Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Oldenburg (Oldenburg) 5. Kammer | 5 B 2303/03 | Beschluss | BAföG für (russische) Staatsangehörige

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VG Oldenburg (Oldenburg) 5. Kammer,
Beschluss vom
14.07.2003, 5 B 2303/03, ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0714.5B2303.03.0A

§ 8 Abs 1 Nr 1 BAföG, § 8 Abs 1 Nr 7 BAföG, § 8 Abs 2 Nr 2 BAföG

Tenor

Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes und auf Gewährung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

2

Die Antragstellerin besitzt die russische Staatsbürgerschaft. Seit 1994 lebt sie mit ihrer Mutter in Deutschland, der Vater lebt weiterhin in Moskau. Sie ist seit dem Wintersemester 2002/2003 Studierende im Magisterstudiengang an der Antragsgegnerin.

3

Am 14. November 2002 beantragte die Antragstellerin die Gewährung von Ausbildungsförderung. Der Erklärung der Mutter der Antragstellerin ist u.a. zu entnehmen, dass sie vom leiblichen Vater der Antragstellerin geschieden und seit Dezember 1993 mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist. Sie – die Mutter – habe Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erzielt und zwar in Höhe von 7.520,- DM im Jahr 2000, 8.492,- DM im Jahr 2001 und nach der Verdienstbescheinigung für das Kalenderjahr 2002 Einkünfte als Nachhilfelehrerin auf Honorarbasis in Höhe von 7.282,35 Euro.

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Mit Bescheid vom 3. April 2003 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ab. Zur Begründung führte sie u.a. aus, die nachgewiesenen Zeiten der Erwerbstätigkeit der Mutter seien für die Gewährung von Ausbildungsförderung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG nicht ausreichend. Im Sinne der genannten Vorschrift könne eine Erwerbstätigkeit nur anerkannt werden, wenn sich eine Person aus dem Ertrag seiner Tätigkeit selbst unterhalten könne. Es müsse ein Schwerpunkt in der Erwerbstätigkeit liegen, welche die Arbeitskraft voll in Anspruch nehme. Die Mutter habe jedoch in den entscheidenden Jahren nur eine geringe Berufstätigkeit ausgeübt.

5

Die Antragstellerin erhob am 10. April 2003 Widerspruch. Ihr sei bereits nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 BAföG Ausbildungsförderung zu gewähren. Nach dieser Vorschrift werde Ausländern BAföG gewährt, wenn ein Elternteil Deutscher sei. Ihr Stiefvater, mit dem sie seit Jahren in familiärer Lebensgemeinschaft lebe, sei Deutscher. Nach Art. 6 GG sei auch das Stiefelternverhältnis grundgesetzlich geschützt. Aber auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG stehe ihr Ausbildungsförderung zu. Ihre Mutter sei seit Jahren „halbtags erwerbstätig“. Eine volle Erwerbstätigkeit werde nach dieser Vorschrift nicht verlangt. Im Übrigen habe ihre Mutter es auch nicht zu vertreten, nicht voll erwerbstätig gewesen zu sein. Ihre Mutter müsse schließlich noch ihren 7-jährigen Bruder versorgen, so dass ihrer Mutter eine volle Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei. Schließlich habe ihre Mutter auch einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehemann, der sie bislang auch immer „voll unterhalten“ habe. Der Unterhaltsanspruch und der Erlös aus der Halbtagstätigkeit erfüllten den Einkommensbegriff des Gesetzes für eine volle Erwerbstätigkeit.

6

Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26. Mai 2003 zurück. § 8 Abs. 1 Nr. 7 BAföG sei nicht einschlägig, da hiermit nur die leiblichen Eltern und die Adoptiveltern gemeint seien. Aus den Unterlagen gehe nicht hervor, dass der Stiefvater die Antragstellerin adoptiert habe. Somit komme es nicht entscheidungserheblich darauf an, dass der Stiefvater der Antragstellerin Deutscher sei.

7

Auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 BAföG seien nicht erfüllt. Die Voraussetzung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BAföG sei nicht gegeben, da das nachgewiesene Einkommen der Mutter nicht ausreiche, sich selbst zu unterhalten. Nach der Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BAföG sei zumindest eine Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Monaten zu verlangen. Da diese notwendige Phase der Erwerbstätigkeit bei der Mutter der Antragstellerin nicht gegeben sei, finde auch diese Ausnahmeregelung keine Anwendung.

8

Nachdem der Widerspruchsbescheid der Antragstellerin am 27. Mai 2003 zugestellt worden war, hat sie am 26. Juni 2003 Klage erhoben (5 A 2302/03) und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gestellt.

