Kündigung wegen des Vorwurfs antisemitischer Äußerungen bei der Deutschen Welle unwirksam
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Kündigung einer Gehobenen Redakteurin in der Redaktion „Middle East“ des Senders Deutsche Welle, der antisemitische und israelfeindliche Veröffentlichungen für einen arabischen Sender vor ihrer Beschäftigung bei der Deutschen Welle vorgeworfen wurden, für unwirksam erachtet (Pressemitteilungen Nr. 13/23, 17/23 und 19/23 vom 02., 10. und 24.05.2023). Es hat damit die arbeitsgerichtliche Entscheidung bestätigt.
Im November 2021 hatte die Süddeutsche Zeitung in ihrem Beitrag „Ein Sender schaut weg“ über frühere antisemitische Äußerungen der Redakteurin berichtet. Nach Recherche durch ein Expertenteam hat der Sender das Arbeitsverhältnis der Redakteurin im Februar 2022 außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 30.06.2022 gekündigt. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass die früheren Veröffentlichungen der Redakteurin für den arabischen Sender als israelfeindlich und antisemitisch zu beurteilen und mit den von der Deutschen Welle vertretenen Werten nicht zu vereinbaren sind. Es liege aber keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor, da die Veröffentlichungen überwiegend zeitlich vor Beginn der vorausgegangenen freien Mitarbeit der Redakteurin seit dem Jahr 2017 und sämtlich vor Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der Deutschen Welle seit dem Jahr 2021 lagen. Der Sender hatte im Berufungsverfahren zur Begründung der Kündigung zunächst maßgeblich
geltend gemacht, die Redakteurin habe im Arbeitsverhältnis an ihren früher veröffentlichten israelfeindlichen und antisemitischen Äußerungen festgehalten, indem sie diese noch bis zur Kündigung im Februar 2022 auf ihrem privaten Twitter-Account verlinkt habe. Entsprechend hatte der Sender auch den Personalrat zur beabsichtigten Kündigung informiert. Die Redakteurin hat eine Verlinkung ihrer früheren Veröffentlichungen auf Twitter durchgehend bestritten. Unmittelbar vor Beginn der zu dieser Frage anberaumten Beweisaufnahme hat der Sender dann erklärt, er halte seine Behauptung zur Verlinkung der Beiträge auf Twitter und sein Beweisangebot nicht mehr aufrecht, und hat die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2022 gegen Zahlung einer Abfindung beantragt.
Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung und die hilfsweise ordentliche Kündigung insgesamt für unwirksam erachtet und dies damit begründet, dass kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund bestehe und die Personalratsanhörung nicht ordnungsgemäß, sondern vielmehr bewusst falsch erfolgt sei. Das Arbeitsverhältnis könne nach den Regelungen im Kündigungsschutzgesetz dann nicht gerichtlich aufgelöst werden, wenn die Kündigung auch wegen einer nicht ordnungsgemäß erfolgten Personalratsanhörung unwirksam sei. Das bis zum 30.06.2023 befristete Arbeitsverhältnis der Redakteurin endet daher unter keinem Aspekt vorzeitig.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Gegen diese Entscheidung kann die Deutsche Welle Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht erheben.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.06.2023, Aktenzeichen 23 Sa 1107/22.
Original Quelle Berlin.de
Bilder Pixabay / Original Quelle
Hinterlasse jetzt einen Kommentar