Rede von Frau Justizministerin Dr. Wahlmann zur Einbringung des HPE 2024 im Ausschuss für Rechts und Verfassungsfragen sowie vor dem Unterausschuss Justizvollzug und Straffälligenhilfe am 04.10.2023

Quelle: Niedersachsen.de

Rede von Frau Justizministerin Dr. Wahlmann zur Einbringung des HPE 2024 im Ausschuss für Rechts und Verfassungsfragen sowie vor dem Unterausschuss Justizvollzug und Straffälligenhilfe am 04.10.2023

„Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

ich danke Ihnen für die Gelegenheit, hier in der gemeinsamen Sitzung des Rechtsausschusses und des Unterausschusses Justizvollzug und Straffälligenhilfe den Entwurf für den Justizhaushalt 2024 vorstellen und die aktuellen Schwerpunkte der Justizpolitik berichten zu dürfen.

Zunächst möchte ich Ihnen – wie üblich – die Rahmendaten des Haushaltsplanentwurfs für den Justizhaushalt vorstellen:

Der Justizhaushalt 2024 sieht ein Volumen von rund 1,556 Milliarden EU vor; er gehört damit zu den kleineren Haushalten des Landes.

Von diesem Betrag entfällt mit rund 943 Millionen EUR der Löwenanteil, konkret 61 % der Gesamtausgaben, auf den Personalbereich.

Mehrausgaben lassen sich hier vor allem durch die zwingende Höhergruppierung von Tarifbeschäftigten nicht vermeiden. Viele von Ihnen werden wissen, dass nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2020 und einem nachfolgenden Beschluss der Tarifgemeinschaft der Länder viele Tarifbeschäftigte in den Serviceeinheiten in eine höhere Entgeltgruppe einzugruppieren waren als bisher – nämlich in Entgeltgruppe E 9a.

In Niedersachsen betrifft das rund 2.500 Beschäftigte bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften.

Hierfür wurden mit dem 2. Nachtragshaushalt 2023, insbesondere auch im Hinblick auf Nachzahlungsansprüche, bereits rund 35,7 Millionen EUR für das aktuelle Jahr zur Verfügung gestellt.

Es entsteht aber darüber hinaus eine dauerhafte Mehrbelastung. Deshalb sind ab dem Haushaltsjahr 2024 zusätzliche Haushaltsmittel in Höhe von rund 11,5 Millionen Euro jährlich zur Finanzierung der Höhergruppierungen veranschlagt. Ich halte es dabei für wichtig, dass wie die nötigen Mittel im Haushaltsentwurf zusätzlich einplanen und die bessere Vergütung der Beschäftigten nicht an anderer Stelle zulasten des Justizhaushalts geht.

Der Haushaltsanteil von 39 % für Sachausgaben geht überwiegend unmittelbar auf gesetzliche Pflichtausgaben zurück. So sind allein knapp 349 Millionen EUR für zwingende Auslagen in Rechtssachen vorgesehen, wie zum Beispiel Prozesskostenhilfe oder Betreuerentschädigungen.

Auf diesen erheblichen Ausgabenanteil hat das Land keinen Einfluss.

Die allgemeinen Sachausgaben von 264 Millionen EUR machen somit lediglich rund 17 % des Entwurfs für den Justizhaushalt aus.

Der Entwurf sieht vor, diese allgemeinen Sachausgaben um etwa 29 Mio. EUR oder etwa 12 % im Vergleich zum Haushaltsjahr 2023 zu erhöhen. Die Erhöhung beruht im Wesentlichen auf einer gezielten Stärkung der IT-Ausgaben um insgesamt über 11 Millionen EUR, auf die ich später im Einzelnen zurückkommen werde.

Die übrigen Mehrausgaben gehen vor allem auf gestiegene Strom- und Wärmekosten zurück. Hierfür sind zusätzlich rund 13,7 Mio. EUR vorgesehen. Mit anderen Worten entfallen trotz der erheblichen Inflationsrate nur rund 4,3 Millionen Euro auf allgemeine Kostensteigerungen. Im Übrigen handelt es sich um bewusste, zielgerichtete Investitionen.

Auf der Einnahmeseite sind für die Justiz rund 520 Millionen EUR veranschlagt. Das sind rund 5,8 Millionen EUR mehr als 2023.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

was die politischen Schwerpunkte für 2024 angeht, war auch für die niedersächsische Justiz – wie für alle öffentlichen Träger – die Ausgangslage angesichts der Folgen des Ukrainekrieges und der damit eng verbundenen Energiekrise nicht einfach. Umso mehr freue ich mich, dass wir keinen „Sparhaushalt“ vorlegen, sondern uns klar dazu bekennen, die Justiz zukunftsfähig aufzustellen.

So werden wir, wenn Sie dem Vorschlag folgen, auch im Jahr 2024 wichtige Schwerpunkte setzen können. Es handelt sich hierbei um

1. die entschlossene Digitalisierung der Justiz,

2. die Stärkung der Strafjustiz, vor allem im Kampf gegen Kriminalität im digitalen Raum,

3. Investitionen in die Sicherheit der Justizeinrichtungen sowie

4. Verbesserungen für die Beschäftigten im Justizvollzug.

Digitalisierung ist das Thema unserer Zeit. Die Justiz kann und will sich dem nicht entziehen! Lassen Sie mich aber auch klarstellen: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Die Einführung der elektronischen Gerichtsakte ist gesetzlich vorgeschrieben und muss bis zum 31.12.2025 flächendeckend umgesetzt sein. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, unsere Papierakte einfach „irgendwie elektronisch“ machen. Wir haben stattdessen die einmalige Chance, eine echte Transformation von der analogen zur digitalen Justiz zur schaffen!