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Zur Begründung wiederholt die Antragstellerin zunächst ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Die Ablehnung der Ausbildungsförderung verstoße darüber hinaus auch gegen Art. 12 GG. Sie sei hier in Deutschland zur Schule gegangen, habe das Abitur gemacht und sei somit voll integriert. Durch die Versagung der Ausbildungsförderung werde ihr die Absolvierung eines Studiums unmöglich gemacht.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab sofort Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz vorläufig zu gewähren.

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und

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ihr für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin K. zu bewilligen

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes und Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.

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Sie verweist zunächst auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und führt zudem aus: Die Angabe der Antragstellerin, ihre Mutter sei seit ihrer Einreise im Jahre 1994 berufstätig, unterbrochen durch die Geburt ihres Bruders mit anschließender Erziehungszeit, werde bestritten. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Mutter in den Jahren 2000 bis 2002 Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt. Die selbstständige Tätigkeit erfülle jedoch nicht die Merkmale, die an eine Erwerbstätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG gestellt würden. Dies sei nur dann gegeben, wenn der Ertrag aus der Tätigkeit ausreiche, sich selbst zu unterhalten. Das durchschnittliche monatliche Einkommen der Mutter habe in den Jahren 2000 und 2001 626,67 DM (7.520,- DM : 12) bzw. 707,67 DM (8.492,- DM : 12) betragen und somit weit unter dem erforderlichen Betrag in Höhe von 1.032,- bzw. 1.092,- DM gelegen. Für das Jahr 2002 sei ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen in Höhe von 606,87 € (7.282,35 € : 12) zu verzeichnen gewesen und habe damit um 47,67 € über dem erforderlichen Betrag (559,20 €) gelegen. Hinzu kommen müsse aber, dass auch der zeitliche Schwerpunkt der Beschäftigung in der Erwerbstätigkeit liege. Die Mutter der Antragstellerin habe jedoch – jedenfalls nachweisbar im Jahre 2002 – Nachhilfeunterricht auf Honorarbasis gegeben. Den vollen Einsatz der Arbeitskraft erfordere diese Tätigkeit „typischerweise“ nicht. Die Mutter habe zudem nach eigenen Angaben lediglich „halbtags“ gearbeitet. Insoweit sei es unerheblich, dass das Einkommen den Bedarfssatz im Jahre 2002 überschreite. Auch auf die Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BAföG könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Von dem Erfordernis der Erwerbstätigkeit des Elternteils während der letzten sechs Jahre könne abgesehen werden, wenn sie aus einem nicht von ihm zu vertretenden Grund nicht ausgeübt worden und er im Inland mindestens sechs Monate erwerbstätig gewesen sei. Die in Teilziffer (Tz) 8.2.10 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföGVwV) genannten nicht zu vertretenden Gründe träfen auf die Mutter der Antragstellerin nicht zu. Nach Buchstabe b) der genannten Teilziffer seien zwar Zeiten der Mutterschutzfrist nach dem Mutterschutzgesetz und des Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgesetz nicht zu vertretende Gründe einer nicht ausgeübten Erwerbstätigkeit. Die Mutter habe aber einen Erziehungsurlaub nicht nachgewiesen und die Zeit der Mutterschutzfrist wirke sich im vorliegenden Fall nicht aus. Im Übrigen werde die Aussage im Widerspruchsbescheid, die Betreuung des 7-järhigen Sohnes sei ein nicht zu vertretender Grund, nicht mehr aufrechterhalten. Unterhaltsrechtliche Gesichtspunkte seien im Übrigen nicht zu berücksichtigen.

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Schließlich liege auch kein Verstoß gegen Art. 12 GG vor. Die Versagung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz stelle keine Zugangsbeschränkung zu einer Ausbildung dar, sondern regele die Verteilung öffentlicher Mittel. Der Zugang zum Studium werde dadurch nicht verhindert, zumal die Antragstellerin das Studium bereits aufgenommen habe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge verwiesen.

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II. Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu beurteilende Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr Ausbildungsförderung nach dem BAföG zu gewähren und damit – wenn auch nur vorläufig – bereits das, was sie bei einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren erstreiten kann. Eine derartige grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ist zwar im Streit um Ausbildungsförderungsleistungen nicht schlechthin ausgeschlossen. Voraussetzung ist jedoch ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache. Dieser ist hier nicht gegeben; die Klage der Antragstellerin (5 A 2302/03) wird bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des derzeitigen Sach- und Streitstandes voraussichtlich ohne Erfolg bleiben.

21

Die Antragstellerin erfüllt aller Voraussicht nach nicht die persönlichen Voraussetzungen des § 8 des Bundesgesetzes über (die) individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl. I S. 645), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3986).

22

Die Antragstellerin erfüllt offensichtlich nicht die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BAföG. Danach wird Ausbildungsförderung Deutschen im Sinne des Grundgesetzes geleistet. Die Antragstellerin hat nach den vorgelegten Unterlagen allein die russische Staatsangehörigkeit und ist somit nicht Deutsche im Sinne des Grundgesetzes.

