Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 15. Senat | 15 KF 2/19 | Urteil | Erledigung der vorläufigen Besitzeinweisung mit der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans

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OVG Lüneburg 15. Senat,
Urteil vom
13.04.2022, 15 KF 2/19, ECLI:DE:OVGNI:2022:0413.15KF2.19.00

§ 142 Abs 2 FlurbG, § 44 Abs 1 FlurbG, § 44 Abs 4 FlurbG, § 63 Abs 1 FlurbG, § 65 FlurbG, § 66 Abs 3 FlurbG, § 8 Abs 1 FlurbG, Art 19 Abs 4 GG, § 113 Abs 1 S 4 VwGO

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Zur Abgeltung der dem Gericht entstandenen baren Auslagen wird gegen die Klägerin ein Pauschsatz in Höhe von 1.000 EUR festgesetzt; daneben wird eine Gerichtsgebühr nach einem Streitwert von 10.000 EUR erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die vorläufige Besitzeinweisung im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren Heeke-Wallen und begehrt den Ausschluss ihres Betriebs bzw. ihrer Flächen aus dem Flurbereinigungsverfahren.

2

Das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren Heeke-Wallen wurde von dem Rechtsvorgänger des Beklagten, dem Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen (LGLN), Regionaldirektion Osnabrück, mit Beschluss vom 10. Juni 2011 für Teile der Gemarkungen Heeke, Wallen, Alfhausen und geringfügige Flächenanteile der Gemarkung Thiene im Bezirk der Gemeinde Alfhausen, in den Gemarkungen Diest und Rieste im Bezirk der Gemeinde Rieste sowie in der Gemarkung Balkum im Bezirk der Stadt Bramsche und in der Gemarkung Woltrup-Wehbergen im Bezirk der Stadt A-Stadt, im Landkreis Osnabrück angeordnet.

3

Das Flurbereinigungsgebiet umfasste bei Einleitung rund 1.461 ha und hat 417 Teilnehmer.

4

Die Klägerin legte keinen Widerspruch gegen die Einleitung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahren ein.

5

Mit Beschluss vom 4. August 2014 stellte der Beklagte die Wertermittlungsergebnisse fest. Hiergegen legte die Klägerin ebenfalls keinen Widerspruch ein.

6

Die Klägerin ist im vorliegenden Verfahren mit der Ordnungsnummer 177 und mit einer Fläche von 74,5104 ha, bewertet mit 3.883,09 WV, im Altbestand beteiligt. Davon sind u. a. 48,7578 ha Ackerland (3.330,20 WV), 11,4156 ha Grünland (485,40 WV), 2,4338 ha Holzung-Laubwald (24,34 WV) und 3,2829 ha Holzung-Mischwald (32,83 WV). Die eingebrachten 28 Flurstücke bilden eine zusammenhängende Fläche, die den nördlichen Zipfel des Flurbereinigungsgebiets ausmachen. Die Fläche stellt deshalb an ihren nordwestlichen, nördlichen und nordöstlichen Seiten die Grenze des Flurbereinigungsgebiets Heeke-Wallen dar. An ihre südliche Seite schließt sich das weitere Flurbereinigungsgebiet an. Die Flächen gehören zu einer Eigenjagd im Umfang von insgesamt 79 ha.

7

Eine von der Klägerin und ihren beiden Schwestern gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts war unter der Ordnungsnummer 151 in dem früher durchgeführten Flurbereinigungsverfahren A-Stadt – B 68 beteiligt. In einer Verhandlung am 11. August 2010 in jenem Flurbereinigungsverfahren vereinbarte das Amt für Landentwicklung Osnabrück (GLL) mit der Klägerin, die in Vollmacht der Gesellschafterinnen auftrat:

8

„1. Nach dem Flurbereinigungsplan in der Flurbereinigung A-Stadt erhält die ONR. 151 für die eingelegte Altfläche zusammen 3,8210 ha als Abfindung neue Flurstücke mit insgesamt 3,7063 ha. Unter Berücksichtigung des allgemeinen Landabzugs nach § 47 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) ist damit eine Landminderabfindung von 4,86 WV entsprechend 2.430 € verbunden. Für abgegebenen Holzbestand erhält ONR. 151 einen Geldausgleich von 5.000 € (§ 50 FlurbG). Nach dem Flurbereinigungsplan A-Stadt ergibt sich eine Gesamtforderung von 7.430 € gegenüber der Flurbereinigungskasse.

9

2. ONR. 151 verzichtet hiermit auf die Auszahlung des obengenannten Betrages zugunsten der Flurbereinigungskasse des neu einzuleitenden Verfahrens Heeke-Wallen. Die Flurbereinigungskasse A-Stadt leistet also den Betrag von 7.430 € an die Teilnehmergemeinschaft Heeke-Wallen, sobald dort das geplante vereinfachte Flurbereinigungsverfahren eingeleitet ist. Sollte das Verfahren Heeke-Wallen nicht bis zum 31.12.2011 eingeleitet werden, fällt der Auszahlungsanspruch gegenüber der Flurbereinigungskasse A-Stadt wieder an die ONR. 151 in Höhe von 7.430 € zurück

10

3. Als Gegenleistung für diese Forderungsabtretung erhält die GbR A. in dem neu einzuleitenden Flurbereinigungsverfahren Heeke-Wallen einen Zugang im Abfindungsanspruch von 14,86 WV unter der Voraussetzung, dass diese Flurbereinigung bis zum 31.12.2011 eingeleitet wird. Es wird zugesichert, dass dieser Anspruch nach Verrechnung mit einem eventuellen Landabzug nach § 47 FlurbG wie folgt abgefunden wird:

11

a) Landabfindung zur Arrondierung des in Heeke bestehenden Landbesitzes (Grundbuch von Heeke Blatt 305)

12

b) Landabfindung prioritär in Acker, soweit dies nicht unter der ersten Bedingung nicht erreicht werde, Landabfindung auch in Grünland und nötigenfalls auch in Waldfläche.

13

4. In dem neu einzuleitenden Verfahren Heeke-Wallen wird die GbR A. mit einer Eigentumsfläche von derzeit insgesamt 74,4864 ha beteiligt sein. Bei der Beitragsbemessung nach § 19 FlurbG wird die größere Waldfläche Flurstück G. der Flur H. (4,43 ha) gemäß § 85 Nr. 3 FlurbG und die Flächen des Gewässers Hase und die östlich davon liegenden Flächen (zusammen ca. 23,40 ha) gemäß § 19 Absatz 2 FlurbG zu befreien sein. Auf der Basis eines Beitragssatzes von 160 € ergibt sich eine einmalige Belastung von 7.465 €.

14

Für den Fall, dass die vereinfachte Flurbereinigung Heeke-Wallen bis zum 31.12.2011 eingeleitet wird, ist Frau A. bereit, bis zum 31.12.2011 den Betrag mit 7.360 € an die neue Flurbereinigungskasse zu zahlen. Damit sind die Beitragsansprüche der Flurbereinigungskasse abschließend erfüllt.

15

5. Die Erklärungen werden hiermit unwiderruflich abgegeben. Einvernehmliche Änderungen bedürfen der Schriftform.“

16

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im abgeschlossenen Flurbereinigungsverfahren „A-Stadt – B 68“ als Teilnehmerin geführt worden war, wurde nach Abschluss jenes Flurbereinigungsverfahrens aufgelöst.

17

Die unter der Ordnungsnummer 177 eingebrachten Einlageflächen im vorliegenden vereinfachten Flurbereinigungsverfahren Heeke-Wallen stehen im Alleineigentum der Klägerin. Die Flächen sind nach Angaben der Klägerin verpachtet. Das Gut I. ist vermietet.

18

In einer Verhandlung am 5. Oktober 2015 einigten sich die Beteiligten darauf, dass der Anspruch der Klägerin auf Landabfindung 3.894,82 WV betrage. Vorgesehen sei eine Landzuteilung mit 76,0510 ha entsprechend 3.901,88 WV. Dies ergebe eine Landmehrabfindung von 7,06 WV, unter Berücksichtigung eines Umrechnungsfaktors von 800 EUR pro Werteinheit in Höhe von 5.648 EUR, die von der Klägerin ausgeglichen werden müsse. Der Beklagte behielt sich vor, dass die endgültige Landabfindung hinsichtlich der Gestalt der neuen Flächen und der Größenangaben geringfügig von dem Zuteilungsentwurf abweichen könne und er die Planung im Interesse einer wertgleichen Zuteilung aller Beteiligten noch ändern dürfe.

19

In einer Verhandlung am 20. Oktober 2016 wurde ein Zuteilungskonzept wegen der Verschiebung einer Ackergrenze besprochen. Der Klägerin wurden drei Varianten vorgestellt. Eine Einigung kam nicht zustande.

20

Mit Schreiben vom 4. November 2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass der Abfindungsanspruch nunmehr 3.907,28 WV betrage. Die Grenzen im Neubestand seien praktisch alt wie neu vermessen worden. Die Neuvermessung nach der Landzuteilung habe eine Landmehrabfindung von 10,56 WV (Neuvermessungsdifferenz) ergeben. Die im Zeitpunkt der Verhandlung vom 5. Oktober 2015 zugrunde gelegte Flächenangabe sei deshalb nicht mehr korrekt, zumal eine Fläche noch ausgeschlossen und ein Flächenstreifen abgetrennt werden sollten. Der Klägerin wurden erneut drei Varianten vorgeschlagen.