Das ist nicht nur eine Chance, die Arbeit für unsere Beschäftigten schneller und effektiver zu machen – und damit auch für Bewerberinnen und Bewerber attraktiv zu bleiben.

Wir haben auch die Chance, den Zugang zur Justiz für rechtssuchende Bürgerinnen und Bürger zu vereinfachen. Dieser Transformationsprozess hat begonnen, wir haben in Teilen der Justiz bereits ein – aus meiner Sicht wirklich überzeugendes – e-Akten-Programm eingeführt. Es ist aber noch viel zu tun.

In wichtigen Bereichen wie der gesamten Strafjustiz steht die Einführung der elektronischen Akte noch bevor.

Deshalb habe ich mich in den Haushaltsverhandlungen dafür stark gemacht, den eingeschlagenen Weg auch in den kommenden Jahren mit voller Kraft weiter zu verfolgen und die Digitalisierung der Justiz als eines unserer absoluten Schwerpunktthemen voranzubringen.

Um die gesteckten Ziele zu erreichen, braucht es fähige Köpfe, die die anspruchsvolle Technik Tag für Tag betreuen, weiterentwickeln und den Anwenderinnen und Anwendern bei Fragen und Problemen kompetent zur Seite stehen.

Dafür wollen wir mit weiteren Stellen im Zentralen IT-Betrieb der niedersächsischen Justiz – dem ZIB – Sorge tragen. Für den weiteren Rollout und die Betreuung der elektronischen Akte in Rechtssachen wollen wir dem Zentralen IT-Betrieb dreizehn Beschäftigungsmöglichkeiten im Tarifbereich und eine Beamtenstelle zusätzlich zur Verfügung stellen. Das soll mit Blick auf die gesetzliche Umsetzungsfrist der eJustice-Gesetze zunächst befristet bis Ende 2026 geschehen.

Hinzu kommen zwei weitere bis Ende 2025 befristete Stellen zur Unterstützung des beim Oberlandesgericht Celle angesiedelten Textmanagements. Dort werden für das Textmodul der elektronischen Akte in der Ordentlichen Gerichtsbarkeit umfassende Textvorlagen entwickelt. Diese erleichtern den Kolleginnen und Kollegen an den Gerichten die Arbeit enorm.

Bei all den Vorteilen, die uns die Digitalisierung bringt, gehen mit ihr aber auch neue Herausforderungen einher. Mit der durchgehenden Digitalisierung werden wir bei unserer täglichen Arbeit in den Gerichten und Staatsanwaltschaften nahezu vollständig von hochverfügbaren IT-Systemen abhängig. Für die Justiz bedeutet das – wie für so viele andere Bereiche des täglichen Lebens – die Gefahr, durch Cyberangriffe auf die IT-Infrastruktur komplett lahmgelegt zu werden.

Die Justiz mit ihren besonders sensiblen Daten legt schon seit Jahren ein großes Augenmerk auf die kontinuierliche Stärkung der Informations- und IT-Sicherheit. Hier darf ich auch einmal die hervorragende Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter loben: Bisher ist die niedersächsische Justiz trotz quasi täglicher Bedrohungen im Sinne von Phishing, Viren und ähnlichem von erfolgreichen Sabotageversuchen verschont geblieben.

Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Das Gefährdungspotenzial steigt jeden Tag.

Den immer neuen Angriffsmustern und immer professionelleren Angreifern müssen wir durch eine ebenso stetige Aufrüstung der IT-Sicherheit begegnen.

Deshalb wollen wir das Team der Informations- und IT-Sicherheit des ZIB im kommenden Jahr um weitere sechs – in diesem Fall unbefristet zur Verfügung gestellte – Vollzeitstellen verstärken. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich um noch genauere Gefährdungsanalysen, Sicherheitskonzepte und -maßnahmen sowie um den weiteren Aufbau von Sicherheitssystemen kümmern.

Neben dem ZIB arbeitet auch das Justizministerium selbst intensiv an der Fortentwicklung der IT-Strukturen der Justiz. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem die strategische Planung und die Vernetzung mit anderen Bundesländern.

Unser Anspruch ist dabei hoch: Jeder Arbeitsprozess in der Justiz soll darauf geprüft werden, wie er durch Digitalisierung optimiert, beschleunigt, verschlankt und bürgernäher gestaltet werden kann.

Deshalb ist es aus meiner Sicht zwingend erforderlich, auch das IT-Referat meines Hauses ab dem kommenden Jahr um drei Stellen zu verstärken.

Ich habe betont, wie wichtig es zur Umsetzung der Digitalisierung ist, die besten Köpfe zu gewinnen.

Das ist allerdings nur die halbe Miete:

Es braucht auch eine Ausstattung mit den erforderlichen Sachmitteln.

Eine erfolgreiche Digitalisierung stellt hohe Anforderungen an die Hard- und Software. Wir streben deshalb – ich habe es eingangs erwähnt – im kommenden Jahr eine Verstärkung der IT-Sachmittel um 11 Millionen Euro an.

Der Gesamtansatz steigt damit um etwas mehr als 28 % auf im Ergebnis rund
50 Millionen EUR.

Ein Grund für diesen deutlichen Zuwachs sind die auch im IT-Sektor inflationsbedingt über alle Produktbereiche hinweg gestiegenen Kosten für Entwicklung, Pflege und Wartung sowie für erforderliche Hardwarebeschaffung.