23

Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Ansicht erfüllt diese auch nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 7 BAföG. Nach der genannten Vorschrift wird Ausländern, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, dann Ausbildungsförderung geleistet, wenn ein Elternteil oder der Ehegatte Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist. Die Antragstellerin hat als russische Staatsangehörige seit 1994 zwar ihren ständigen Wohnsitz im Inland. Der deutsche Stiefvater der Antragstellerin, der seit Ende 1993 mit der Mutter der Antragstellerin verheiratet ist, stellt aber kein „Elternteil“ im Sinne des Gesetzes dar. Von dem Begriff Elternteil im Sinne der anzuwendenden Vorschrift werden zwar nicht nur die leiblichen Eltern erfasst, sondern auch die Adoptiveltern (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1979 – V C 16.77 -, BVerwGE 58, 353 ff). Zwar enthält das BAföG in dieser Hinsicht keine ausdrückliche Klarstellung. Es verwendet immer nur den Begriff Eltern oder Elternteil (z.B. § 11 Abs. 4 BAföG). Die deutsche Rechtsordnung versteht jedoch in aller Regel unter dem Begriff der Eltern auch die Adoptiveltern. Durch die Annahme an Kindes Statt erlangt das Kind kraft Gesetzes die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden (§ 1754 BGB). Schon im Hinblick auf diese Rechtslage ist es nur folgerichtig, wenn auch der im BAföG verwendete Begriff Eltern oder Elternteil umfassend verstanden wird und die Adoptiveltern einbezieht (vgl. Tz 11.2.1 BAföGVwV). Stiefelternteile gehören jedoch nicht dazu. Denn im Gegensatz zum Adoptivelternverhältnis, in dem das angenommene Kind die volle rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten erhält und Unterhaltsansprüche entstehen, begründet das Stiefeltern-Verhältnis keine Ansprüche auf einen Unterhalt. Dass der „Stiefvater“ der Antragstellerin ihr nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren tatsächlich Unterhalt gewährt hat, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich.

24

Die Antragstellerin wird aller Voraussicht nach auch keinen Anspruch auf Gewährung von BAföG aus § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 BAföG ableiten können.

25

Nach der genannten Norm wird anderen Ausländern Ausbildungsförderung geleistet, wenn zumindest ein Elternteil während der letzten sechs Jahre vor Beginn des förderungsfähigen Teils des Ausbildungsabschnitts sich insgesamt drei Jahre im Inland aufgehalten hat und rechtmäßig erwerbstätig gewesen ist; im Übrigen von dem Zeitpunkt an, in dem im weiteren Verlauf des Ausbildungsabschnitts diese Voraussetzungen vorgelegen haben (Abs. 2 Nr. 2 Satz 1). Von dem Erfordernis der Erwerbstätigkeit des Elternteils während der letzten sechs Jahre kann nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BAföG abgesehen werden, wenn sie aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde nicht ausgeübt worden ist und er im Inland mindestens sechs Monate erwerbstätig gewesen ist.

26

Voraussetzung für beide Regelungen ist demnach, dass ein Elternteil – hier die Mutter der Antragstellerin – „erwerbstätig“ gewesen ist. Hieran wird der Anspruch der Antragstellerin aller Voraussicht nach scheitern.

27

Bei dem Begriff der Erwerbstätigkeit, den das BAföG an mehreren Stellen verwendet (vgl. § 8 Abs. 2, § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und § 18 b Abs. 5 Satz 1 Nr.3 BAföG), handelt es sich um einen auslegungsfähigen Rechtsbegriff, der nicht an allen Stellen des Gesetzes in identischem Sinne verwendet wird (BVerwG Beschl. v. 24. April 1996 – 5 B 1/96 -, Buchholz 436.36 § 18 b BAföG Nr. 14). Mit § 8 Abs. 2 BAföG soll die Integration ausländischer Auszubildender gefördert werden. Nr. 2 dieser Regelung bevorzugt diejenigen Ausländer, die bereits von ihren Eltern her eine gewachsene engere Beziehung zum deutschen Lebens- und Kulturkreis haben (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1979 – V C 16.77 -, BVerwGE 58, 353 ff.). Damit soll auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Arbeit der Eltern des Auszubildenden, auf deren Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes und deren Erwerbstätigkeit abgestellt wird, nicht unwesentlich dazu beiträgt (beigetragen hat), dass Sozialinvestitionen wie die Ausbildungsförderung möglich sind (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 1984, – 5 C 34/81 -, BVerwGE 70, 185 ff.). Die Mindesterwerbstätigkeit von sechs Monaten ist somit eine unverzichtbare Anspruchsvoraussetzung.