21

Die Klägerin erklärte sich mit diesen Varianten gemäß ihrem Schreiben vom 9. Dezember 2016 nicht einverstanden. Sie verwies darauf, dass ihr in der Vereinbarung vom 11. August 2010 zugesichert worden sei, sie werde wegen des ihr zustehenden Anspruchs zur Arrondierung des Landbesitzes prioritär in Acker abgefunden. Bei den an ihren Flächen anliegenden Gräben handele sich um Gewässer zur gemeinschaftlichen Nutzung bzw. um einem gemeinschaftlichen Interesse dienende Anlagen. Sie wolle die Gräben nicht haben, weil zu befürchten sei, dass der Eigentümer bei zukünftigen Arbeiten kostenpflichtig sei.

22

In einer weiteren Verhandlung am 20. April 2017 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Gewässer würden antragsgemäß als Anliegereigentum ausgewiesen. Die Flächen rechtsseits der Hase (östlich) würden vereinbarungsgemäß beitrags- und abzugsfrei bleiben. Es ergäbe sich ein Abfindungsanspruch von nunmehr 3.897,50 WV. Bei dieser Berechnung seien die Gräben im Neubestand so herausgemessen worden, wie sie in der Örtlichkeit bestünden. Im alten Kataster seien sie noch schmaler ausgewiesen gewesen. Außerdem wurde der Klägerin ein 1,04 ha (41,54 WV) großes Flurstück zum Preis von 32.000 EUR angeboten.

23

In einem Gespräch am 24. April 2017 teilte der Beklagte der Klägerin u. a. mit, dass sich durch die Herausnahme der Gräben, die nun breiter vermessen worden seien, die ursprüngliche Flächengröße von 74,5104 ha auf 74,0907 ha verkleinern würde. Er wies wiederum darauf hin, dass das Waldflurstück G., Flur H., das Hasegrundstück und die östlich davon liegenden Flächen vom Landabzug befreit würden.

24

Mit Schreiben vom 4. Mai 2017 beanstandete die Klägerin u. a., dass eine Entschädigung für die Herausnahme der Flächen, um die die Gräben verbreitert worden seien, nicht vorgesehen sei. Sie lege vorsorglich Widerspruch gegen die Herausnahme dieser Flächen ein. Eine jagdliche Einrichtung müsse aufgrund der Änderung einer Grenze entfernt werden. Sie sehe durch die angedachten Maßnahmen ihren Eigenjagdbezirk als gefährdet an. Das für 32.000 EUR angebotene Flurstück wolle sie nicht kaufen. Sie beantragte, ihren arrondierten Grundbesitz vollständig aus dem Flurbereinigungsverfahren herauszunehmen und auszuschließen.

25

Der Beklagte ordnete mit Beschluss vom 4. August 2017 zum 1. Oktober 2017 die vorläufige Besitzeinweisung an. Zugleich ordnete er gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung an.

26

Der Klägerin wurde im Wesentlichen ihr Grundbesitz alt wie neu zugewiesen. Im westlichen Bereich wurde ein kleines Teilstück der Flächengrenze begradigt, ebenso im Süden ein Haseflurstück. Außerdem wurden die Flächen, um die die Grabenflurstücke verbreitert wurden, aus dem Altbestand herausgenommen.

27

Der zusammenhängend zugewiesene Neubestand umfasst gemäß dem Nachweis über Anspruch und Abfindung vom 17. Juli 2017 zehn Flurstücke von insgesamt 74,0907 ha mit 3.892,51 WV, davon 48,9235 ha Ackerland (3.340,98 WV), 11,3972 ha Grünland (484,50 WV), 2,4407 ha Holzung-Laubwald (24,41 WV) und 3,2778 ha Holzung-Mischwald (32,78 WV). In dem Nachweis über Anspruch und Abfindung wurde zunächst ein allgemeiner Landabzug von 12,91 WV berücksichtigt (0,50 % auf 2.582,64 WV; 1.300,45 WV betreffend die westliche Waldfläche und die Flächen östlich der Hase blieben gemäß Nr. 4 der Vereinbarung vom 11.8.2010 beitrags- und abzugsfrei), was einen Abfindungsanspruch von 3.870,18 WV ergab. Sodann wurden Veränderungen wegen der Aufteilung gemeinschaftlichen Eigentums von 0,66, 1,17 und 0,07 WV (insgesamt 1,90 WV) sowie wegen der Sonderregelung in der Vereinbarung vom 11. August 2010 in Höhe von 14,86 WV und schließlich wegen einer Neuvermessungsdifferenz von 10,56 WV, also insgesamt in Höhe von 27,32 WV dem Abfindungsanspruch hinzugerechnet. Der (voraussichtliche) endgültige Anspruch wurde auf 3.897,50 WV festgesetzt. Dies ergab eine unvermeidbare Landminderabfindung von 4,99 WV. Unter Berücksichtigung eines Kapitalisierungsfaktors von 800 EUR/WV wurde ein an die Klägerin auszuzahlender Geldausgleich von 3.992 EUR errechnet.

28

Die Klägerin trug mit Schreiben vom 17. August 2017 vor, die Vereinbarung vom 11. August 2010 sei nicht erfüllt worden. Ihr stehe ein Anspruch auf Zuteilung einer zusätzlichen Fläche im Umfang von 14,86 WV aus dem Flurbereinigungsverfahren A-Stadt – B 68 zu. Sie habe einen vor der Flurbereinigung arrondierten Betrieb in das Flurbereinigungsverfahren eingebracht. Durch die vorläufige Besitzeinweisung habe sie keinerlei Vorteil in Bezug auf die Landzuteilung. Vielmehr müsse sie einen Flächenverlust wegen eines breiteren Ausbaus der Gräben zwischen den neuen Flächen, wegen einer minimalen Verschiebung der Grenze im Bereich des Flurstücks J. und K. sowie wegen einer Begradigung der Wasserfläche im Bereich des Flurstücks L. hinnehmen. Daraus resultiere ein Flächennachteil von etwa 0,5 ha. Sie habe zur Finanzierung des Straßen- und Wegeausbaus im Flurbereinigungsgebiet Heeke-Wallen einen Betrag in Höhe von 7.360 EUR an die Flurbereinigungskasse gezahlt. Davon profitiere sie nicht, weil sämtliche landwirtschaftlichen Flächen, die zur Hofstelle zählten, über Privatwege erreicht werden könnten, die sie bzw. ihr(e) Pächter unterhalten müssten. Sie werde zweifach zu den Kosten des Verfahrens herangezogen. Zum einen habe sie 7.360 EUR an die Flurbereinigungskasse gezahlt. Zum anderen werde sie über den Landabzug in Höhe von 12,91 WV erneut an den Kosten für das Verfahren und die Bereitstellung von Land herangezogen. Sie beantrage die Änderung des Flurbereinigungsgebiets Heeke-Wallen dergestalt, dass ihre Flächen aus dem Verfahrensgebiet ausgeschlossen würden. Hilfsweise beantrage sie, sie vom Flächenabzug freizustellen und ihr in der Größenordnung von 40,23 WV Ackerfläche, alternativ Grünland oder Waldfläche zur Verfügung zu stellen. Äußerst hilfsweise sei sie bereit, unter bestimmten, von ihr vorgeschlagenen Bedingungen an einer Lösung des Konflikts mitzuwirken.

29

Mit Schreiben vom 29. August 2017 teilte die Klägerin mit, dass sie die in ihrem Schreiben vom 17. August 2017 gerügten Punkte als Widerspruch gegen die vorläufige Besitzeinweisung verstanden haben möge.

30

In einer Verhandlung am 29. August 2017 teilte der Beklagte der Klägerin u. a. mit, dass eine Herausnahme der Flächen aus den Flurbereinigungsgebiet ausgeschlossen sei, weil der Wegebau und die Vermessung abgeschlossen seien. Vorteile für die Klägerin bestünden aus dem Ausbau der Gemeindewege E-Nr. 12 „Im Twiestel“ und E-Nr. 11 „Meppenburg“. Aufgrund ungenauer alter Messungen und der Inhomogenität des alten Katasters sei eine erhebliche Neuvermessungsdifferenz festgestellt worden. Diese Fläche sei nicht vorhanden und könne nicht ausgewiesen werden. Aus der Neuvermessung resultiere ein Zugang im Abfindungsanspruch i. H. v. 10,56 WV. Dieser hebe den Landabzug im Umfang von 12,91 WV fast wieder auf.

31

Der Beklagte teilte der Klägerin am 11. Dezember 2017 mit, dass es Flächenabgänge im Bereich des Hochsitzes und des südlichen Bereiches der Hase gegeben habe. Am Hochsitz und bei einem Grenzausgleich an der nördlichen Grenze sei die Grenze in die Mitte des Grabens verlegt worden. Der Flächenverlust betrage 210 m². Im südlichen Bereich der Hase betrage der Flächenverlust aufgrund der Neuvermessungsdifferenz ca. 830 m².