Vor allem aber sehen wir, dass die erfolgreiche Umsetzung der elektronischen Akte bis zum Ablauf der vom Bundesgesetzgeber vorgegebenen Frist, also bis zum 31.12.2025, nur gelingen kann, wenn wir das Tempo nicht nur aufrechterhalten, sondern noch weiter erhöhen.

Das geht nicht ohne Investitionen in Software und Infrastruktur.

Den Schwerpunkt bildet weiterhin das Programm „eJuNi“.

Um die pünktliche Einführung der elektronischen Akte und deren hochverfügbaren und ausfallsicheren Betrieb in allen Gerichten und Staatsanwaltschaften zu gewährleisten, werden wir im Rahmen dieses Programms die Infrastruktur der Justiz weiter ausbauen und verbessern.

Die bestehenden zentralen Serverräume in mehreren Justizliegenschaften haben ihre baulichen und sicherheitstechnischen Grenzen erreicht. Deshalb hat die Justiz bereits bei einem privaten Anbieter an zwei Standorten Rechenzentrumsstellflächen angemietet und wird dort ab 2024 die bisherigen IT-Dienste ergänzen. Auf diesem Weg können mehr Rechen- und Serverkapazitäten zur Verfügung gestellt werden.

Zudem kann die Justiz damit ihre IT-Dienste erstmals an mehreren voneinander deutlich entfernt liegenden, vollständig redundanten Standorten vorhalten.

Im Falle eines örtlich bedingten Ausfalls eines Rechenzentrumsstandorts, z. B. durch einen Stromausfall oder durch die Folgen einer Naturkatastrophe, werden die anderen Standorte übernehmen können. Die Gefahr von Ausfallzeiten wird dadurch minimiert, die Arbeitsfähigkeit der Justiz wird auch im Störungs- oder gar Katastrophenfall gewährleistet.

Die Digitalisierung betrifft aber nicht nur streitige Verfahren. Auch im Bereich der Register kommen unsere bisherigen Anwendungen an ihre Grenzen. Deshalb wollen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit neuen Fachanwendungen entlasten.

Im Bereich Grundbuch wollen wir zusätzliche Mittel für die Weiterentwicklung des datenbankgestützten Grundbuchs – dabag – zur Verfügung stellen.

Dabag versetzt uns unter anderem in die Lage, die steigenden EU-Anforderungen an die Grundbücher, wie die Sanktionsdurchsetzungsgesetze I und II und die Anbindung der Grundbücher an das Transparenzregister, zu erfüllen.

Neben dem Grundbuch digitalisieren wir aktuell auch die in Niedersachsen bei sechs Amtsgerichten geführten Schiffsregister und das bundesweit zentral beim Amtsgericht Braunschweig geführte Luftfahrzeugpfandrechtsregister.

In meinen Ausführungen zum IT-Personal hatte ich die essentielle Bedeutung der IT-Sicherheit bereits hervorgehoben. Flankierend zur Verstärkung des Personals wollen wir deshalb auch die Sachmittel für IT-Sicherheit im kommenden Jahr um gut 2,6 Millionen Euro aufstocken.

Diese sollen überwiegend für den Aufbau und die Inbetriebnahme eines Systems zur Erkennung von Angriffen gegen IT-Systeme sowie zum Erkennen und Abwehren von Gefahren für die IT-Sicherheit durch Sicherheitslücken, Schadprogramme, Angriffe oder sonstige Anomalien im Justiznetz eingesetzt werden. Für uns als dritte Staatsgewalt und tragende Säule der Demokratie ist das ein überaus wichtiges Ziel: Die Sicherheitskomponenten in unserem Justiznetz sollen noch besser vernetzt und dadurch noch schlagkräftiger werden.

Zudem wollen wir im kommenden Jahr den weiteren Aufbau und Betrieb eines Notfallmanagements gewährleisten, das den Anforderungen durch die veränderte Sicherheitslage in der Welt genügt. Damit können wir in Krisenlagen noch gezielter als bisher agieren.

Bisher habe ich vor allem über die übergeordnete Infrastruktur gesprochen.

Für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es aber natürlich entscheidend, dass auch das Arbeitsgerät, mit dem sie täglich umgehen, den aktuellen Anforderungen genügt. Das ist wichtig, um tagtäglich die bestmögliche Leistung bringen zu können. Es ist aber auch ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs.

Corona hat uns gezeigt, wie wichtig flexible Arbeitszeitmodelle sind. Die Kolleginnen und Kollegen des früheren höheren und gehobenen Dienstes in den Gerichten und Staatsanwaltschaften verfügen bereits als sog. „Entscheiderinnen und Entscheider“ über Notebooks.

Damit sind Home Office und mobiles Arbeiten für sie bereits heute gut realisierbar.

In der mittleren Beschäftigungsebene, d.h. vor allem bei den Serviceeinheiten und im Justizvollzug, konnten Notebooks bisher nur vereinzelt zur Verfügung gestellt werden.

Mit der Einführung der elektronischen Akte in allen Rechtsgebieten und im Vollzug wird es aber zunehmend auch auf diesen Arbeitsplätzen möglich, flexibler und auch ortsunabhängiger zu arbeiten.

Ich möchte daher ab dem kommenden Jahr mit einer Summe von rund 2 Millionen EUR die Serviceeinheiten und den Justizvollzug sukzessive mit Notebooks ausstatten.

Wir ermöglichen diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern damit in gleicher Weise flexibles Arbeiten wie der Entscheiderebene. Ich bin mir sicher: Das ist nicht nur ein konkreter Beitrag zur Familienfreundlichkeit. Es wird auch sehr deutlich zur Arbeitszufriedenheit und -motivation beitragen.

