Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 5. Senat | 5 LA 22/21 | Beschluss | Kein Verfahrensmangel bei Berufung des Gerichts auf ein behördliches Gutachten

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Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage sei § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Der der Rücknahme zugrunde liegende Bescheid sei rechtswidrig gewesen. Dazu habe die Kammer in ihrem Urteil vom 16. Mai 2018 bereits ausgeführt, die Voraussetzungen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG für die Anerkennung des Unfalls des Klägers vom Juni 2014 als Dienstunfall hätten nicht vorgelegen. Nach dieser Vorschrift wäre unter einem Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis zu verstehen, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten wäre. Als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung wären nur solche für den eingetretenen Schaden ursächliche Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtung zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hätten. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen wäre eine alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg mitgewirkt hätte, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen wäre, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs gehabt hätte. Alle übrigen Bedingungen im natürlich-logischen Sinne schieden als Ursachen im Rechtssinne aus. Keine Ursachen im Rechtssinne wären deshalb so genannte Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung bestanden hätte. Im Dienstunfallrecht gälten grundsätzlich die allgemeinen Beweisgrundsätze. Für das Vorliegen eines Dienstunfalles sowie die dadurch verursachten Körperschäden wäre grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Der Beamte trüge insoweit die volle materielle Beweislast. Ließe sich der Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Körperschaden trotz Ausschöpfung aller Mittel nicht klären, ginge diese zulasten des Beamten. Etwaige Beweisschwierigkeiten vermöchten eine abweichende mildere Beurteilung der Beweisanforderungen nicht zu rechtfertigen. An diesen Grundsätzen gemessen könnte der beim Kläger diagnostizierte „degenerative Meniskusriss im Innenmeniskushinterhorn – Chondropathia patellae Grad 2 -“ nicht als kausal durch das als Dienstunfall anerkannte Unfallereignis angesehen werden, womit sich der Anerkennungsbescheid der Beklagten als rechtswidrig erwiese. Anhand der gutachterlichen Stellungnahmen des Dr. med. D. (Medizinischer Dienst der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen) vom 15. Oktober 2015, 3. Februar 2016 und 8. Juni 2016, auf die Bezug genommen würde, stünde zur Überzeugung der Kammer fest, dass die degenerativen Vorschädigungen des linken Kniegelenkes des Klägers wesentliche Ursache für seine Verletzung wären. Das Ereignis vom 3. Juni 2014 wäre lediglich als Gelegenheitsursache einzustufen. Die gutachterlichen Stellungnahmen des Dr. med. D. wiesen keine offen erkennbaren Mängel auf. Sie gingen weder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus noch enthielten sie unlösbare Widersprüche. Auch bestünden keine Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit. Der Kläger hätte diese Gutachten nicht substantiiert in Frage zu stellen vermocht. Insbesondere erkennte das Gericht keinen unauflösbaren Widerspruch zur Beurteilung des Dr. med. E. (Regionaler Medizinischer Dienst West, F.) vom 13. März 2015, der den Meniskusriss als dienstunfallbedingt eingestuft hätte. Denn dessen Annahme wäre weder weiter begründet worden noch setzte sie sich näher mit der Frage der Kausalität auseinander. Gleiches gälte für die vom Kläger vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Dr. med. G. vom 22. März 2016. Auch wäre Dr. med. D. nicht von einem unvollständigen oder unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Unter Zugrundelegung des vom Kläger geschilderten Unfallgeschehens käme Dr. med. D. in allen seinen drei gutachterlichen Stellungnahmen überzeugend zu dem Ergebnis, dass das Ereignis vom 3. Juni 2014 nicht geeignet wäre, den Meniskusriss verursacht zu haben. Diesen Ausführungen (der Kammer in deren Urteil vom 16. Juni 2015) schließe sich der Einzelrichter an. Der Kläger sei den nachvollziehbaren Feststellungen der Kammer – etwa durch Vorlage weiterer ärztlicher Stellungnahmen – nicht substantiiert entgegengetreten, so dass für eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens kein Anlass bestanden habe. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei rechtlich nicht zu beanstanden. Schließlich lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG vor. Nach dieser Regelung sei die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde Kenntnis von Tatsachen erhalte, welche die Rücknahme rechtfertigten. Der Fristbeginn setze voraus, dass sich die zuständige Behörde darüber im Klaren sei, dass sich aus der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes die Befugnis zu dessen Rücknahme ergebe. Sie müsse zu der Erkenntnis gelangt sein, dass die Rücknahmevoraussetzungen des § 48 VwVfG gegeben seien. Dies sei anzunehmen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung imstande sei, die Voraussetzungen des § 48 VwVfG, d. h. vor allem die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts, zutreffend zu beurteilen und daraus die richtigen rechtlichen Schlüsse zu ziehen. Nach diesen Grundsätzen sei der Beginn des Laufs der Jahresfrist (des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG) auch dann zu bestimmen, wenn ein erster Rücknahmebescheid im Widerspruchs- oder – wie hier – im Klageverfahren aufgehoben werde. In diesen Fällen laufe die Jahresfrist ab dem Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit der aufhebenden Entscheidung. Dies gelte unabhängig davon, ob die Aufhebung auf tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen beruhe. Die einheitliche Behandlung der beiden Fehlerarten sei die zwingende Folge des Verständnisses der Jahresfrist als reiner Entscheidungsfrist, das vor allem aus dem Normzweck hergeleitet werde. Danach beziehe sich die den Fristbeginn auslösende Kenntnis der Behörde nicht auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, sondern auf die Rechtfertigung seiner Rücknahme. Mithin beginne hier die Jahresfrist mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils der Kammer vom 16. Mai 2018 am 29. Juni 2018 (zu laufen); mithin sei diese Frist durch den angefochtenen Bescheid eingehalten worden.

Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

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