[ad_1]
Nienburg (ots)
Bad Nenndorf – Bad Nenndorf – Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind ein kleines Kind, plötzlich klingelt es an der Haustür und davor steht eine fremde Frau. Sie sagt Ihnen, sie sei Ihre Großmutter. So ähnlich ist es Tswi Herschel widerfahren.
Denn der heute 80-Jährige wurde 1942 in Zwolle, Niederlande, als Sohn des jüdischen Ehepaares Nico und Ammy Herschel geboren und im Alter von nur vier Monaten an die christliche Familie de Jongh übergeben. Nur so konnte sein noch junges Leben vor dem Wahn der Nationalsozialisten und der Judenverfolgung gerettet werden. Seine Eltern Nico und Ammy wurden wenig später ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet. Über das Schicksal seiner Eltern erfuhr Tswi Herschel, ebenso wie über seine wahre Herkunft, erst als seine Großmutter ihn nach Ende des zweiten Weltkriegs fand.
Unter dem Motto „We remember – Nie wieder“ beleuchtet der Shoah-Überlebende seit mehr als 30 Jahren nicht nur den Antisemitismus anhand seiner persönlichen Lebensgeschichte, sondern leitet auch wichtige Lehren für die Gegenwart und Zukunft ab. Mittlerweile begleitet ihn seine Tochter Natali, die von ihren persönlichen Erfahrungen als Kind eines Überlebenden berichtet. So auch am 28. Februar in der Wandelhalle von Bad Nenndorf im Rahmen einer Veranstaltung der Polizeiakademie Niedersachsen mit Vortrag zum Thema „Polizei und Shoa“ und einem Podiumsgespräch.
„Der Erhalt der Erinnerungen an die schreckliche NS-Zeit ist eine wichtige Aufgabe zur Stärkung unserer Demokratie und im Kampf gegen den erstarkenden Rechtsextremismus und Antisemitismus – auch für uns in der Polizei. Für uns gilt, immer wieder an die Ereignisse zu erinnern, Bezugslinien zu den Grundwerten unserer Demokratie herzustellen und dabei deutlich zu machen: ,We Remember – Nie wieder!'“, betont Akademiedirektor Carsten Rose in seiner Begrüßung.
Wie wichtig es ist, die Erinnerung wach zu halten, zeigt etwa eine aktuelle Studie der Jewish Claims Conference (JCC), nach der jeder 4. junge Niederländer glaubt, dass der Holocaust ein Mythos sei oder aber wenigstens übertrieben dargestellt werde. Der Trend, dass jüngere Generationen weniger über den Holocaust wissen, gilt auch hierzulande, sagt ein JCC-Sprecher. Auf der anderen Seite bestätigt die in der vergangenen Woche vorgestellte MEMO-Jugendstudie der Universität Bielefeld, mit 3.500 repräsentativ ausgewählten jungen Menschen, dass die jungen Generationen sich für die NS-Zeit interessieren und mehr darüber erfahren wollen.
Umso wichtiger sind die Berichte von Zeitzeugen, weshalb sich der Akademiedirektor besonders darüber freut, Tswi und Natalie Herschel begrüßen zu dürfen: „Ich möchte Euch meine höchste Anerkennung aussprechen für den Mut und den Willen, immer wieder in dieses Land der Täterinnen und Täter, zu uns nach Deutschland zu kommen – um als Zeitzeuge der Shoa Geschichte als eigene Erfahrung zu vermitteln sowie als Tochter eines Überlebenden“, so Rose zu den aus Israel angereisten Gästen. Beide hatten die Polizeiakademie bereits im letzten Sommer besucht und Vorträge vor Studierenden gehalten.
Zu der Veranstaltung war auch die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, nach Bad Nenndorf gekommen. „In 2021 gab es allein in Niedersachsen rund 270 Delikte im Zusammenhang mit Antisemitismus – und deren Anzahl steigt seit Jahren an. Das zeigt: Antisemitismus ist auch in unserer heutigen Gesellschaft weit verbreitet – und das ist fatal! Antisemitische Haltungen, egal ob sie offen oder verdeckt gezeigt werden, dürfen nicht toleriert oder verharmlost werden. Sie sind zutiefst antidemokratisch und der Nährboden für Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Menschen jüdischen Glaubens. Der Ausspruch ‚Nie wieder‘ darf niemals zu einer bloßen Worthülse werden. Die Polizei Niedersachsen ist sich der Bedeutung, die die Stärkung der demokratischen Resilienz einnimmt, sehr bewusst. Die Polizei ist die erste Verteidigerin der Demokratie und unserer liberalen Werte. Demokratie muss erkämpft, gepflegt und auch verteidigt werden. Es ist jedoch unser aller Aufgabe immer wieder aufzuzeigen, wohin Rassismus, Ausgrenzung und Unmenschlichkeit führen können. Der Staat muss und wird hier immer wieder strikt eingreifen und dagegen vorgehen. Aber nicht nur die staatlichen Organe sind gefordert, wir alle sind gefordert, uns offensiv für unsere freiheitliche Demokratie einzusetzen. Wir dürfen nicht tatenlos zuschauen, wenn Menschen versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten, Minderheiten auszugrenzen oder mit Worten Hass und Gewalt zu provozieren“, so die Ministerin. Und sie ergänzt: „Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen. Denn, um es mit den Worten unseres Grundgesetzes ganz deutlich zu sagen: Die Würde des Menschen ist unantastbar“.