Ich weiß: Der Vorschlag für den IT-Haushalt beinhaltet viele große Zahlen. Zusammengefasst fast 30 Stellen und zusätzlich 11 Mio. Euro an Sachmitteln mehr als bisher vorgesehen sind ein großer „Schluck aus der Pulle“.

Ich halte das aber für zwingend notwendig: Der Bundesgesetzgeber hat uns, ich habe es wiederholt angesprochen, verpflichtet, ab dem 01.01.2026 voll elektronisch zu arbeiten.

Deshalb muss die Digitalisierung jetzt gelingen.

Den erforderlichen schnellen und umfassenden Umstieg in die digitale Welt wir nur schaffen, wenn wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gute Programme, gute Infrastruktur und guten Support anbieten.

Gerade bei den weniger digital-affinen Kolleginnen und Kollegen werden wir nur dann Begeisterung für die Chancen der neuen digitalen Justizwelt wecken, wenn die Dinge „laufen“. Deshalb ist es aus meiner Sicht nicht nur im Interesse einer leistungsstarken Justiz unumgänglich, die erforderlichen Mittel zeitnah bereitzustellen. Es geht auch um Anerkennung und Wertschätzung.

Wir fordern von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine große Transformationsleistung.

Das ist manchmal eine Zumutung, aber ich erlebe auch einen großen Aufbruchsgeist. Diesen müssen wir nutzen und fördern, indem wir die nötige personelle Ausstattung und die erforderliche Infrastruktur bereitstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Digitalisierung bietet leider nicht nur der Justiz Chancen. Sie führt auch zu neuen Kriminalitätsformen.

Deshalb liegt ein zweiter Schwerpunkt des Haushaltsentwurfs auf der Stärkung der Strafjustiz.

Ein großes gesellschaftliches Thema unserer Zeit ist Hass und Hetze im Internet.

Dass diese Form des Hasses kein abstraktes Problem ist, muss ich Ihnen, die Sie als Abgeordnete im Mittelpunkt öffentlichen Interesses stehen, nicht erklären.

Anlasslose übelste Beleidigungen, menschenverachtendes Mobbing und Aufrufe zu Gewalt können in den sogenannten sozialen Netzwerken und anderswo im virtuellen Raum zu jeder Tages- und Nachtzeit jeden in unserer Gesellschaft treffen. Skrupel scheint es unter den Tätern kaum mehr zu geben.

Dieser Hass hat oft verheerende Konsequenzen. Er führt bei Betroffenen zu Angstzuständen, Depressionen und häufig auch dazu, dass sich friedliche Menschen aus sozialen Netzwerken zurückziehen und dadurch ein sogenannter Silencing-Effekt eintritt.

Von Zeit zu Zeit schlägt virtuelle Gewalt in physische Gewalt um. In jedem Fall ist bereits die virtuelle Gewalt geeignet, ein Klima der Angst und der Einschüchterung zu schaffen.

Diesen Angriffen auf die Würde und das Wohlergehen von Menschen, auf die Meinungsfreiheit oder auf die Freiheit journalistischer Berichterstattung, werden wir künftig noch intensiver entgegentreten.

Ziel muss eine respektvolle und tolerante Online-Kultur sein, ein menschenwürdiges Miteinander auch im Internet. Das haben wir auch in unserem Koalitionsvertrag klar festgehalten.

Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität bei der Staatsanwaltschaft Göttingen ist ein entscheidender Baustein bei diesen Bemühungen. Sie hat im Zeitraum vom 01. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023 rund 2.200 neue Verfahren eröffnet. Das entspricht in etwa einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Das zeigt nicht nur die hohe Bedeutung dieses Kriminalitätsfeldes. Es ist sicher auch ein Erfolg der Meldeplattform www.hassanzeigen.de.

Auf dieser können Opfer digitaler Gewalt direkt bei der Zentralstelle Anzeige erstatten. Es besteht zudem ein intensiver Austausch mit vergleichbaren Zentralstellen anderer Bundesländer.

Diese Erfolge wollen wir verstetigen.

Im Haushaltsplanentwurf 2024 schlage ich Ihnen deshalb eine sehr deutliche personelle Verstärkung der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet bei der Staatsanwaltschaft Göttingen vor.

Die Zentralstelle soll um eine R2- und zwei R1-Stellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie um drei neue Stellen für die mittlere Beschäftigungsebene erweitert werden.

Hinzu kommt eine neue Beschäftigungsmöglichkeit für einen IT-Spezialisten.

Bisher ist bei der Zentralstelle ein IT-Experte tätig. Seine Bedeutung für die Ermittlungen ist kaum zu überschätzen. Als ich kürzlich bei den Kolleginnen und Kollegen vor Ort war, haben sie die Bedeutung der hausinternen Expertise sehr deutlich hervorgehoben. So kann er in vielen Fällen auch die typische Einlassung der Täter, jemand anders müsse den Account in ihrem Namen betreiben, vor Gericht überzeugend widerlegen.

Mit diesen weiteren sieben Stellen für die Zentralstelle wollen wir wir die klare Botschaft an die „Hater“ senden:

Die vermeintliche Anonymität des Netzes schützt Euch nicht! Eure „Hate-Posts“ werden zu Euch zurückverfolgt werden und Ihr werdet dafür – ganz analog – zur Rechenschaft gezogen!

Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Der Kampf gegen Hass und Hetze im Internet ist mühsam und kleinteilig.

Aber er ist von entscheidender Bedeutung für das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft und für unsere Demokratie!