32

Der Flurbereinigungsplan im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren Heeke-Wallen wurde im Anhörungstermin am 13. Dezember 2018 bekannt gemacht. Die Abfindung der Klägerin durch den Flurbereinigungsplan entsprach gemäß dem Nachweis über Anspruch und Abfindung vom 28. März 2019 derjenigen der vorläufigen Besitzeinweisung. Hinzu kam ein Geldausgleich wegen Sonderregelungen zugunsten der Klägerin in Höhe von 5.848,59 EUR. Dies ergab einen Geldanspruch der Klägerin von insgesamt 9.840,59 EUR (3.992 EUR + 5.848,59 EUR).

33

Gegen den Flurbereinigungsplan legte die Klägerin im Anhörungstermin Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen mit denselben Einwänden begründete, die sie im Widerspruchsverfahren gegen die hier streitgegenständliche Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung erhoben hat. Über den Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan ist bislang nicht entschieden worden.

34

Der Beklagte wies den Widerspruch gegen die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2019 zurück mit der Begründung, dem angestrebten Ausschluss der Flächen der Klägerin aus dem Flurbereinigungsverfahren könne nicht entsprochen werden, weil es sich nicht um eine geringfügige Änderung nach § 8 Abs. 1 FlurbG handeln würde. Ein Anspruch auf nachträglichen Ausschluss bestehe darüber hinaus nicht. Der Ausschluss der Flächen könne insbesondere dann erforderlich werden, wenn der Zweck der Flurbereinigung ohne die Flächen besser erreicht werden könne. Dies sei hier nicht der Fall. Das Verfahrensgebiet sei so abgegrenzt worden, dass eine Verbesserung des Wegenetzes und Maßnahmen zugunsten der Entwicklung ökologischer Anlagen in Randbereichen von Gewässern zweiter Ordnung erfolgen könnten. Der Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes gehe ins Leere, weil eine Klage innerhalb der Frist des § 142 Abs. 2 FlurbG nicht erhoben worden sei. Außerdem habe die Klägerin keinen Rechtsbehelf gegen den Einleitungsbeschluss vom 10. Juni 2011 eingelegt. Die vorläufige Besitzeinweisung sei formell und materiell rechtmäßig. Es bestehe weder ein offensichtlich grobes Missverhältnis zum Wert der Einlage noch werde unzumutbar in die Struktur des Betriebs eingegriffen. Die aus der Neuzuteilung von 3.892,51 WV resultierende Minderabfindung von 4,99 WV sei als Geldabfindung ausgewiesen worden. Die Landabfindung weiche in den Nutzungsarten von dem Altbesitz nur geringfügig ab. Die Klägerin profitiere von Maßnahmen. So dienten beispielsweise die ausgebauten Wege E-Nr. 11 („M.“) und E-Nr. 12 („Zum N.“) auch der Erschließung der Betriebsflächen der Klägerin. Die Flurbereinigung sei ein sog. gestuftes Verwaltungsverfahren. Die von der Klägerin in diesem Verfahren aufgeworfenen Fragen würden im Rahmen des zwischenzeitlich anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Flurbereinigungsplan zu erörtern sein.

35

Die Klägerin hat am 11. März 2019 Klage erhoben.

36

Nach Klageerhebung ist am 28. Februar 2022 die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans in der Fassung der Nachträge I – III gemäß § 63 Abs. 1 FlurbG angeordnet worden. Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.

37

Die Klägerin wiederholt zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und trägt vor, mit ihrem Begehren verfolge sie drei Teilanträge. Sie wende sich gegen die Ablehnung auf Herausnahme ihres Altbesitzes aus dem Flurbereinigungsverfahren und gegen die vorläufige Besitzeinweisung betreffend die nicht berücksichtigte Zuteilung von 14,86 WV sowie gegen die vorläufige Besitzeinweisung insgesamt.

38

Sie macht geltend, ihre vollständig arrondierten Flächen hätten keinen Vorteil aus der Flurbereinigung. Ihr sei in dem früheren Flurbereinigungsverfahren zugesichert worden, ihre Abfindung von 14,86 WV in Ackerland zu erhalten. Hierzu hat sie eine Karte vorgelegt, aus der ersichtlich sei, wo das eingebrachte Land gelegen habe, dessen Berücksichtigung als Abfindungsfläche im hier streitigen Flurbereinigungsverfahren zugesichert worden sei. Dadurch, dass ihr der noch offene Flächenanspruch von 14,86 WV vorenthalten werde, erleide sie erhebliche finanzielle Nachteile. Sie wirtschafte bereits seit 2009 ohne diese Fläche. Die Angaben zu ihrem Altbestand hätten sich während des Verfahrens zu ihren Lasten geändert, und der von dem Beklagten behauptete Altbestand von 74,5104 ha (3.883,09 WV) treffe bereits nicht zu. In einer Verhandlung vom 5. Oktober 2015 sei ihr Abfindungsanspruch auf 3.894,82 WV festgeschrieben worden. Im weiteren Verfahren habe er sich aber dann zu ihrem Nachteil auf 3.817,18 WV reduziert. Sie müsse einen Flächenverlust von etwa 0,5 ha wegen eines breiteren Ausbaus der Gräben und der Begradigung einer Wasserfläche hinnehmen. Aufgrund einer Grenzveränderung habe sie jagdrechtliche Nachteile, weil sich eine für die Jagd erforderliche Einrichtung auf ihrer Altfläche befinde, die ihr nicht erneut zugeteilt werde. Sie habe zur Finanzierung des Straßen- und Wegebaus bereits einen Betrag von 7.360 EUR an die Flurbereinigungskasse gezahlt, obwohl sie selbst von dem Ausbau der Straßen nicht profitiere. Ihr vollständig arrondierter Betrieb liege an einer Privatstraße, die sie selbst bzw. ihr(e) Pächter unterhalten würden und unterhalten müssten. Ein Ausbau dieser Straße, die auch von anderen Landwirten in und außerhalb des Verfahrensgebietes benutzt würde, sei durch die Flurbereinigung nicht geplant. Die öffentliche Straße, für die sie Kosten habe zahlen müssen, habe für sie keinen Vorteil, da sämtliche landwirtschaftlichen Flächen, die zur Hofstelle zählten, ausschließlich über Privatwege erreicht werden könnten. Sie werde doppelt belastet, weil sie bereits 7.360 EUR an die Flurbereinigungskasse gezahlt habe und über den Landabzug in Höhe von 12,91 WV erneut an den Kosten für das Verfahren und die Bereitstellung von Land beteiligt werde. Sie erleide einen weiteren Flächenverlust von 0,5763 ha durch Neuvermessung. Sie habe im Jahr 2014 mehr Acker (563 m² und 3,43 WV) als im Jahre 2017/2018 gehabt. Auch insofern habe sie einen Nachteil erlitten. Ihr sei im Rahmen der Flurbereinigung ein Wall mit alten Eichen „abhandengekommen“. Dadurch erleide sie einen Holzverlust in Höhe von 15.000 EUR. Weitere 830 m² seien dem Nachbarn zugesprochen worden, da dieser die Grenze überpflügt habe. Tatsächlich stehe diese Fläche aber in ihrem – der Klägerin – Eigentum. Sie erleide insgesamt einen Schaden von 103.412,98 EUR:

39

Vorenthaltung eines Flächenanspruchs aus dem vorherigen Verfahren in Höhe von 14,86 WV (Berechnung alt x 500 EUR = 7.340 EUR) Berechnung neu x 800 EUR

11.744 EUR

Pachtverlust 2009 – 2019

 6.375 EUR

Unrechtmäßige Erhebung der Kosten für den Straßenausbau in Höhe von 7.325,98 EUR, obwohl die Klägerin keinen Vorteil aus der Flurbereinigung hat

 7.325,98 EUR

Abzug von Flächen Einmessungsdifferenzen (0,5763 ha) Substanzverlust

46.000 EUR

830 m² Zuteilung an Nachbarn Substanzverlust

 6.640 EUR

Landabzug in Höhe von (12,91 WV) x 800 EUR

10.328 EUR

Waldverlust Substanzverlust

15.000 EUR

 Gesamtschaden durch die Flurbereinigung

 103.412,98 EUR

40

Aufgrund dieses wirtschaftlichen Schadens bestehe ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und vorläufiger Abfindung. Da sie, die Klägerin, nicht die Fläche erhalten habe, die ihr zustehen würde, sei ihr ein erheblicher Schaden entstanden, der für einen Hof dieser Größe eine große Einbuße und ein betriebswirtschaftlicher Schaden sei. Wegen dieses Schadens werde unzumutbar in die Struktur ihres Betriebs eingegriffen. Der Vortrag der Beklagten, der Ackeranteil habe sich gegenüber der Einlage vergrößert, sei unzutreffend. Vielmehr werde ihr Abfindungsanspruch aus dem vorherigen Verfahren vollständig aufgezehrt, was für sie einen unzumutbaren Eingriff in die Struktur ihres Betriebes darstelle. Auch die Befreiung vom Landabzug entspreche nicht der Vereinbarung vom 11. August 2010.