Das Besondere an der Veranstaltung liegt darin, dass nicht nur die Vergangenheit der Opfer im Mittelpunkt steht, sondern auch die der Täter und beide Perspektiven auf dem Podium diskutiert wurden. Dazu hatte sich der Berliner Historiker Dr. Johannes Spohr bereit erklärt. Der gebürtige Nordenhamer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Recherchen zum Nationalsozialismus innerhalb von Familien und in der Gesellschaft. Ausgangspunkt waren Nachforschungen zu seinem eigenen Großvater, Rudolph Spohr, der als Wehrmachtsoffizier an der Ostfront, in der Ukraine und im Kaukasus stationiert war.
Im Rahmen des Podiumsgesprächs erörtern beide Seiten ihre Lebensgeschichten und die Folgen der Shoah für die Betroffenen und die nachfolgenden Generationen aus der jeweiligen Perspektive. Der Dialog zwischen Zeitzeugen und Nachkommen von Verfolgten und Tätern spielt eine wichtige Rolle, um die Dimensionen der NS-Zeit, der Verfolgung sowie Vernichtung der Juden begreifbar zu machen. Dabei können sowohl Gemeinsamkeiten als auch Differenzen erkennbar gemacht und in Folge dessen eine Grundlage geschaffen werden, auf die sich beide Seiten annähern können.
Am Ende war klar: Die Holocaust-Geschichte muss erzählt werden, muss zeigen, welch fürchterlichen Einfluss Antisemitismus und Rassismus auf die Gesellschaft haben. Man muss wissen was geschah, damit so etwas nie wieder geschieht.
Insgesamt kamen rund 250 Gästen aus Politik, Verwaltung, Kirche, Schule, Gedenkstättenarbeit und natürlich der Polizei (Führungskräfte wie Polizeistudierende) zu der Veranstaltung in Bad Nenndorf.
Hintergrund
Die Polizei Niedersachsen setzt sich aktiv für den Schutz und den Erhalt der Demokratie ein und legt hierauf einen klaren strategischen Schwerpunkt. Im Bewusstsein der Stärke unserer Demokratie und der besonderen Rolle der Polizei gilt es, sich der Schrecken und verheerenden Folgen für Millionen von Menschen zu erinnern und dadurch auch die Widerstandskraft gegenüber demokratiefeindlichen Bewegungen zu stärken.
Weiter sind und bleiben Angriffe auf die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit dauerhafte Herausforderungen für die Gesellschaft. Aufgabe staatlicher und zivilgesellschaftlicher Institutionen, aber auch Aufgabe und Verantwortung einer/eines jeden Einzelnen ist es, jeglichen Ausprägungen von Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Missachtung der fundamentalen Werte unseres Grundgesetzes entschieden entgegen zu treten.
Deshalb richtet die Polizeiakademie Niedersachsen nach dem ersten Besuch von Tswi und Natali Herschel im Sommer 2022 eine erneute Besuchswoche der Herschels im Zeitraum vom 27.02. bis 03.03.2023 aus. Die Veranstaltung in Bad Nenndorf stellt den Höhepunkt der Besuchswoche dar.
Rückfragen bitte an:
Polizeiakademie Niedersachsen
Soeke Heykes
Telefon: 05021 844 1024
E-Mail: soeke.heykes@polizei.niedersachsen.de
http://www.pa.polizei-nds.de
Original-Content von: Polizeiakademie Niedersachsen, übermittelt durch news aktuell
[ad_2]
Original Quelle Presseportal / Polizei Dienststellen
Vermisst – 7-jährige Tara R. aus Gaildorf-Ottendorf – Wer kann Hinweise geben
Hinterlasse jetzt einen Kommentar