Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 14. Senat | 14 LA 91/22 | Beschluss | Berücksichtigung eines Freibetrags nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG

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OVG Lüneburg 14. Senat,
Beschluss vom
23.03.2022, 14 LA 91/22, ECLI:DE:OVGNI:2022:0323.14LA91.22.00

§ 2 BAföG, § 25 Abs 3 S 1 Nr 2 BAföG, § 4 BAföG, § 5 BAföG

Verfahrensgang

vorgehend VG Osnabrück, 21. Juli 2021, Az: 4 A 269/20, Gerichtsbescheid

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Osnabrück – 4. Kammer (Einzelrichter) – vom 21. Juli 2021 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Der auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

2

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus dem maßgeblichen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Zulassungsvorbringen nicht.

3

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 -, juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 -, juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 5.1.2022 – 7 LA 51/21 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

4

Hiervon ausgehend stellt die Beklagte mit ihrem Zulassungsvorbringen die Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids nicht durchgreifend in Frage.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. September 2020 verpflichtet, dem Kläger Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz unter Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG (in der vom 1. August 2020 bis zum 31. Juli 2021 gültigen Fassung) im Hinblick auf Frau A., die Schwester des Klägers, zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG (in der vom 1. August 2020 bis zum 31. Juli 2021 gültigen Fassung) die Freibeträge u.a. für Kinder des Einkommensbeziehers um je 570 Euro erhöhten, wenn sie nicht in einer Ausbildung stünden, die nach dem BAföG oder nach § 56 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gefördert werden könne. Diese Voraussetzung sei hinsichtlich der Schwester des Klägers erfüllt. Sie sei an der Universität von Island für ein Geologie-Masterstudium eingeschrieben. Diese Hochschulausbildung im Ausland sei nicht nach dem BAföG förderungsfähig. Gemäß § 4 BAföG sei eine Ausbildung grundsätzlich nur förderungsfähig, wenn sie im Inland durchgeführt werde. Die in § 5 BAföG geregelten Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte lägen bei der Schwester des Klägers nicht vor.

6

Hiergegen wendet die Beklagte ein, ein Masterstudium der Geologie an einer Hochschule sei – sofern es im Inland oder im EU-Ausland absolviert werde – abstrakt förderungsfähig. Zudem handele es sich bei der Universität von Island um eine Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG. Die Entscheidung der Studierenden, das Studium in Island, also weder im Inland noch im EU-Ausland, zu absolvieren, stelle dagegen lediglich eine persönliche Entscheidung dar, die der abstrakten Förderungsfähigkeit des gewählten Masterstudiums der Geologie nicht entgegenstehe. Dieser Einwand greift nicht durch.

7

Voraussetzung für eine Freibetragsgewährung nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG ist, dass die Person, für die der Freibetrag gewährt werden soll, nicht in einer Ausbildung steht, die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder nach § 56 SGB III gefördert werden kann. Dafür ist maßgeblich, ob die Ausbildung abstrakt förderungsfähig ist (vgl. Rauschenberg, in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand: 46. Lfg. 2019, § 25 Rn. 16; Knoop, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 25 Rn. 18). Zu prüfen sind allein abstrakte Kriterien für die Förderungsfähigkeit der Ausbildung und nicht die an die persönlichen Umstände oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Auszubildenden anknüpfenden Voraussetzungen für die Gewährung von Bundesausbildungsförderung. Unerheblich ist daher, ob die Person, für die der Freibetrag gewährt werden soll, tatsächlich Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bezieht (vgl. Rauschenberg, in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand: 46. Lfg. 2019, § 25 Rn. 16 f.; Knoop, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 25 Rn. 18).

8

Dies zugrunde gelegt, ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausbildung der Schwester des Klägers nicht abstrakt förderungsfähig ist. Sie absolviert eine Hochschulausbildung im Ausland. Gemäß § 4 BAföG ist jedoch grundsätzlich nur eine Ausbildung förderungsfähig, die im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland, durchgeführt wird (vgl. auch Pesch, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 4 Rn. 1). Bei Auslandsausbildungen werden Ausbildungen an Ausbildungsstätten im Sinne von §§ 2 und 3 BAföG nur gefördert, wenn die Förderungsvoraussetzungen der §§ 5 oder 6 BAföG vorliegen. Die Vorschriften der §§ 5 und 6 BAföG enthalten daher weitere, die §§ 2 und 3 BAföG ergänzende Regelungen zur abstrakten Förderungsfähigkeit der Ausbildung i.S.v. § 25 Abs. 3 Satz 1 BAföG (so entsprechend zur abstrakten Förderungsfähigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 und 2 BAföG: VG Dresden, Urt. v. 21.2.2014 – 5 K 125/12 -, juris Rn. 31). Wenn eine Berufsausbildung im Ausland absolviert wird, fehlt es bereits an der grundsätzlichen Förderungsfähigkeit der Ausbildung und nicht lediglich an einer persönlichen Förderungsvoraussetzung beim Auszubildenden. Ob eine Auslandsausbildung dem Grunde nach förderungsfähig ist, lässt sich alleine nach den in §§ 5, 6 BAföG normierten abstrakten Kriterien klären und bedarf keiner individuellen Ermittlung der persönlichen Verhältnisse des Auszubildenden. Gestützt wird diese Annahme auch durch die systematische Stellung der §§ 4 bis 6 BAföG im Abschnitt I des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, der die amtliche Überschrift „Förderungsfähige Ausbildung“ trägt. Die Vorschriften in diesem Abschnitt regeln im Wesentlichen die Anforderungen an die (abstrakte) Förderungsfähigkeit einer Ausbildung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.6.1988 – 5 C 59/85 -, juris Rn. 18; NdsOVG, Beschl. v. 16.1.2014 – 4 LC 41/12 -, juris Rn. 23 m.w.N. sowie [zu einer Ausnahme] BVerwG, Urt. v. 28.5.2015 – 5 C 4.14 -, juris Rn. 9). In Abschnitt II des Bundesausbildungsförderungsgesetzes werden dann die „Persönlichen Voraussetzungen“ für die Leistungsgewährung geregelt, wie Staatsangehörigkeit, Eignung und Alter.

9

Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht es daher für die Annahme einer abstrakten Förderungsfähigkeit einer Ausbildung nicht aus, dass sie an einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG, nämlich an einer Hochschule, absolviert wird. Das Bundesausbildungsgesetz normiert im Abschnitt I vielmehr weitere abstrakte Kriterien für die Förderungsfähigkeit der Ausbildung (dazu, dass alleine das Abstellen auf die Art der Ausbildungsstätte nicht ausreicht, vgl. bereits: BVerwG, Urt. v. 9.2.1982 – 5 C 62/80 -, juris Rn. 39).

10

Dass es sich bei der Wahl der Auslandsausbildung um eine persönliche Entscheidung der Schwester des Klägers handelt, ändert an diesem Ergebnis nicht. Die Wahl einer Ausbildung stellt stets eine persönliche Entscheidung dar, dies führt aber nicht schon dazu, dass die Ausbildung auch abstrakt förderungsfähig ist, weil der Betreffende sich auch für eine förderungsfähige Ausbildung hätte entscheiden können.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

 


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