41

Auf den richterlichen Hinweis auf die gemäß § 66 Abs. 3 FlurbG endenden rechtlichen Wirkungen der vorläufigen Besitzeinweisung durch die vorzeitige Ausführungsanordnung vom 28. Februar 2022 trägt die Klägerin vor, das Klageverfahren werde nicht wegen der Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans für erledigt erklärt. Die vorläufige Besitzeinweisung sei durch die Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans überholt worden. Dies sei darauf zurückzuführen, dass das Klageverfahren drei Jahre lang keine Förderung erfahren habe. Damit sei ihr Rechtsschutz entgegen Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verkürzt worden. Insoweit müsse man über eine teleologische Reduktion der Norm des § 66 Abs. 3 FlurbG nachdenken. Im Übrigen habe sie ein erhebliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorläufigen Besitzeinweisung, da ihr durch diese ein erheblicher Schaden entstanden sei, weshalb sie beabsichtige, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen.

42

Ihr stehe ein Anspruch auf Herausnahme ihres arrondierten Betriebs aus dem Flurbereinigungsverfahren zu. Der Beklagte könne sich nicht auf § 142 Abs. 2 FlurbG berufen, weil die Klägerin aufgrund der Verhandlungen und des Schriftwechsels zwischen den Beteiligten habe annehmen dürfen, dass über ihren Antrag auf Herausnahme ihrer Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet noch entschieden werde. Eine Herausnahme ihrer Flächen sei nach § 8 FlurbG noch bis zur Rechtskraft der Ausführungsanordnung möglich und zulässig. Dies sei auch sach- und ermessensgerecht. § 8 FlurbG gebe nicht nur der Behörde einen Anspruch auf Veränderung des Flurbereinigungsgebiets. Man könne ihr nicht vorhalten, dass sie nicht gegen den Einleitungsbeschluss vorgegangen sei. Sie sei darüber getäuscht worden, dass ihr noch Land zugeteilt werden würde. Ein Mitarbeiter des Beklagten habe ihr bei einer Verhandlung am 20. April 2017 auf mehrfache Nachfrage bestätigt, dass die Möglichkeit bestanden habe, sie aus dem Verfahren auszuscheiden. Sie sei über diesen Umstand nicht richtig belehrt, sondern getäuscht worden.

43

Die Klägerin beantragt,

44

1. die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 4. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2019 aufzuheben,

45

hilfsweise,

46

festzustellen, dass die vorläufige Besitzeinweisung in Bezug auf die Klägerin rechtswidrig gewesen ist und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist,

47

2. die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 4. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2019 insoweit aufzuheben, als der Antrag der Klägerin auf Herausnahme ihres Anspruchs auf 14,86 WV aus der Flurbereinigung A-Stadt B68 abgelehnt worden ist,

48

3. die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 4. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2019 insoweit aufzuheben, als dem Anspruch der Klägerin auf Herausnahme des vollständig arrondierten Betriebs „Gut N.“ nicht entsprochen worden ist.

49

Der Beklagte beantragt,

50

die Klage abzuweisen.

51

Der Beklagte wiederholt im Wesentlichen seine Begründung in dem Widerspruchsbescheid und führt aus:

52

Die Klage sei bezogen auf die begehrte Herausnahme der Flächen der Klägerin aus dem Flurbereinigungsgebiet gemäß § 142 Abs. 2 FlurbG unzulässig. Ihr Antrag gemäß Schreiben vom 4. Mai 2017 auf Ausschluss ihrer Flächen aus dem Verfahren sei nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten beschieden worden. Es sei nicht innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten Klage erhoben worden. Die Klage auf Ausschluss der Flächen sei auch unbegründet. Denn die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens durch Beschluss vom 10. Juni 2011 sei gegenüber der Klägerin unanfechtbar. Die Einbeziehung der Flächen der Klägerin sei ausdrückliches Thema von Gesprächen im Vorfeld der Anordnung gewesen. Hieraus resultiere die Verhandlungsniederschrift vom 11. August 2010, mit der einzelne Abfindungsfragen sowie Beitrags- und Landabzugsfragen vereinbart worden seien. Ein nachträglicher Ausschluss der Flächen der Klägerin wäre an den Voraussetzungen des § 8 FlurbG zu messen gewesen. Er wäre jedoch in keiner Weise sach- und ermessensgerecht. Denn neben dem erfolgten Wegeausbau hätten im Verfahrensgebiet Vermessungsarbeiten stattgefunden. Dies sei unter Einbeziehung der Flächen der Klägerin (Umringungsgrenze – Feststellung von Neuvermessungsdifferenzen) und auch direkt bezogen auf den Grundbesitz der Klägerin geschehen insofern, als die vom Kataster abweichende örtliche Lage von Gewässern und Wegen festgestellt und vermessen worden sei.

53

Die vorläufige Besitzeinweisung sei rechtmäßig gewesen. Die Voraussetzungen des § 65 FlurbG seien hinreichend beachtet worden. Für die Klägerin sei die auch nur vorübergehende Nutzung der Zuteilungsflächen bis zur Ausführung des Flurbereinigungsverfahrens nicht unzumutbar. Es bestünde weder ein offensichtlich grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung noch werde unzumutbar in die Struktur des Betriebes der Klägerin eingegriffen. Die Altflächen und die Landabfindung würden sich sowohl von der Lage als auch von der Größe her nur marginal unterscheiden. Die Verschiebung der Nutzungsarten sei ebenfalls nur geringfügig. Auch die ausgewiesene Minderabfindung von 4,99 WV vermöge bei einer Einlage von insgesamt 3.883,09 WV kein grobes Missverhältnis zu begründen. Der Klägerin sei die Neuvermessungsdifferenz gutgeschrieben worden. Der Anspruch aus dem Flurbereinigungsverfahren A-Stadt sei dazugeschlagen worden. Daraus ergebe sich kein grobes Missverhältnis.

54

Soweit die Klägerin die Wertgleichheit der Landabfindung rüge, sei dies Sache des Flurbereinigungsplans und würde in dem Widerspruchsverfahren gegen den Flurbereinigungsverfahren behandelt. Abgesehen davon, sei der verbliebene Abfindungsanspruch von 14,86 WV aus der abgeschlossenen Flurbereinigung A-Stadt – B 68 als Zugang im Anspruch berücksichtigt worden. Wie der Vergleich alt – neu belege, habe sich der Ackeranteil in der Abfindung gegenüber der Einlage auch vergrößert, und zwar um 10,78 WV bzw. 0,1657 ha. Eine Doppelbelastung in der Form, dass die Klägerin einerseits zum Landabzug herangezogen worden sei und ihr gleichzeitig für einen Grabenausbau Flächen entzogen worden seien, sei nicht erfolgt. Es habe überhaupt kein Gewässerausbau im Bereich der Flächen der Klägerin stattgefunden. Vielmehr seien die vorhandenen Gewässer (die „Hase“ und Gräben) entsprechend der Örtlichkeit eingemessen worden. Die bisherige Ausweisung im Kataster sei falsch und teilweise irreführend. Dem rechnerischen Landabzug von 12,91 WV stehe eine im Zuge der Vermessung ermittelte positive Neuvermessungsdifferenz von 10,56 WV gegenüber, so dass der Landabzug faktisch vor Ort kaum Wirkungen entfalte. Im Übrigen seien Teile des klägerischen Grundbesitzes (Gewässer „Hase“ und östlich davon gelegenen Flächen) vom Landabzug befreit. Der Waldanteil habe sich sogar geringfügig um 0,12 WV bzw. 0,0118 ha vergrößert. Der mit Eichen bestandene Wall werde neu vermessen und wieder für die Klägerin ausgewiesen. Die erfolgte Blockvermessung sei in der Tat fehlerhaft gewesen. Die Jagdeinrichtung (Kanzel) stehe nach wie vor auf dem Grundstück der Klägerin. Durch den Ausbau der Wege „M.“ und „Zum I.“ sei die äußere Erschließung der Eigentumsflächen der Klägerin verbessert worden. Die Klägerin sei teilweise von den Beiträgen entsprechend der Vereinbarung vom 11. August 2010 befreit. Auch aus den von der Klägerin angeführten Einzelpunkten und der Schadensaufstellung lasse sich kein unzumutbarer Eingriff in die Struktur des Betriebes der Klägerin ableiten.

55

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 13. April 2022 beantragt, Beweis zu erheben zu der Tatsache, dass ihr am 20. April 2017 auf mehrfache Nachfrage bestätigt worden sei, dass die Möglichkeit bestanden habe, sie aus dem Verfahren auszuscheiden und sie über diesen Umstand nicht richtig belehrt worden sei, durch Vernehmung des Zeugen Herrn O. P..

56

Der Senat hat den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung abgelehnt mit der Begründung, dass die unter Beweis gestellt Tatsache als wahr unterstellt werde und für die Entscheidung nicht erheblich sei.

57

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

58

Die Klage hat keinen Erfolg.

59

Der Klageantrag zu 1. ist unzulässig (s. u. Ziffer 1). Der Hilfsantrag zum Klageantrag zu 1. hat keinen Erfolg (s. u. Ziffer 2). Der Klageantrag zu 2. ist unzulässig (s. u. Ziffer 3). Der Klageantrag zu 3. ist zum Teil unzulässig (s. u. Ziffer 4 a) und – soweit er zulässig ist – unbegründet (s. u. Ziffer 4 b).

