Berlin (ots)
Der Tarifexperte Thorsten Schulten rechnet mit mehr Konflikten bei Tarifverhandlungen im nächsten Jahr. „So wie sich die Gewerkschaften derzeit aufstellen, gehe ich davon aus, dass die Konflikte wieder härter werden“, erklärt der Leiter des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung im Interview mit „nd.DerTag“ (Dienstagausgabe). Dies habe sich schon in der letzten Zeit abgezeichnet. Der coronabedingte Einbruch bei den Arbeitskampfmaßnahmen sei bereits im letzten Jahr deutlich geringer gewesen. „Insofern wird es zumindest im öffentlichen Dienst zu deutlichen Protesten und Warnstreiks kommen. In den Diskussionen innerhalb von Verdi wird sogar die Option eines richtigen Streiks für möglich gehalten“, so der Experte.
Laut Schulten wird die im Januar beginnende Tarifrunde im öffentlichen Dienst Ausstrahlungskraft auf andere Tarifverhandlungen im neuen Jahr haben. „Denn die Verhandlungen sind nicht nur die ersten im nächsten Jahr, sondern auch die größten. Bei den Verhandlungen im öffentlichen Dienst geht es um knapp 2,8 Millionen Beschäftigte“, so Schulten. Die Forderung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im Vorfeld der Verhandlungen nach 10,5 Prozent mehr Lohn nennt er „sehr offensiv“. „Zudem fordert Verdi einen Festgeldbetrag von mindestens 500 Euro mehr Gehalt im Monat. Das ist eine soziale Komponente, die vor allem den unteren Tarifgruppen zugute kommt.“
Aufgrund der vermutlich auch im nächsten Jahr hohen Inflation könne es 2023 erneut zu Reallohnverlusten kommen: „Nach bisherigen Prognosen wird die Inflation im nächsten Jahr vermutlich etwas geringer ausfallen. Trotzdem wird es für die Gewerkschaften eine große Herausforderung sein, die Reallöhne zu sichern.“
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