28

Nach dem Vorbringen der Antragstellerin und den der Kammer vorliegenden Unterlagen ist eine mindestens sechsmonatige Erwerbstätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG der Mutter der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht worden.

29

Erwerbstätigkeit im Sinne des BAföG ist nicht schon jede auf Verdienst ausgerichtete Betätigung. Das folgt zum einen aus dem gesetzgeberischen Anliegen, wonach derjenige nicht von der Förderung ausgeschlossen sein soll, der selbst oder dessen Eltern nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass Sozialinvestitionen wie die Ausbildungsförderung möglich sind. Zur Ermöglichung solcher Sozialinvestitionen trägt aber nur derjenige bei, der einer regelmäßigen, auf Dauer angelegten Tätigkeit nachgeht, die seine Arbeitskraft voll in Anspruch nimmt und die zur Entrichtung von Steuern und – soweit er nicht selbstständig tätig ist – Sozialabgaben verpflichtet. Unregelmäßige Tätigkeiten, gelegentliche, am jeweiligen Bedarf des Betroffenen orientierte Arbeitsleistungen sowie kurzfristige Vollzeitbeschäftigungen (z.B. während der Semesterferien) genügen diesen Anforderungen nicht. Sie nehmen die Arbeitskraft des Betroffenen nicht voll in Anspruch, verpflichten regelmäßig nicht zur Entrichtung von Sozialbeiträgen und führen meist auch nicht zu einer Steuerpflicht, weil das relativ geringfügige Jahreseinkommen im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs bzw. der Einkommensteuererklärung ganz oder zu einem erheblichen Teil von den Finanzämtern auf Antrag erstattet wird (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1981 – 5 C 30/79 -, Buchholz 436.36 § 8 BAföG Nr. 2; OVG Berlin, Urteil vom 19. Oktober 1978 – VI B 12.77 -, zitiert nach Juris; v. Stern, in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Auflage, 15. Lfg. November 1999, § 8 Rdnr. 61; Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 3. Auflage 1991, § 8 Rdnr. 12).

30

Hiernach scheitert der Anspruch auf Leistung nach dem BAföG, weil die Mutter der Antragstellerin lediglich „halbtags“ als Nachhilfelehrerin auf Honorarbasis tätig (gewesen) ist. Der im Antragsverfahren durch die Antragstellerin vorgelegten Verdienstbescheinigung der Mutter der Antragstellerin für das Kalenderjahr 2002 ist zu entnehmen, dass die behauptete halbtägige Tätigkeit auch nicht in gleichem Umfange geleistet wird. So ist für den Monat August 2002 z. B. eine Honorarzahlung in Höhe von 916,24 € ausgewiesen, während die Honorarzahlungen im Monat Dezember 2002 lediglich 171,80 € betrugen. Es spricht demnach Überwiegendes dafür, dass die Mutter der Antragstellerin keine regelmäßig Erwerbstätigkeit ausübt bzw. ausgeübt hat, sondern den Nachhilfeunterricht lediglich auf Abruf gibt, d.h., wenn die betroffene Personen – bei Bedarf – den Nachhilfeunterricht wünschen. Dies stellt aber unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung und Literaturhinweise keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG dar mit der Folge, dass bereits hiernach der Anspruch auf Bewilligung von BAföG-Leistungen zu Gunsten der Antragstellerin aller Voraussicht nach ausgeschlossen ist. Diese Ausführungen gelten auch für die Tätigkeit der Mutter in den Jahren 2000 und 2001; auch insoweit wird lediglich eine Halbtagsbeschäftigung behauptet.

31

Für den geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin ist es zur Überzeugung der Kammer darüber hinaus rechtlich unerheblich, dass die Mutter der Antragstellerin behauptet, einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehemann zu haben und von diesem auch ‚voll unterhalten‘ wird. Denn der Begriff der Erwerbstätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG und die in diesem Zusammenhang erzielten Einnahmen der Mutter können entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Ansicht nicht mit dem Unterhaltsanspruch der Mutter gegenüber ihrem Ehemann „
angefüttert
“ werden, um die unabweisbar notwendige Phase einer sechsmonatigen Erwerbstätigkeit im Sinne der genannten Norm zu erfüllen.

32

Schließlich liegt in der ablehnenden Entscheidung der Antragsgegnerin keine Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die Antragstellerin kann als russische Staatsangehörige keine Verletzung dieses Grundrechts geltend machen, da es sich insoweit um ein Bürgerrecht handelt, das nur Deutschen i.S.d. Art. 116 GG zusteht.

33

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes war daher mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 1 VwGO abzulehnen.

34

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war mangels Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung aus o.g. Gründen abzulehnen (§§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO).

 


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