60

1. Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin mit ihrem Hauptklageantrag zu 1. begehrt, die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 4. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2019 aufzuheben

61

Denn das Rechtsschutzinteresse der Klägerin ist für diese Klage entfallen.

62

Am 28. Februar 2022 ist im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren Heeke-Wallen die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans in der Fassung der Nachträge I – III gemäß § 63 Abs. 1 FlurbG angeordnet worden. Gemäß § 66 Abs. 3 FlurbG enden die rechtlichen Wirkungen der vorläufigen Besitzeinweisung mit der Ausführung des Flurbereinigungsplanes (§§ 61 und 63).

63

Enden gemäß § 66 Abs. 3 FlurbG die rechtlichen Wirkungen der vorläufigen Besitzeinweisung mit der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplanes (§ 63 FlurbG), erledigt sich die vorläufige Besitzeinweisung i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.1988 – 5 B 59.88 – juris Rn. 3). Durch die vorzeitige Ausführungsanordnung wird der neue Rechtszustand wie nach § 61 FlurbG einheitlich für das ganze Flurbereinigungsgebiet festgelegt (vgl. Wingerter/Mayr, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar, 10. Auflage 2018, § 63 Rn. 2). Dadurch erhält der Teilnehmer das Eigentum an den neuen Grundstücken und somit gegenüber der Einräumung von Besitz und Nutzung eine weitreichendere, umfassende Rechtsposition, sodass die vorangegangene Anordnung nach § 65 FlurbG gegenstandslos wird (vgl. OVG RP, Urteil vom 12.4.1978 – 9 (3) C 24/77 – RzF 2 zu § 66 Abs. 3 FlurbG). Die rechtlichen Wirkungen der vorläufigen Besitzeinweisung entfallen auch dann, wenn die vorzeitige Ausführungsanordnung durch Widerspruch angegriffen ist. Denn dessen aufschiebende Wirkung lässt die innere Wirksamkeit eines Verwaltungsakts, hier den Eintritt des neuen Rechtszustands, unberührt (vgl. VGH BW, Urteil vom 7.10.1966 – VI 530/65 – RzF 1 zu § 66 Abs. 3 FlurbG). Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung des Flurbereinigungsplans nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

64

Mit der Erledigung der vorläufigen Besitzeinweisung ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für eine Klage nach § 65 FlurbG entfallen (vgl. Wingerter/Mayr, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, § 66 Rn. 13).

65

Ohne Erfolg wendet die Klägerin hiergegen ein, vorliegend sei eine rechtliche Prüfung der vorläufigen Besitzeinweisung umgangen worden, weil das Klageverfahren drei Jahre lang nicht gefördert und aufgrund dessen die vorläufige Besitzeinweisung durch die Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans „überholt“ worden sei. Sie berufe sich auf ihren Anspruch auf einen zeitgerechten Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG.

66

Die Gesetzesbindung der Gerichte ist jedoch ein ausdrücklich normiertes Verfassungsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG). Ausnahmen hiervon sind auch nicht durch eine etwaige überlange Verfahrensdauer zu rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 12.12.2000 – 11 B 76.00 – juris Rn. 8).

67

Vor diesem Hintergrund ist hier unerheblich, ob das Gericht früher über die Klage hätte entscheiden können oder ob nach einer gebotenen Abwägung im Einzelfall überhaupt eine überlange Verfahrensdauer anzunehmen wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1.10.2020 – 2 BvQ 63/20 – juris Rn. 12), die den Anspruch der Klägerin gemäß Art. 19 Abs. 4 GG auf einen zeitgerechten Rechtsschutz hätte verletzen können. Denn der Senat ist an die gesetzliche Regelung in § 66 Abs. 3 FlurbG über die Beendigung der rechtlichen Wirkungen der vorläufigen Besitzeinweisung mit der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplanes (§ 63 FlurbG) gebunden.

68

Im Übrigen wäre die auf die Aufhebung der vorläufigen Besitzeinweisung gerichtete Klage auch unbegründet, weil die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung rechtmäßig gewesen ist (s. u. Ziffer 2 b).

69

2. Der Hilfsantrag der Klägerin festzustellen, dass die vorläufige Besitzeinweisung in Bezug auf sie rechtswidrig gewesen ist und sie dadurch in ihren Rechten verletzt ist, hat keinen Erfolg.

70

a) Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit dieses Hilfsantrags.

71

Die Klage ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO i. V. m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG statthaft, nachdem sich die vorläufige Besitzeinweisung gemäß § 66 Abs. 3 FlurbG mit der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplanes (§ 63 FlurbG) nach Klageerhebung erledigt hat.

72

Zulässig ist die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings nur, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.5.2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 20 m. w. N.). Das berechtigte Interesse besteht typischerweise in den anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses, kann sich aber auch aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, sofern die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die klägerische Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.12.2019 – 9 B 52.18 – juris Rn. 9).

73

Eine Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.12.2019 – 9 B 52.18 – juris Rn. 9). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Denn es ist nicht ersichtlich, dass gegen die Klägerin erneut eine vorläufige Besitzeinweisung in dem hier streitigen Flurbereinigungsverfahren ergehen wird. Soweit die Klägerin Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan und die vorzeitige Anordnung seiner Ausführung eingelegt hat, sind diese an andere Voraussetzungen geknüpft als die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung.

74

Soweit die Klägerin vorträgt, sie beabsichtige, eine zivilrechtliche Klage auf Schadensersatz wegen der vorläufigen Besitzeinweisung zu erheben, hat sie zwar eine Aufstellung über die Art und die Höhe des ihres Erachtens entstandenen Schadens vorgelegt. Es spricht jedoch bereits im Rahmen der Prüfung eines berechtigten Feststellungsinteresses der Klägerin Überwiegendes dafür, dass ein entsprechender zivilrechtlicher Amtshaftungsprozess offensichtlich aussichtslos erscheint, weil ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aufgrund der Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung erkennbar nicht besteht. Die Annahme der Klägerin, sie habe schon durch die vorläufige Besitzeinweisung einen Flächen- und Substanzverlust erlitten, der einen Schadensersatzanspruch in der bezifferten Höhe ergeben würde, ist nicht haltbar, sondern geht daran vorbei, dass über die endgültige Abfindung erst durch den Flurbereinigungsplan entschieden wird. Dies bedarf jedoch letztlich im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage keiner abschließenden Klärung. Denn die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedenfalls unbegründet, weil die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung rechtmäßig gewesen ist (siehe die anschließenden Ausführungen unter b).

75

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unbegründet.

76

Die vorläufige Besitzeinweisung im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren Heeke-Wallen vom 4. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2019 ist betreffend die Klägerin rechtmäßig gewesen und hat sie nicht in ihren Rechten verletzt (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

77

aa) Die am 4. August 2017 auf der Grundlage des § 65 FlurbG angeordnete vorläufige Besitzeinweisung zum 1. Oktober 2017 ist formell rechtmäßig gewesen.

78

Der Beklagte war als zuständige Flurbereinigungsbehörde (§ 65 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) für die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung zuständig.

79

Mängel bei der Bekanntmachung der vorläufigen Besitzeinweisung oder sonstige Form- und Verfahrensfehler werden von der Klägerin nicht geltend gemacht.

80

Die Klägerin könnte sich auch nicht auf Fehler bei der Bekanntmachung der vorläufigen Besitzeinweisung berufen, weil sie ersichtlich von dieser Kenntnis erhalten hatte (wie die Widerspruchserhebung unter dem 17. bzw. 29. August 2017 zeigt) und etwaige Fehler ihr gegenüber dadurch geheilt wären (grundlegend im Zusammenhang mit der Bekanntmachung eines Einleitungsbeschlusses BVerwG, Urteil vom 28.10.1982 – 5 C 46.81 – juris Rn. 23 ff., 25; zur ständigen Senatsrechtsprechung betreffend die Heilung von Fehlern bei der Bekanntmachung z. B. eines Einleitungsbeschlusses auch Senatsurteil vom 29.5.2019 – 15 KF 10/18 – S. 7 UA; so auch Senatsbeschluss vom 29.7.2021 – 15 MF 3/21 –; im Übrigen Wingerter/Mayr, a. a. O., § 110 Rn. 9).

81

bb) Die vorläufige Besitzeinweisung hat auch materiell-rechtlich den Anforderungen der gesetzlichen Rechtsgrundlage gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 (i. V. m. § 86) FlurbG genügt.

82

Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG können die Beteiligten in den Besitz der neuen Grundstücke eingewiesen werden, wenn deren Grenzen in die Örtlichkeit übertragen worden sind und die endgültigen Nachweise für Flächen und Werte der neuen Grundstücke vorliegen sowie das Verhältnis der Abfindung zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten feststeht.

83

Es ist nicht ersichtlich, dass die vorgenannten Voraussetzungen nicht gegeben gewesen wären. Insbesondere lagen aufgrund der gegenüber der Klägerin bestandskräftigen Feststellung der Wertermittlungsergebnisse vom 4. August 2014 die Werte für den Alt- und Neubesitz vor. Die Neuzuteilung, die Wertverhältnisse der alten und der neuen Fläche und der zu erwartende Abfindungsanspruch wurden der Klägerin schon vor der vorläufigen Besitzeinweisung in Verhandlungsterminen am 5. Oktober 2015, 20. Oktober 2016 und 20. April 2017 erläutert.