Ein weiteres mir persönlich sehr wichtiges Thema, ist die Bekämpfung der Kinderpornografie.

Der Schutz der schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft vor Missbrauch jeglicher Art hat für mich oberste Priorität. Hinter jedem kinderpornografischen Bild, hinter jedem kinderpornografischen Video steht ein Kind, dass zur Befriedigung eines widerlichen, menschenverachtenden Sexualtriebs des Täters missbraucht wurde.

Wir müssen deshalb darauf reagieren, dass die Täter immer größere Datenmengen über das Netz austauschen.

In den letzten Jahren hat die Zentralstelle zur Bekämpfung der Kinderpornografie bei der Staatsanwaltschaft Hannover bereits deutliche Verstärkung erhalten.

Allerdings hat sich gezeigt, dass die bisherigen Anstrengungen nicht reichen.

Die weitere Aufstockung der Zentralstelle ist dringend geboten, denn – so bedrückend es auch ist – die Verfahrenszahlen laufen uns davon.

Die Kolleginnen und Kollegen in der Zentralstelle arbeiten am Limit; das Pensum, das insbesondere die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu erledigen haben, ist exorbitant. Hinzu kommen die emotionalen und psychischen Herausforderungen, die mit der Auswertung kinderpornografischen Materials einhergehen.

Es ist mir deshalb ein persönliches Anliegen und ich hoffe, dass ich auch Sie davon überzeugen kann, die Zentralstelle mit dem Haushalt 2024 um fünf dauerhaft angelegte Stellen zu verstärken.

Es handelt sich um zwei Stellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, eine Stelle für eine Rechtspflegerin oder einen Rechtspfleger und zwei Stellen auf der mittleren Beschäftigungsebene. Darüber hinaus soll es – und dies ist für die Ermittlungskompetenz in diesem Bereich besonders wichtig – auch hier eine Beschäftigungsmöglichkeit für eine IT-Expertin bzw. einen IT-Experten geben. Dadurch erhoffen wir uns wie bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Hasskriminalität noch einmal eine spürbare Steigerung der Schlagkraft im Kampf gegen Kinderpornographie.

Ein weiteres Element unserer Strategie gegen Internetkriminalität ist die für 2024 vorgesehene Stärkung der „Zentralstellen Internet- und Computerkriminalität (Cybercrime)“ bei den Staatsanwaltschaften Verden und Osnabrück.

Die Erfahrungen bei der Zentralstelle in Göttingen haben gezeigt, wie wichtig es ist, IT-Experten direkt im Team der Staatsanwaltschaft dabei zu haben. Deshalb schlagen wir vor, neben der Zentralstelle zur Bekämpfung von Kinderpornographie in Hannover auch die Cybercrime-Zentralstellen in Osnabrück und Verden jeweils mit einer IT-Expertin bzw. einem IT-Experte zu verstärken. Die Zentralstellen erhalten dadurch die dringend erforderliche technische Expertise, um der stetig steigenden Bedrohungslage im Bereich der Internet- und Computerkriminalität wirksam zu begegnen.

Die Zunahme der Kriminalität im digitalen Raum heißt leider nicht, dass wir nicht auch in der realen Welt mit neuen, hochgefährlichen Kriminalitätsformen konfrontiert sind. Die Sprengung von Geldautomaten ist ein besonders prägnantes Beispiel.

Sie haben das von mir bereits diverse Male gehört: Geldautomatensprenger agieren bandenmäßig organisiert, hoch professionell und äußerst rücksichtslos. Die zunehmende Verwendung von Festsprengstoffen in Gebäuden, die nicht selten auch bewohnt sind, macht die Taten extrem gefährlich. Es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass in Niedersachsen bislang kein Mensch zu Tode gekommen ist. Die Gefährdung Unbeteiligter setzt sich bei der Flucht vom Tatort mit hochmotorisierten Fahrzeugen.

Über die Verpflichtung der Banken und Sparkassen, ihren Beitrag zur Prävention zu leisten, haben wir im letzten Plenum ausführlich gesprochen.

Aufgabe des Rechtsstaats ist es gleichzeitig, die Täter schnell und konsequent zu verfolgen und die Taten zu ahnden.

Die niedersächsische Justiz nimmt bei der Verfolgung von Geldautomatensprengungen bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Bereits zum 1. Dezember 2022 wurde die landesweite Zentralstelle zur Bekämpfung von Geldausgabeautomaten-sprengungen bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück eingerichtet. Dort sitzt die landesweite Expertise, die dort tätigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind bestens mit den Strafverfolgungsbehörden in den Niederlanden vernetzt, kennen die Täterstrukturen und sind – auch dadurch – in der Lage, die Straftaten effektiv zu verfolgen.

Eine Aufgabe, die die Staatsanwaltschaft Osnabrück – ungeachtet der ohnehin hohen Belastung bei den Staatsanwaltschaften – bisher ohne zusätzliches Personal hervorragend angenommen hat. Die aktuell gegen den Bundestrend sinkenden Verfahrenszahlen in Niedersachsen sehe ich auch als Erfolg der konsequenten Arbeit von Justiz und Polizei in unserem Bundesland.

Diese gute Arbeit müssen wir fortsetzen und intensivieren! Der Haushaltsplanentwurf 2024 sieht deshalb die dauerhafte Verstärkung der Zentralstelle in Osnabrück um eine R1-Stelle für eine Staatsanwältin oder einen Staatsanwalt vor.

