für die Versorgung und die Forschung nutzen können – und gleichzeitig den Datenschutz wahren. Es braucht eine nationale Datenstrategie (E-Healthstrategie) eingebettet in einen europäischen Rahmen, der die digital unterstützte Versorgung und auch die medizinische Forschung in der gesamten EU ermöglicht.“
Der Minister unterstrich: „Notwendige Reformen dürfen nicht länger liegen bleiben. Wir müssen rasch und konsequent die Lehren aus der Pandemie ziehen – alles andere wäre fatal! Die Zeit dafür ist jetzt.“
Original Quelle Bayern.de
Bilder Pixabay / Original Quelle
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