84

Über die o. a. ausdrücklichen Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 FlurbG hinaus ist in der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass ausnahmsweise auch Abfindungsmängel zur materiellen Rechtswidrigkeit einer vorläufigen Besitzeinweisung führen können. Dies wäre der Fall, wenn zwischen der Einlage und der vorläufigen Abfindung entgegen § 44 Abs. 1 FlurbG offensichtlich ein grobes Missverhältnis bestehen oder die vorläufige Besitzeinweisung entgegen § 44 Abs. 4 FlurbG offensichtlich zu einem unzumutbaren Eingriff in die bisherige Struktur des betroffenen Betriebs eines Teilnehmers führen würde, die eine auch nur vorübergehende Nutzung der zugewiesenen Flächen als unzumutbar erscheinen ließe. Die Wertgleichheit der Abfindung ist hingegen allein Gegenstand der Prüfung der Rechtmäßigkeit des betreffenden Flurbereinigungsplans. Denn zum einen wird das Recht der Teilnehmer an der Flurbereinigung, gegen die ihnen im Flurbereinigungsplan zugewiesene Abfindung mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen vorzugehen, durch vorläufige Maßnahmen im Sinne der §§ 65 und 66 FlurbG nicht berührt. Zum anderen nimmt die Vorschrift des § 65 Abs. 1 FlurbG nicht auf die weiteren Maßgaben des § 44 FlurbG für die Landabfindung Bezug. Deshalb kann die vorläufige Besitzeinweisung grundsätzlich nicht mit der Begründung angefochten werden, die zugedachte Abfindung sei nicht wertgleich und verletzte deshalb die Bestimmung des § 44 FlurbG; insoweit darf dem Verfahren über Planwidersprüche nicht vorgegriffen werden (vgl. Senatsurteile vom 21.2.2017 – 15 KF 13/16 – juris Rn. 37, vom 1.2.2017 – 15 KF 23/15 – n. v. und vom 15.3.2011 – 15 KF 24/09 – juris Rn. 24, jeweils m. w. N.; grundlegend BVerwG, Beschluss vom 12.11.2010 – 9 B 41.10 – juris Rn. 4; Wingerter/Mayr, a. a. O., § 65 Rn. 20).

85

Im Hinblick auf die der Klägerin im Rahmen der vorläufigen Besitzeinweisung zugewiesenen neuen Flächen lag keine der beiden vorgenannten Ausnahmen vor.

86

(1) Ein offensichtliches grobes Missverhältnis zwischen Alt- und Neubesitz ist nicht feststellbar. Dabei sind nicht einzelne Einlageflächen den vermeintlich an ihre Stelle getretenen vorläufigen Abfindungsflächen gegenüber zu stellen; vielmehr ist wie nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG für die endgültige Abfindung die gesamte Einlage mit der gesamten vorläufigen Abfindung zu vergleichen (vgl. Senatsurteil vom 21.2.2017 – 15 KF 13/16 – juris Rn. 40; Wingerter/Mayr, a. a. O., § 44 Rn. 8).

87

Ein offensichtliches grobes Missverhältnis ist hier schon deshalb nicht erkennbar, weil die Klägerin fast vollständig in ihre alten Flächen eingewiesen worden ist.

88

Sie hat Einlageflächen von insgesamt 74,5104 ha mit einem Wertverhältnis von 3.883,09 WV in das Verfahren eingebracht. Demgegenüber wurden ihr neue Flächen von 74,0907 ha mit einem (besseren) Wertverhältnis von 3.892,51 WV zugewiesen. Der Verlust an Fläche ist mit 0,4197 ha gering und überdies durch ein besseres Wertverhältnis ausgeglichen.

89

Gegenüber dem unter Berücksichtigung eines teilweisen Landabzugs im Umfang von 12,91 WV und der Aufteilung gemeinschaftlichen Eigentums sowie einzelner Sonderregelungen von insgesamt 27,32 WV ermittelten Abfindungsanspruch von 3.897,50 WV ergibt sich eine Landminderabfindung von 4,99 WV, für die unter Berücksichtigung eines Kapitalisierungsfaktors von 800 EUR/WV ein an die Klägerin auszuzahlender Geldausgleich von 3.992 EUR errechnet wurde. Damit unterschreitet die Landminderabfindung den Abfindungsanspruch nur um etwa 0,13 %, was kein grobes Missverhältnis bedeutet.

90

Soweit das Verhältnis der Abfindung zu dem Eingebrachten auch die Abzüge nach § 47 FlurbG einschließt, die deshalb schon bei der vorläufigen Anspruchsberechnung zugrunde gelegt werden müssen (vgl. Wingerter/Mayr, a. a. O., § 65 Rn. 8), ergibt sich auch aus den Einwänden der Klägerin gegen den Landabzug von 12,91 WV kein grobes Missverhältnis zwischen Gesamteinlage und vorläufiger Abfindung, zumal sich der Landabzug von 12,91 WV durch die zugunsten der Klägerin als Sonderregelung in Ansatz gebrachte Neuvermessungsdifferenz von 10,56 WV nur gering auswirkt.

91

Von einem offensichtlich groben Missverhältnis kann auch nicht ausgegangen werden, soweit sich die Klägerin auf einen Substanzverlust bei der Zuweisung von Waldflächen beruft. Die Klägerin hat nach dem Nachweis über Anspruch und Abfindung insgesamt 5,9903 ha große Waldflächen mit 59,9 WV eingebracht (0,2736 ha Holzung-Gehölz + 2,4338 ha Holzung-Laubwald + 3,2829 ha Holzung-Mischwald). Mit der vorläufigen Besitzeinweisung sind ihr 6,0021 ha große neue Waldflächen mit 60,02 WV auf fast vollständig identischen Flächen (0,2836 ha Holzung-Gehölz + 2,4407 ha Holzung-Laubwald + 3,2778 ha Holzung-Mischwald) zugewiesen worden. Mithin hat der Bestand an Waldflächen um 0,0118 ha und an Wertigkeit um 0,12 WV sogar geringfügig zugenommen.

92

Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, es liege ein grobes Missverhältnis vor, weil ihr durch die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung ein Schaden in Höhe von 103.412,98 EUR entstanden sei. Maßgeblich ist allein, ob ein offensichtliches grobes Missverhältnis zwischen Einlage- und Zuweisungsflächen vorliegt. Hiervon kann – wie ausgeführt – aufgrund der Gegenüberstellung des von der Klägerin eingebrachten Altbesitzes und des zugewiesenen Neubesitzes sowie der Lage der Flächen im Flurbereinigungsgebiet nicht ausgegangen werden. Für diese vergleichende Betrachtung kommt es hingegen nicht auf einen vermeintlichen Schaden wegen angeblicher Abfindungsmängel an.

93

Abgesehen davon wendet sich die Klägerin mit ihren Schadenspositionen gegen die Wertgleichheit der Abfindung, die – wie oben ausgeführt – einer Prüfung im Verfahren gegen den Flurbereinigungsplan vorbehalten bleibt und nicht in dem Verfahren gegen die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung zu prüfen ist.

94

Dies gilt insbesondere für den Einwand der Klägerin, entgegen der Vereinbarung vom 11. August 2010 erhalte sie im Rahmen der vorläufigen Besitzeinweisung keinen Ausgleich für die Altflächen im Umfang ihres Abfindungsanspruchs von 14,86 WV aus dem Flurbereinigungsverfahren A-Stadt – B 68. Damit rügt sie die nicht umgesetzte Erfüllung einer zugesicherten Landabfindung. Eine etwaige Zusicherung der Flurbereinigungsbehörde ist aber ein Umstand, der bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsplanes zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus ergibt sich daraus kein grobes Missverhältnis. Denn der Beklagte hat den Abfindungsanspruch von 14,86 WV ausweislich des Nachweises über Anspruch und Abfindung vom 17. Juli 2017 als Sonderregelung bei der Berechnung des Abfindungsanspruchs berücksichtigt.

95

(2) Ein unzumutbarer, §§ 86, 65 i. V. m. § 44 Abs. 4 FlurbG widersprechender Eingriff in die bisherige Struktur des klägerischen Betriebs durch die vorläufige Besitzeinweisung ist ebenfalls nicht gegeben.

96

Denn für einen unzumutbaren Eingriff in die Betriebsstruktur ist grundsätzlich auf die Fläche abzustellen, die der Teilnehmer selbst bewirtschaftet (vgl. Senatsurteil vom 1.2.2017 – 15 KF 23/15 –). Die Klägerin führt jedoch selbst keinen landwirtschaftlichen Betrieb, der durch die – zudem geringfügigen – Änderungen der neu zugewiesenen gegenüber den Einlageflächen unzumutbar betroffen sein könnte. Vielmehr hat sie nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung ihre Flächen verpachtet. Deshalb kann sie keinen Eingriff in die Struktur „ihres“ Betriebs geltend machen. Etwaige Bewirtschaftungserschwernisse für die Pächter von Teilnehmern sind grundsätzlich unerheblich (auch insoweit das Senatsurteil vom 1.2.2017, a. a. O.).