Es steht aber nicht nur die Strafjustiz vor erheblichen Herausforderungen. Auch im Zivilrecht und im Bereich der Fachgerichtsbarkeiten sehen wir uns stellenweise mit einer hohen Belastung konfrontiert und sind aus meiner Sicht in der Pflicht, die Kolleginnen und Kollegen an den Gerichten vor Ort zu unterstützen.

Das betrifft zunächst die der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Der Presseberichterstattung der jüngsten Zeit konnten Sie entnehmen, dass die Migration eines der großen Themen unserer Zeit bleibt. Die Verwaltungsgerichte sind seit Jahren mit einer hohen Zahl an Asylverfahren konfrontiert, die ihren Ausgangspunkt in den Migrationsbewegungen der Jahre 2015 und 2017 hatten.

Es ist in den letzten Jahren gelungen, viele dieser Verfahren abzuschließen.

Nun aber zeichnet sich eine neue Welle an Asylverfahren durch die erneuten Fluchtbewegungen ab.

Die nach 2015 zunächst befristet vorgenommenen Personalverstärkungen müssen daher absehbar fortgeführt werden, um diese Verfahren zeitnah bearbeiten zu können.

Der Haushaltsplanentwurf sieht deshalb vor, die bisher zum Jahresende 2023 auslaufenden sieben Richterstellen bei den Verwaltungsgerichten bis Ende 2027 zu verlängern. Perspektivisch sollen auch 15 zum Jahresende 2029 auslaufende Richterstellen noch einmal anteilig in die Jahre 2030 und 2031 verlängert werden. Damit gewährleisten wir für die kommenden Jahre eine bessere Planungssicherheit für die Personalbewirtschaftung und unterstützen einen nachhaltigen Bestandsabbau. Ergänzend wollen wir, das soll nicht unerwähnt bleiben, zur Optimierung des Personaleinsatzes vier zusätzliche Richterstellen ohne Beschäftigungsvolumen und Budget schaffen.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist nicht der einzige Zweig der Gerichtsbarkeit, der vor erheblichen Herausforderungen steht. Vor allem die Braunschweiger Gerichte sind nach wie vor erheblich belastet mit der Aufarbeitung des sogenannten VW-Abgas-Komplexes.

Nach den jüngsten Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs und des BGH droht zudem noch einmal eine neue Welle von „Diesel-Klagen“. Ich halte es daher für absolut zwingend, dass wir – wie im Haushaltsplanentwurf vorgesehen – alle befristeten Stellen, die bisher Ende 2023 auslaufen sollen, um zwei Jahre verlängern. Das betrifft konkret 40 Stellen und Beschäftigungsmöglichkeiten im OLG-Bezirk Braunschweig,

15 Stellen und Beschäftigungsmöglichkeiten im staatsanwaltlichen Bereich sowie eine Richterstelle beim OLG Celle.

Weiterhin begleiten wird uns ferner die Bewältigung der seit vielen Jahren beim Landgericht Göttingen anhängigen Securenta-Verfahren. Trotz wirklich engagierter Bemühungen der Kolleginnen und Kollegen in Göttingen, diese Thematik endlich zum Abschluss zu bringen, waren dort zuletzt immer noch rund 4.200 Verfahren anhängig. Der Haushaltsplanentwurf sieht deshalb zur Erledigung dieser Verfahren eine hoffentlich letztmalig erforderliche Verlängerung von einer Richterstelle und zwei Beschäftigungsmöglichkeiten für Folgedienste bis zum 31.12.2024 sowie von zwei Richterstellen und zwei Beschäftigungsmöglichkeiten für Folgedienste bis zum 31.12.2025 vor.

Als weiteres Schwerpunktthema hatte ich eingangs bereits das Thema „Sicherheit“ genannt.

Der Haushaltsplanentwurf sieht vor, im Bereich der Sicherheit in den Gerichten und Staatsanwaltschaften den in der Mittelfristigen Planung für 2024 vorgesehenen Ansatz für technische Sicherheitseinrichtungen um 350.000,00 EUR auf nun 1,1 Millionen EUR zu erhöhen und in den Folgejahren fortzuschreiben.

Diese Mittel sollen vor allem die Beschaffung weiterer Metalldetektoren und Gepäckscanner sowie von Notrufsystemen und Videoüberwachungsanlagen ermöglichen. Damit wird die Sicherheit vor Ort konkret verbessert.

Daneben wollen wir mit diesen weiteren Haushaltsmitteln flächendeckend mobile Alarmierungsgeräte für Beschäftigte im Außendienst beschaffen. Diese Geräte haben wir in einem Pilotprojekt getestet; die Rückmeldungen waren sehr positiv. Sie ermöglichen es den Beschäftigten, unauffällig und schnell Hilfe anzufordern, wenn sie Gewalt und Bedrohungen ausgesetzt sind. Damit tun wir ganz konkret etwas für die Sicherheit unserer Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, Betreuungsrichterinnen und Betreuungsrichter sowie der Beschäftigten im Ambulanten Justizsozialdienst Niedersachsen.

Ein weiteres erfolgreich abgeschlossenes Pilotprojekt ist die Einführung des verschlüsselten Digitalfunks für die Wachtmeistereien.

Nach sehr guten Erfahrungen im Bezirk des Landgerichts Osnabrück wollen wir diese Technik niedersachsenweit bei Gerichten und Staatsanwaltschaften ausrollen. Auch das ist ein konkreter Beitrag zu mehr Sicherheit.

