Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Hannover 12. Kammer | 12 A 3098/17 | Urteil | Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Windenergieanlagen – Anfechtungsklage der Standortgemeinde gegen Ersetzungsbescheid und Genehmigungsbescheid

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Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Hannover 12. Kammer | 12 A 3098/17 | Urteil | Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Windenergieanlagen – Anfechtungsklage der Standortgemeinde gegen Ersetzungsbescheid und Genehmigungsbescheid

Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Der Tötungstatbestand, der nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG nur absichtliche Formen der Tötung umfasst, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch dann erfüllt, wenn sich die Tötung als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Verwaltungshandelns erweist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.01.2002 – C-103/00 -, juris Rn. 26; Urt. v. 20.10. 2005 – C-6/04 -, juris Rn. 113). Sind im Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie aufgeführte Arten – wie die in Niedersachsen vorkommenden Fledermausarten – oder europäische Vogelarten betroffen, so liegt gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann. Diese Norm hat die Signifikanz-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kodifiziert. Diese hatte das Bundesverwaltungsgericht in seiner letzten einschlägigen Entscheidung bezogen auf ein Straßenbauvorhaben dahingehend gefasst, dass der Tatbestand des Tötungsverbots mit Blick auf die bei einem Straßenbauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere mit der Trasse erst dann erfüllt ist, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht. Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen so weit vermieden werden können, dass sie innerhalb des Risikobereichs verbleiben, der mit einem Verkehrsweg im Naturraum immer verbunden ist, in die Betrachtung miteinzubeziehen. Der Signifikanzansatz gilt nicht nur für das betriebsbedingte Risiko von Kollisionen mit der Trasse, sondern auch für bau- und anlagebezogene Risiken. Das anhand einer wertenden Betrachtung auszufüllende Kriterium der Signifikanz trägt dem Umstand Rechnung, dass für Tiere bereits vorhabenunabhängig ein allgemeines Tötungsrisiko besteht, welches sich nicht nur aus dem allgemeinen Naturgeschehen ergibt, sondern auch dann sozialadäquat und deshalb hinzunehmen ist, wenn es zwar vom Menschen verursacht ist, aber nur einzelne Individuen betrifft. Denn tierisches Leben existiert nicht in einer unberührten, sondern in einer vom Menschen gestalteten Landschaft. Nur innerhalb dieses Rahmens greift der Schutz des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Das bedeutet nicht, dass gerade in einem Umfeld, in dem bereits aufgrund anderweitiger Vorbelastungen ein erhöhtes Tötungsrisiko besteht, eine umso größere Gefährdung zulässig wäre. Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind vielmehr insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen, darüber hinaus gegebenenfalls auch weitere Kriterien im Zusammenhang mit der Biologie der Art (BVerwG, Beschl. v. 08.03.2018 – 9 B 25/17 –, juris Rn. 11,). Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Ansatz prägnant dahingehend zusammengefasst, dass der Tatbestand des Tötungsverbots erst dann erfüllt ist, wenn das Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren unter Berücksichtigung artspezifischer Verhaltensweisen, häufiger Frequentierung des Einwirkungsbereichs der Anlage und der Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen einen Risikobereich übersteigt, der mit einem Vorhaben der zur Genehmigung stehenden Art im Naturraum immer und an jedem Ort verbunden ist (BVerfG, Beschl. v. 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13 u.a. -, juris Rn. 32).

Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

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