97

Soweit die Klägerin in ihrer Schadensaufstellung einen Pachtverlust in den Jahren 2009 bis 2019 in Höhe von 6.375 EUR geltend macht, betrifft dies ebenfalls nicht die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung gemäß § 65 FlurbG, sondern allenfalls die Frage eines hier nicht streitgegenständlichen Ausgleichs von Wertunterschieden zwischen dem alten und neuen Pachtbesitz gemäß § 70 Abs. 1 FlurbG. Im Übrigen hat die Klägerin weder einen Pachtverlust noch die geltend gemachte Höhe belegt.

98

Soweit die Klägerin vorträgt, es sei in ihr Recht auf Jagdausübung eingegriffen worden sei, spielt dies für das vorliegende Verfahren der vorläufigen Besitzeinweisung ebenfalls keine Rolle und ist überdies ein unzumutbarer Eingriff nicht zu erkennen. Die jagdrechtliche Einrichtung – ein Hochstand – befindet sich ausweislich der Verhandlungsniederschrift vom 29. August 2017 nach wie vor auf dem Grundstück der Klägerin.

99

3. Die Klage betreffend den Klageantrag zu 2., die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 4. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2019 insoweit aufzuheben, als der Antrag der Klägerin auf Herausnahme ihres Anspruchs auf 14,86 WV aus der Flurbereinigung A-Stadt B68 abgelehnt worden ist, ist unzulässig.

100

Mit diesem Antrag wendet sie sich sinngemäß nochmals mit einem einzelnen Einwand gegen die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung – nämlich dagegen, dass ihrer Ansicht nach der ihr zugesicherte Abfindungsanspruch von 14,86 WV aus der Flurbereinigung A-Stadt B68 im vorliegenden Flurbereinigungsverfahren nicht berücksichtigt worden sei. Wie bereits oben unter Ziffer 1. zum Klageantrag zu 1. ausgeführt worden ist, ist das Rechtsschutzinteresse der Klägerin, die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 4. August 2017 aufzuheben, aber entfallen, nachdem am 28. Februar 2022 im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren Heeke-Wallen die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans in der Fassung der Nachträge I – III nach § 63 Abs. 1 FlurbG angeordnet worden ist. Damit endeten gemäß § 66 Abs. 3 FlurbG die rechtlichen Wirkungen der vorläufigen Besitzeinweisung mit der Ausführung des Flurbereinigungsplanes (§§ 61 und 63). Die vorläufige Besitzeinweisung hat sich hierdurch gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO insgesamt erledigt.

101

4. Die Klägerin begehrt mit ihrem Klageantrag zu 3., die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 4. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2019 insoweit aufzuheben, als dem Anspruch der Klägerin auf Herausnahme des vollständig arrondierten Betriebs „Gut N.“ nicht entsprochen worden ist.

102

a) Dieser Antrag ist unzulässig, soweit die Klägerin beantragt, die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 4. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2019 aufzuheben. Denn für diesen (Teil-)Antrag ist ihr Rechtsschutzinteresse entfallen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer 1 und Ziffer 3 verwiesen.

103

b) Soweit sich die Klägerin mit ihrem (weiteren Teil-)Antrag dagegen wendet, dass „dem Anspruch der Klägerin auf Herausnahme des vollständig arrondierten Betriebs „Gut N.“ nicht entsprochen worden ist“, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

104

Der Senat legt den (Teil-)Antrag dahingehend aus, dass sich die Klägerin gegen die Ablehnung ihres mit Schreiben vom 4. Mai 2017 und 17. August 2017 gestellten Antrags auf Herausnahme ihrer Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet wendet, über den der Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2019 entschieden hat, und die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihre Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet herauszunehmen.

105

aa) Die so verstandene Klage ist gemäß § 140 Satz 1 FlurbG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

106

Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht der Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist gemäß § 142 Abs. 2 FlurbG entgegen.

107

Zwar hat die Klägerin – worauf der Beklagte zutreffend hinweist – nicht gemäß § 142 Abs. 2 FlurbG innerhalb einer Frist von sechs Monaten und weiteren drei Monaten seit Ablauf dieser Frist Klage erhoben.

108

Die mit dem Ablauf der Fristen nach § 142 Abs. 2 FlurbG verbundene Unanfechtbarkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes kann jedoch durch eine Entscheidung der Widerspruchsbehörde beseitigt werden. Diese Sachentscheidung eröffnet dann die volle gerichtliche Sachprüfung. Keine Sachentscheidung liegt vor, wenn die Widerspruchsbehörde den Widerspruch nur wegen der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes zurückweist (Wingerter/Mayr, a. a. O., § 142 Rn. 20). Dieser Grundsatz gilt auch, soweit es – wie hier – nicht um die Entscheidung über einen Widerspruch, sondern über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts geht (vgl. Senatsurteil vom 17.3.1983 – F OVG A 30/82 – RzF 14 zu § 8 Abs. 1 Flurb; § 142 Abs. 2 Satz 1 FlurbG).

109

Vorliegend hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2019 eine Sachentscheidung getroffen und damit die Voraussetzung für eine volle gerichtliche Sachprüfung geschaffen. Denn er hat die Ablehnung des Antrags zusätzlich darauf gestützt, dass die Abgrenzung des Flurbereinigungsgebiets sachgerecht sei, so dass der Antrag nach § 8 Abs. 1 FlurbG nicht zum Erfolg führen könne.

110

Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin gegen die Ablehnung des Antrags auf Herausnahme ihrer Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet keinen Widerspruch erhoben hat. Zwar ist grundsätzlich auch vor der Erhebung einer Verpflichtungsklage i. S. d. § 140 Satz 1 FlurbG ein Widerspruchsverfahren gemäß § 141 FlurbG durchzuführen. Davon kann aber abgesehen werden, wenn – wie hier – das Verhalten der Behörde mit Sicherheit erkennen lässt, dass der Widerspruch keinen Erfolg haben wird (vgl. Wingerter/Mayr, a. a. O., § 141 Rn. 17) und in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids ausdrücklich nur auf die Klageerhebung hingewiesen wird (so auch Senatsurteil vom 9.11.2011 – 15 KF 10/08 – juris Rn. 23).

111

Damit ist hier im Klageverfahren eine volle gerichtliche Überprüfung des abgelehnten Anspruchs der Klägerin auf Herausnahme ihrer Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet vorzunehmen.

112

bb) Die Klage ist insoweit jedoch unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den Antrag der Klägerin, auf „Herausnahme des vollständig arrondierten Betriebs „Gut N.“ abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Herausnahme ihrer Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet.

113

Die Klägerin wendet ein, ihr Besitzstand der Altfläche sei vollständig arrondiert gewesen und sie habe keine Vorteile durch das Flurbereinigungsverfahren, so dass ihre Flächen gemäß ihrem Antrag vom 4. Mai 2017 aus dem Flurbereinigungsgebiet herauszunehmen seien. Damit begehrt sie in der Sache eine Änderung des Flurbereinigungsgebiets, wie es gemäß § 4 FlurbG in dem ihr gegenüber bestandskräftigen Flurbereinigungsbeschluss festgesetzt wurde.

114

Ein solcher Anspruch steht der Klägerin jedoch nicht zu. Er ergibt sich insbesondere nicht aus § 8 Abs. 1 FlurbG.

115

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 FlurbG kann die Flurbereinigungsbehörde geringfügige Änderungen des Flurbereinigungsgebietes anordnen. Diese Vorschrift enthält lediglich eine Verfahrensvorschrift in dem Fall, dass die Flurbereinigungsbehörde nachträgliche Änderungen des Verfahrensgebietes in geringem Umfang noch für sachlich geboten hält und durchführt (vgl. Senatsurteil vom 17.3.1983 – F OVG A 30/82 – RzF 14 zu § 8 Abs. 1 Flurb). Sie ist insofern für geringfügige Änderungen eine Ausnahmeregelung zugunsten der Flurbereinigungsbehörde, die nach ihrem Ermessen hierüber eine Entscheidung durch Beschluss treffen kann, wenn die Änderung nicht so wesentlich erscheint, dass das förmliche Verfahren nach §§ 4 – 6 FlurbG notwendig erscheint (vgl. Wingerter/Mayr, a. a. O., § 8 Rn. 3 ff.).

116

Dieser Fall ist vorliegend nicht gegeben. Es lag und liegt hier nicht die Absicht des Beklagten vor, das Verfahrensgebiet im Bereich des Grundbesitzes der Klägerin zu ändern.

117

Die Klägerin hat als Teilnehmerin am Flurbereinigungsverfahren grundsätzlich keinen gegen die Flurbereinigungsbehörde durchsetzbaren Anspruch darauf, nach Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsbeschlusses vom Verfahren nachträglich wieder ausgeschlossen zu werden (vgl. Senatsurteil vom 17.3.1983 – F OVG A 30/82 – RzF 14 zu § 8 Abs. 1 FlurbG; ebenso Wingerter/Mayr, a. a. O., § 8 Rn. 2).

118

Vielmehr ist ein Anspruch auf Ausschluss von Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet bereits gegen den Einleitungsbeschluss geltend zu machen.