Neben den geplanten vielfältigen Investitionen in technische Sicherheit wollen wir aber auch etwas für die Beschäftigten tun, die jeden Tag persönlich für die Sicherheit an den Gerichten, Staatsanwaltschaften und im Justizvollzug sorgen. Wie Sie sicher wissen, steht jedem Bediensteten nur ein begrenztes Budget zur Verfügung, um über das LZN neue Dienstkleidung zu beziehen. Auch mit Blick auf die Inflation wollen wir diesen Zuschuss von 265,00 EUR auf 300,00 EUR erhöhen. Und um neu eingestellten Kolleginnen und Kollegen eine vernünftige Erstausstattung zu ermöglichen, wollen wir zusätzlich einen Zuschuss zur erstmaligen Anschaffung der Dienstkleidung von künftig 600,00 EUR leisten.

Auch hier gilt: Zusätzliche Sicherheit kostet Geld. Aber all diese Maßnahmen stärken den Rechtsstaat, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine wachsame Justiz und sowohl das Sicherheitsgefühl als auch die tatsächliche Sicherheit der Beschäftigten in der niedersächsischen Justiz.

Ich weiß: Die Mitglieder des Unterausschusses Justizvollzug und Straffälligenhilfe mussten jetzt lange warten. Aber Sie wissen mittlerweile auch, dass der Justizvollzug bei mir einen hohen Stellenwert hat, daher lässt die Reihenfolge meiner Aufzählung keine Rückschlüsse auf die Wichtigkeit zu.

In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich fast alle Niedersächsischen Justizvollzugsanstalten besucht. Ich konnte mir vor Ort ein Bild davonmachen, vor welchen Herausforderungen der Justizvollzug steht, aber auch davon, wie engagiert die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sich diesen Herausforderungen stellen.

Steigende Gefangenenzahlen im geschlossenen Vollzug und eine starke Zunahme von Gefangenen mit psychischen Auffälligkeiten, oft in Verbindung mit einer Suchterkrankung, belasten die Beschäftigten teils erheblich. Dennoch sind sie mit Herzblut bei der Sache.

Zur dauerhaften Bewältigung dieser Herausforderungen ist aber, bei allem bewundernswerten Engagement der Beschäftigten, eine angemessene Personalausstattung in unseren Justizvollzugsanstalten unabdingbar. Ich möchte daher dafür werben, zehn bisher befristet angelegte Stellen dauerhaft zu verstetigen. Die Verstetigung der Stellen ist – mehr noch als eine bloße Verlängerung – ein starkes Signal an den Vollzug. Sie ermöglicht Planungssicherheit und bietet Raum für langfristig verbesserte Strukturen.

Neben personellen Herausforderungen treffen auch die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekrieges mit erheblichen Kostensteigerungen in nahezu allen Lebensbereichen den Vollzug in besonderer Weise. Die großen Liegenschaften und die notwendige „Rundumversorgung“ der Gefangenen bedeuten, dass jede Steigerung im Einkauf auf das ganze Land gerechnet die Kosten massiv erhöht.

Allein um die gestiegenen Energiekosten aufzufangen, ist nach unseren Berechnungen für die Bewirtschaftung der Justizvollzugsanstalten ein zusätzlicher Betrag von acht Millionen EUR nötig.

Von den eingangs erwähnten zusätzlichen Haushaltsmitteln von insgesamt 13,7 Millionen EUR für erhöhte Energiekosten der Justiz entfällt damit deutlich mehr als die Hälfte auf den Justizvollzug.

Hinzu kommen weitere Kostensteigerungen in anderen Bereichen. Zum Ausgleich der gestiegenen Lebensmittelkosten ist deshalb im Haushaltsplan 2024 ein zusätzlicher Betrag von 600.000 EUR vorgesehen.

Zum Thema Digitalisierung bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften habe ich bereits viel gesagt. Eine umfassende Digitalisierung der Justiz muss aber auch den Justizvollzug einschließen. Es gibt vielfältige Schnittstellen zu Gerichten, Staatsanwaltschaften und dem Ambulanten Justizsozialdienst (AJSD). Die Welt der Justizvollzugseinrichtungen ist derzeit jedoch noch analog: Elektronische Ein- und Ausgänge müssen ausgedruckt und zur papiernen Verwaltungsakte verfügt werden; das gesamte Antragswesen der Gefangenen erfolgt über „Papier und Kugelschreiber“; alle für den Vollzugsalltag oder die Entlassung wichtigen Informationen werden in Papierform zur Verfügung gestellt.

Damit produzieren wir nicht nur Medienbrüche; wir lassen auch Chancen liegen, die die Digitalisierung uns bietet. In Zukunft wollen wir diese Chancen nutzen und sowohl die Verwaltungs- als auch die Gefangenenpersonalakten digital führen.

Diese überfällige Digitalisierung wird ganz konkrete Verbesserungen im Vollzugsalltag ermöglichen: Überlegen Sie alleine, wie viele Arbeitsschritte man sparen könnte, wenn Anträge von Gefangenen mit einem Klick an die Strafvollstreckungskammer weitergeleitet werden könnten. Möglich werden soll das durch eine digitale Antragstellung über die bestehenden PC-Arbeitsplätze für Gefangene, die derzeit vor allem für digitale Bildungsangebote genutzt werden. Die dadurch ermöglichte Verfahrensbeschleunigung entlastet nicht nur die Bediensteten, sie liegt auch im Interesse der Gefangenen.

Wenn wir eine umfassende Digitalisierung des Vollzugs zeitnah erreichen wollen, müssen wir die IT-Organisation des Justizvollzuges neu aufstellen.

Im ersten Schritt wollen wir dazu den Vollzug um eine Stelle des ehemals gehobenen Dienstes verstärken. Das ist natürlich nur der Anfang. Auf diese Weise können wir aber die erforderlichen Grundlagen legen, um in den kommenden Jahren die Digitalisierung des Vollzugs zügig voranzubringen.

