Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Göttingen 2. Kammer | 2 B 211/22 | Beschluss | Vorläufige Untersagung der Beschäftigung von Mitarbeiterinnen einer Kindertagesstätte

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Die Antragsteller sind bei entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO auch antragsbefugt, denn sie machen geltend, durch die Entscheidung des Antragsgegners, von einer Untersagung der Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. abzusehen, in ihren Rechten verletzt zu werden. Zwar betrifft § 45 SGB VIII mit seinen Regelungen zur Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung die in wesentlichen Teilen ordnungsbehördliche Aufsichtsfunktion des überörtlichen (§ 85 Abs. 2 Nr. 6 SGB VIII) Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über Einrichtungen für Kinder und Jugendliche (Wiesner, a.a.O., § 45 Rn. 8) und damit in erster Linie das Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen zu 1. Dies führt aber nicht dazu, dass die Behörde im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben ausschließlich vom Amts wegen tätig wird und Dritte, wie z. B. die Nutzer der Einrichtung oder die in ihr Beschäftigten, keine eigenen Ansprüche bzw. Antragsrechte haben und den Erlass einer Auflage allenfalls anregen können (so aber Jans/Happe/Saurbier, a.a.O., § 48 Rn. 7 zur Auflage gemäß § 48 SGB VIII). Vorliegend berufen sich die Antragsteller darauf, durch die den Beigeladenen zu 2. und 3. vorgeworfenen Handlungen in ihren Grundrechten verletzt worden zu sein, und sie befürchten für den Fall der Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterinnen erneute Grundrechtsverletzungen. Unterstellt man die erhobenen Vorwürfe als wahr, so könnten die betroffenen Kinder sich auf eine Verletzung ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), ihrer persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und ihre Eltern sich auf eine Beeinträchtigung ihres Erziehungsrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) berufen. Es wäre dann nicht ausgeschlossen, dass sie infolge der Entscheidung des Antragsgegners, die Beigeladenen zu 2. und 3. nicht zu suspendieren, erneut in die Gefahr einer Grundrechtsbeeinträchtigung geraten würden. Da die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht Bindungswirkung entfalten (Art. 1 Abs. 3 GG), bedarf es der Möglichkeit der effektiven gerichtlichen Kontrolle ihrer Einhaltung. Eine solche Kontrolle ist nur gewährleistet, wenn der betroffene Bürger sie in Gang setzten kann, sodass die Grundrechte generell subjektive Rechte enthalten (BVerfG, Beschluss vom 07.05.1957 – 1 BvR 289/56 -, juris Rn. 6; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 1 Rn. 31 und Art. 19 Rn. 37a). Unerheblich ist im Rahmen der Prüfung von § 42 Abs. 2 VwGO, dass § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ein behördliches Ermessen eröffnet. Bei Ermessensentscheidungen besteht ein subjektives Recht, wenn bei der Ermessensausübung auch die Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen sind, was im Zweifel zu bejahen ist (BVerfG, Urteil vom 18.07.2005 – 2 BvR 2236/04 -, juris Rn. 106; Jarass, a.a.O., Art. 19 Rn. 37). Vorliegend liegt es auf der Hand, dass bei der Entscheidung über den Erlass einer nachträglichen Auflage zur Gewährleistung des Kindeswohls die Interessen der betroffenen Kinder und ihrer Eltern berücksichtigt werden müssen.

Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

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