119

Dies folgt aus der Mehrstufigkeit des Flurbereinigungsverfahrens. Das Flurbereinigungsverfahren besteht aus den drei miteinander abgestimmten Teilentscheidungen „Anordnungsbeschluss“ (§ 4 FlurbG), „Feststellung des Ergebnisses der Wertermittlung“ (§ 27 ff. FlurbG) und „Flurbereinigungsplan (§§ 56 ff. FlurbG). Hinsichtlich jeder Teilentscheidung tragen die von der Entscheidung Betroffenen die Anfechtungslast. Die selbständige Anfechtbarkeit von Teilentscheidungen führt im Ergebnis zu einem gestuften Rechtsschutz, der der Überprüfung einer unanfechtbar gewordenen Teilentscheidung hinsichtlich des durch sie geregelten Rechtsbereichs in einem späteren Rechtsschutzverfahren entgegensteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.2.2018 – 9 B 26.17 – juris Rn. 9). Eine unanfechtbar gewordene Teilentscheidung hinsichtlich des durch sie geregelten Rechtsbereichs kann daher in einem späteren Rechtsschutzverfahren nicht mehr überprüft werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.8.2019 – 9 B 21.19 – juris Rn. 4).

120

Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat keinen Rechtsbehelf gegen den selbständig anfechtbaren Einleitungsbeschluss vom 10. Juni 2011 eingelegt. Deshalb kann die Klägerin nach dessen Bestandskraft ihr gegenüber grundsätzlich nicht mehr mit der Einwendung gehört werden, ihr Grundbesitz sei vollständig arrondiert gewesen und sie habe keine Vorteile aus der Flurbereinigung. Sie hat auch nicht nachträglich den bestandskräftigen Flurbereinigungsbeschluss mit einem verspäteten Rechtsmittel angefochten, wobei dies voraussichtlich auch nicht erfolgreich gewesen wäre. Insbesondere wäre eine Nachsichtgewährung nach § 134 Abs. 2 FlurbG nicht in Betracht bekommen, weil die Klägerin nicht gehindert war, rechtzeitig ihren Ausschluss aus dem Verfahrensgebiet bzw. eine Herausnahme ihrer Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet zu beantragen.

121

Soweit der Beklagte den Antrag der Klägerin auf nachträgliche Herausnahme ihrer Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2019 in der Sache selbst beschieden und abgelehnt hat, ist dies im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden.

122

Die Annahme des Beklagten, dass ein Ausschluss von Flächen nach § 8 Abs. 1 FlurbG erforderlich werden könne, wenn der Zweck der Flurbereinigung ohne die Flächen besser erreicht werden könne, entspricht der Zielsetzung des § 8 FlurbG, der Flurbereinigungsbehörde in begrenztem Umfang und orientiert am Verfahrenszweck die Möglichkeit zu geben, Flächen nachträglich zum Verfahren hinzuzunehmen oder auszuschließen (vgl. Wingerter/Mayr, a. a. O., § 8 Rn. 1). Der Beklagte hat in seinem Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2019 die Ablehnung des Antrags auf Herausnahme der Flächen der Klägerin damit begründet, dass das Verfahrensgebiet bei der Einleitung am 10. Juni 2011 so abgegrenzt worden sei, dass auch eine Verbesserung des Wegenetzes und Maßnahmen zugunsten der Entwicklung ökologischer Anlagen in Randbereichen von Gewässern zweiter Ordnung erfolgen könnten. Diese Erwägung ist nicht zu beanstanden. Denn die Gräben, an denen die Altflächen der Klägerin lagen, sind zugunsten des Zwecks der Entwicklung ökologischer Anlagen in Randbereichen von Gewässern zweiter Ordnung verbreitert worden. Diese Maßnahme kam den Flächen im Verfahrensgebiet insgesamt zugute. Weiter hat der Beklagte die Ablehnung des Antrags auf Herausnahme der Flächen zu Recht darauf gestützt, dass es sich bei dem begehrten Ausschluss der insgesamt 74,51 ha großen Flächen der Klägerin nicht um eine nur geringfügige Änderung des Flurbereinigungsgebiets nach § 8 Abs. 1 Satz 1 FlurbG handeln würde. Die Größe der von der Klägerin eingebrachten Flächen ist im Verhältnis zur Gesamtgröße des Verfahrensgebiets nicht nur geringfügig.

123

Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, ihr sei am 20. April 2017 auf mehrfache Nachfrage von dem Mitarbeiter des Beklagten Herrn Sakuth bestätigt worden, dass die Möglichkeit bestanden habe, sie aus dem Verfahren auszuscheiden, und sie sei über diesen Umstand nicht richtig belehrt, sondern getäuscht worden.

124

Die Klägerin hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung am 13. April 2022 einen Beweisantrag gestellt. Eine Beweiserhebung durch die Vernehmung des Mitarbeiters war für die Entscheidung jedoch nicht von Belang.

125

Die unter Beweis gestellte Tatsache, der Klägerin sei von einem Mitarbeiter des Beklagten bestätigt worden, dass die Möglichkeit bestanden habe, sie aus dem Verfahren auszuscheiden, kann als wahr unterstellt werden. Denn selbst wenn der Mitarbeiter der Klägerin mitgeteilt hat, dass die Möglichkeit bestanden habe, sie aus dem Verfahren auszuscheiden, könnte die Klägerin hieraus keinen Anspruch auf Herausnahme ihrer Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet herleiten. Zum einen trifft es zu, dass die Klägerin schon mit einem Rechtsbehelf gegen den Einleitungsbeschluss die Möglichkeit hatte, einen Ausschluss aus dem Flurbereinigungsverfahren geltend zu machen. Zum anderen enthält die aufgezeigte Möglichkeit noch keine Zusage, dass der Beklagte nachträglich von dieser Möglichkeit habe Gebrauch machen wollen. Überdies wäre eine solche Aussage des Mitarbeiters rechtlich ohne Bedeutung. Denn Zusicherungen sind gemäß § 38 Abs. 1 VwVfG nur in schriftlicher Form wirksam. Aus der Verhandlungsniederschrift vom 20. April 2017 ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin die Herausnahme der Flächen aus dem Flurbereinigungsgebiet schriftlich zugesagt worden wäre. Stattdessen wurde der Klägerin in diesem Termin das Zuteilungskonzept erläutert und ein Flurstück zum Kauf angeboten.

126

Im Übrigen ist der Klägerin in einer weiteren Verhandlung am 29. August 2017, an der der genannte Mitarbeiter teilgenommen hat, mitgeteilt worden, dass ihre Flächen nicht mehr aus dem Flurbereinigungsgebiet ausgeschlossen werden könnten. Von einer Zusicherung der Herausnahme der Flächen war bei dieser Verhandlung ausweislich der Niederschrift über die Verhandlung am 29. August 2017 keine Rede. Aus der Niederschrift ergibt sich auch nicht, dass sich die Klägerin auf eine solche Zusicherung berufen und eine unrichtige Belehrung gerügt hätte. Angesichts dessen bestehen keine Anhaltspunkte, dass der genannte Mitarbeiter die Klägerin unrichtig belehrt oder gar getäuscht hätte.

127

Selbst wenn als wahr unterstellt wird, dass der genannte Mitarbeiter des Beklagten gegenüber der Klägerin geäußert habe, sie sei über die Möglichkeit, sie aus dem Verfahren auszuscheiden, nicht richtig belehrt worden, wäre dies für die Entscheidung über einen Anspruch auf Ausschluss ihrer Flächen nach § 8 FlurbG nicht erheblich. Denn insoweit ist nicht eine etwaige fehlerhafte Belehrung, sondern allein maßgeblich, ob die Klägerin als Verfahrensteilnehmerin gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf eine nachträgliche Änderung des Verfahrensgebiets hat. Dies ist nach den voranstehenden Ausführungen nicht anzunehmen.

128

Unabhängig davon ist die unter Beweis gestellte Tatsache für die Entscheidung auch nicht erheblich, weil die Klägerin – wie ausgeführt – gegen den Einleitungsbeschluss vom 10. Juni 2011 keinen Rechtsbehelf gegen die Einbeziehung ihrer Flächen in das Flurbereinigungsgebiet erhoben hat. Sie kann deshalb mit ihrem Vortrag, ihr Gebiet sei vollständig arrondiert und sie habe keine Vorteile aus der Flurbereinigung, nach der Unanfechtbarkeit des Einleitungsbeschlusses wegen der Mehrstufigkeit des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr gehört werden.

129

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 147 Abs. 1, 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5112 der Anlage 1 des GKG ist eine Gerichtsgebühr mit vier Gebührensätzen anzusetzen. Der festgesetzte Pauschsatz zur Abgeltung der dem Gericht entstandenen Auslagen beruht auf § 147 Abs. 1 Satz 1 FlurbG.

130

Der Gesamtstreitwert von 10.000 EUR ergibt sich aus §§ 39, 40, 45 Abs. 1 Sätze 2 und 3, 52 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 GKG. Er setzt sich zusammen aus dem in Ansatz zu bringenden Auffangstreitwert von 5.000 EUR für die angefochtene vorläufige Besitzeinweisung (Klageanträge zu 1. und zu 2.) zuzüglich des gesondert davon in Ansatz zu bringenden Auffangstreitwertes von 5.000 EUR für den eigenständig gestellten Antrag auf Herausnahme der Flächen der Klägerin aus dem Flurbereinigungsgebiet (Klageantrag zu 3.; vgl. die Empfehlungen unter Ziffer 13.2.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013, NordÖR 2014, 11).

131

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

132

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

 


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