Kommen wir zu einer unserer besonderen Vollzugsformen im Land, dem Frauenvollzug.

„Frauen sind keine kleinen Männer“ – dieser vermeintlich flapsige Satz aus der Medizin bringt eine sehr wichtige Erkenntnis auf den Punkt: Frauen werden anders krank als Männer und benötigen andere Therapien. Dies gilt für körperliche Leiden ebenso wie für Erkrankungen der Psyche.

Inhaftierte Frauen haben es oft schwer, Zugang zu einer professionellen Traumatherapie zu finden. Denn der ganz überwiegende Teil der Inhaftierten ist männlich; die Versorgung daher vor allem auf Männer ausgerichtet.

Zugleich sind Frauen für ihre Resozialisierung in vielen Fällen in besonderem Maße auf therapeutische Unterstützung angewiesen. Viele straffällig gewordene Frauen leiden an Abhängigkeitserkrankungen und Persönlichkeitsstörungen, die ihr kriminelles Verhalten begünstigen. Diesen Erkrankungen liegen häufig seelische Verletzungen zugrunde. Die Bearbeitung dieser Traumata ist in der Auseinandersetzung mit den Ursachen der Straftaten von zentraler Bedeutung; sie ist essenziell, wenn es darum geht, den Weg in ein straffreies Leben zu ebnen.

Deshalb ist es richtig und wichtig, dass seit 2019 in der JVA für Frauen eine Vollzugsabteilung mit psychiatrischem Schwerpunkt besteht, die über besondere Expertise auf dem Gebiet der Traumatherapie verfügt. Diese Vollzugsabteilung ist ein Erfolgsmodell. Die Zusammenarbeit mit der Fachklinik, die die ärztliche und pflegerische Versorgung leistet, hat sich in jeder Hinsicht bewährt. Sie trägt nicht zuletzt dazu bei, dass vielfach kostenintensive Unterbringungen in vollstationären Einrichtungen vermieden werden.

Ich möchte daher dafür werben, die für diese Vollzugsabteilung zunächst nur befristet bereitgestellten Mittel mit dem Haushalt 2024 endlich zu verstetigen und damit eine dauerhafte Fortführung der so wichtigen Arbeit der Abteilung sicherzustellen.

Abschließend noch ein paar Worte in einer repräsentativen Angelegenheit des Landes Niedersachsen:

Niedersachsen wird im Jahr 2024 den Vorsitz für die 95. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister übernehmen.

Als Vorsitzende dieser Fachministerkonferenz werde ich als Vertreterin der Länder bundesweite Ansprechpartnerin für bedeutsame und wichtige rechtspolitische Themen sein.

Zugleich wird Niedersachsen eine zentrale Rolle bei der Koordination rechtspolitischer Vorstöße der Länder spielen. Das ist eine besondere Ehre für mein Haus und das Land Niedersachsen insgesamt.

Der Vorsitz geht einher mit der Ausrichtung einer Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Niedersachsen und einer Herbstkonferenz in der Landesvertretung in Berlin.

Die Frühjahrskonferenz wird am 5. und 6. Juni 2024 in Hannover stattfinden.

Ich freue mich schon darauf, meine Amtskolleginnen und Amtskollegen hier in Niedersachsen empfangen zu dürfen und ihnen unser Bundesland von seiner vielfältigen und besten Seite präsentieren zu können. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits auf Hochtouren.

Gleichzeitig kosten derartige Konferenzen auch Geld. Wir haben uns an dem orientiert, was die Länder, die den Vorsitz in den letzten Jahren veranschlagt haben, und schlagen dementsprechend vor, im Ministeriumskapitel 200.000 EUR bereitzustellen.

Ich bin überzeugt davon, dass es auch im Sinne des Niedersächsischen Landtages ist, dass wir mit der professionellen Ausrichtung der Konferenzen Niedersachsen bestmöglich repräsentieren.

Dies ist der Vorschlag der Niedersächsischen Landesregierung.

Wie Sie alle wissen, beruht dieser Vorschlag auf einem Verhandlungsprozess, in den alle Seiten ihre jeweiligen Vorstellungen einbringen.

Alle Ressorts haben berechtigte Bedarfe und das Geld ist bekanntermaßen endlich.

Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, wäre es mir als erste Vertreterin des niedersächsischen „Team Justiz“ lieber gewesen, auch die weiteren Vorschläge, die ich gemacht hatte, durchzubekommen, nämlich

• etwa 20 weitere Stellen für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte,

• 46 Stellen zur Stärkung des Justizwachtmeisterdienstes,

• ein Stellenhebungsmodell für den Justizvollzug

• die Einrichtung einer suchttherapeutischen Behandlungsabteilung in der JVA Sehnde.

• und die Anhebung des Einstiegsamts im ehemaligen mittleren Dienst auf die Besoldungsgruppe A 8 im Hinblick auf die Höhergruppierungen im Tarifbereich mit der Folge von 1.088 Stellenhebungen.

Diese Punkte sind zumindest für das Jahr 2024 nicht im Vorschlag der Landesregierung berücksichtigt worden.

Gleichwohl steht es Ihnen als Haushaltsgesetzgeber selbstverständlich frei, eigene Schwerpunkte zu setzen und an der einen oder anderen Stelle noch Positives für die niedersächsische Justiz zu bewirken.

Uns allen ist doch daran gelegen, einen funktionsfähigen Staat und einen starken Rechtsstaat zu haben, in dem die Gerechtigkeit am Ende siegt.

Vielen Dank!“

Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

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