
Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 12. Senat | 12 MS 88/22 | Beschluss | Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Windenergieanlage (Nachbarantrag)
Unabhängig von diesen Mängeln in der tatsächlich erfolgten Prüfung kann bei zutreffendem Verständnis auch nicht verneint werden, dass das Vorhaben der Beigeladenen mit der Beseitigung von Wallhecken eine erhebliche nachteilige Umweltauswirkung i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 5 UVPG haben kann. Bezugspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit ist zunächst allein der jeweilige Umweltbelang, nicht aber die Zulassungsfähigkeit des Vorhabens insgesamt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004 – 4 CN 11/03 -, juris, Rn. 23, Gatz, juris-BVerwG 22/2008 Anm. 2, Mitschang, in: Schink/Reidt/Mitschang, UVPG, UmwRG, § 3 UVPG, Rn. 4, 5, m. w. N.) Die – zumal nur potenzielle – Erheblichkeit der nachteiligen Umweltbeeinträchtigung kann damit nicht mit der Begründung verneint werden, dass im Ergebnis der Schutz von Wallhecken der Genehmigungsfähigkeit der Windenergieanlage doch nicht entgegenstehe, wie sich aus der insoweit vom Antragsgegner erteilten Ausnahme ergebe. Die Erheblichkeit ist stattdessen nach dem Maßstab des Fachrechts bzw. materiellen Zulassungsrechts (vgl. das inzwischen rechtskräftige Senatsurt. v. 26.2.2020 – 12 LB 157/28 -, juris, Rn. 55, m. w. N.; Nds. OVG, Beschl. v. 11.10.2021 – 1 ME 110/21 -, juris, Rn. 23 unter Bezug auf BVerwG, Urt. v. 17.12.2013 – 4 A 1/13 -, juris, Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 24.5.2018, a. a. O., Rn. 25; Mitschang, a. a. O., Rn. 7), hier also des § 22 Abs. 3 Satz 2 und 3 NAGBNatSchG, zu bestimmen. Danach dürfen Wallhecken nicht beseitigt werden und sind alle Handlungen, die das Wachstum der Bäume und Sträucher beeinträchtigen, verboten. Gesetzlich in Satz 4 enthaltene Einschränkungen für dieses Verbot greifen vorliegend nicht ein, und zwar auch nicht in entsprechender Anwendung. Selbst wenn man die dort in Satz 4 Nr. 5 enthaltene Privilegierung für die Landwirtschaft auf Erschließungsanlagen für WEA übertrüge, wäre hier die dann entsprechend geltende Grenze „von bis zu zwei Durchfahrten pro Schlag, jeweils bis zu acht Metern Breite“ überschritten. Vorgesehene Ersatzpflanzungen an anderer Stelle bleiben als Kompensationsmaßnahme für die Bewertung i. S. d. § 7 UPVG unberücksichtigt. Kann das Vorhaben der Beigeladenen nach diesen fachrechtlichen Spezialvorgaben also grundsätzlich nicht (ohne Ausnahme) verwirklicht werden, sind erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen zu bejahen. Dass im überwiegenden öffentlichen Interesse am Ausbau der Windenergie eine Ausnahme nach § 22 Abs. 3 Satz 6 NAGBNatSchG erteilt worden ist, ändert an der bewusst gerade an der Bewertung allein des Eingriffs in die Wallhecke orientierten Bewertung als „erheblich“ ebenfalls nichts. Ein atypischer Fall, in dem nicht einmal der Schutz der betroffenen Wallhecken als solcher gerechtfertigt ist, liegt hingegen nicht vor. Würde man sich von dem insoweit klaren Maßstab des § 22 Abs. 3 NAGBNatSchG lösen, bliebe im Übrigen trotz der schwerwiegenden rechtlichen Folgen, insbesondere der Notwendigkeit, bei Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung die Öffentlichkeit im Genehmigungsverfahren zu beteiligen (vgl. allgemein § 18 UVPG), der stattdessen geltende Maßstab unklar (vgl. Agatz, a. a. O., S. 44, wonach es „immer noch völlig unklar sei, welches (genaue) Ausmaß an Umweltauswirkungen als erheblich anzusehen sei“). Dementsprechend gelingt es auch dem Antragsgegner nicht, den von ihm bevorzugten abweichenden Maßstab abstrakt zu umschreiben. Eine „Abwägung mit widerstreitenden Belangen“ findet insoweit gerade nicht statt. Ihm kann auch nicht in der (nachgeschobenen) Annahme gefolgt werden, die fehlende Erheblichkeit ergebe sich hier aus Nr. 2.1 der Anlage 1 zum NUVPG, wonach bei einer Beseitigung oder Beeinträchtigung einer Wallhecke von weniger als 500 m eine standortbezogene Vorprüfung erforderlich ist. Die Vorschrift ist hier nicht einschlägig, weil sich die Vorprüfungspflicht aus dem UVPG des Bundes ergibt (s. o.); zudem regelt sie im Bereich des Landesrechts nicht die Erheblichkeit eines Eingriffs, sondern begründet vielmehr einen gesonderten Tatbestand für ein Vorhaben, das nach Landesrecht einer Vorprüfung bedarf. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, sollte insoweit bewusst über das Bundesrecht hinaus (vgl. LT-Drs. 18, 5402, S. 9 f.) landesrechtlich ein gesonderter Tatbestand zum Schutz von Wallhecken geschaffen werden. Dieses Motiv kann nicht in sein Gegenteil verkehrt werden, indem daraus auf die generelle oder weitgehende Unerheblichkeit von Eingriffen (unter 500 m) in Wallhecken geschlossen werden soll. Vielmehr ist umgekehrt auch Nr. 2.1 der Anlage 1 zum NUVPG unverändert (vgl. zur Vorgängerfassung schon die Gesetzesbegründung in LT- Drs. 15/3440, S. 32 f.):
Original Quelle Niedersachsen.de
Bilder Pixabay / Original Quelle
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