Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 10. Senat | 10 LA 77/22 | Beschluss | Berücksichtigung von sogenannter Schwarzarbeit zur Existenzsicherung

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Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 10. Senat | 10 LA 77/22 | Beschluss | Berücksichtigung von sogenannter Schwarzarbeit zur Existenzsicherung

Soweit der Kläger hinsichtlich der Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme in Italien ausgeführt hat, er werde im Falle seiner Rücküberstellung entgegen der Prognose des Verwaltungsgerichts auch durch eigene Erwerbstätigkeit nicht in der Lage sein, sich selbst die finanziellen Mittel für sein Überleben zu verdienen, hat er lediglich andere Schlussfolgerungen aus dem auch vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10. Juni 2021 gezogen. Während der Kläger meint, wegen der hohen Arbeitslosenrate sei es schon für Italiener schwierig, eine Arbeit in Italien zu finden, für Flüchtlinge gelte dies ohne Zweifel umso mehr, hat das Verwaltungsgericht aus diesem geschlussfolgert, dass unter Berücksichtigung der Ausführungen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe die durch den Europäischen Gerichtshof gesetzte hohe Schwelle für eine Verletzung von Art. 4 GRC im konkreten Einzelfall des Klägers nicht überschritten sei. Er sei vielmehr darauf zu verweisen, sich den herausfordernden Bedingungen durch hohe Eigeninitiative zu stellen, um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen und sein Existenzminimum gewährleisten zu können. Dies könne ihm zugemutet werden, da er jung und gesund sei. Der Kläger hat mit seinem Vorbringen zur Begründung des Zulassungsantrags keine konkreten Gründe aufgezeigt, die diese Beurteilung der Verhältnisse in Italien durch das Verwaltungsgericht als zweifelhaft erscheinen lassen, und damit die Möglichkeit einer anderen Entscheidung im Berufungsverfahren nicht dargelegt. Denn aus dem auch von ihm zitierten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ergibt sich – ebenso wie aus dem vom Verwaltungsgericht ebenfalls herangezogenen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von Januar 2020 –, dass es durchaus Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge häufig im Bereich der sogenannten Schattenwirtschaft, etwa in der Pflege, in der Hausarbeit, in der Landwirtschaft und im Tourismussektor gibt. Auch wenn diese Tätigkeiten nach diesen Erkenntnismitteln schlecht bezahlt sind, so ist jedenfalls die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass die hohe Schwelle für die Annahme einer Verletzung von Art. 4 GRC jedenfalls für einen jungen, gesunden und alleinstehenden Flüchtling nach einer Rückkehr nach Italien auch im Hinblick auf die Arbeitsmöglichkeiten nicht überschritten ist, durchaus nachvollziehbar. Hiermit hat der Kläger sich nicht konkret befasst und folglich nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Verhältnisse in Italien anders als durch das Verwaltungsgericht zu beurteilen sein sollten. Soweit er in diesem Zusammenhang wieder auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2021 (– 11 A 1689/20.A –, juris) Bezug nimmt, wonach es sich von vornherein verbiete, Asylsuchende auf die Möglichkeit der Schwarzarbeit zur Existenzsicherung zu verweisen (juris Rn. 137), folgt der Senat dem jedenfalls dann nicht, wenn keine hinreichenden Erkenntnisse darüber vorliegen, dass der betreffende Mitgliedstaat effektiv gegen Schwarzarbeit vorgeht und dem Flüchtling mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Strafverfolgung droht (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27.1.2022 – 1 B 93.21 –, juris Rn. 26). Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat sich anschließt, ist jedenfalls für diesen Fall geklärt, dass das wirtschaftliche Existenzminimum immer dann gesichert ist, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können, wobei zu den im vorstehenden Sinne zumutbaren Arbeiten auch Tätigkeiten zählen, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Touristensaison, ausgeübt werden können, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ angesiedelt sind (BVerwG, Beschluss vom 27.1.2022 – 1 B 93.21 –, juris Rn. 25 m.w.N.).

Original Quelle Niedersachsen.de

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