Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Stade 4. Kammer | 4 A 1503/99 | Urteil | Förderung eines außerhalb des Kreisgebiets gelegenen Kindergartens

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Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: VG Stade 4. Kammer | 4 A 1503/99 | Urteil | Förderung eines außerhalb des Kreisgebiets gelegenen Kindergartens

VG Stade 4. Kammer,
Urteil vom
25.06.2003, 4 A 1503/99, ECLI:DE:VGSTADE:2003:0625.4A1503.99.0A

§ 114 VwGO, § 5 SGB 8, § 22 SGB 8, § 24 SGB 8, § 74 Abs 1 SGB 8, § 74 Abs 3 SGB 8, § 74 Abs 5 SGB 8, § 80 SGB 8, § 90 SGB 8

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um einen Zuschuss des Beklagten zu den laufenden Betriebskosten des Kindergartens des Klägers für die Jahre 1997 bis 1999.

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Der Kläger betreibt in E., Landkreis Soltau-Fallingbostel, den Waldorfkindergarten E.. Diese Einrichtung besteht seit dem Jahre 1989 und wird von rund 40 Kindern besucht. In den hier streitigen Kindergartenjahren 1997 bis 1999 wurden in der Einrichtung des Klägers auch Kinder aus dem Bereich des Beklagten betreut. Im Einzelnen erfolgte im Jahre 1997 die Betreuung eines Kindes und in den Jahren 1998 und 1999 wurden drei Kinder aus F., Landkreis Verden, durch die Einrichtung des Klägers betreut.

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Der Kläger wandte sich erstmals mit Schreiben vom 10.08.1995 an die Gemeinde F., aus deren Gebiet Kinder in der Einrichtung betreut wurden, und bat um Erstattung des Defizits, das durch den Kindergartenbesuch der Kinder aus G. im Zeitraum vom 01.08.1994 bis zum 31.07.1995 entstanden war. Diesen Antrag lehnte die Gemeinde G. mit Schreiben vom 14.09.1995 ab. Die Gemeinde G. sei bereits jetzt in der Lage, allen drei- bis sechsjährigen Kindern aus der Gemeinde einen Platz in einer der sechs gemeindlichen Einrichtungen anzubieten. Es bestehe daher keine Veranlassung, auf Plätze außerhalb der Gemeinde zurückzugreifen. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 27.09.95 Widerspruch ein. Hierüber ist, soweit ersichtlich, eine Entscheidung nicht ergangen.

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Mit weiterem Schreiben vom 17.12.1998, nunmehr an den Beklagten, beantragte der Kläger eine Betriebskostenförderung für 1998. Mit Schreiben vom 29. Dezember 1998 wies der Beklagte darauf hin, dass beabsichtigt sei, diesen Antrag abzulehnen. Der Kläger machte daraufhin mit Schreiben vom 02.02.1999 eine Erweiterung des Antrages auf das Jahr 1999 geltend. Mit weiterem Schreiben vom 23.02.1999 erfolgte eine erneute Erweiterung des Begehrens, nunmehr auf das Jahr 1997. Der Beklagte lehnte diese Anträge mit Bescheid vom 11.03.1999 ab. Der Beklagte habe einen Kindertagesstättenbedarfsplan aufgestellt und fortgeschrieben. Danach werde der Bedarf im Kreisgebiet durch die vorhandenen Einrichtungen abgedeckt. Dies gelte insbesondere im Bereich F.. Es gebe deshalb keine Veranlassung, Einrichtungen außerhalb des Kreisgebietes in Anspruch zu nehmen. Demzufolge bestehe kein Förderanspruch für einen Kindergarten, der nicht im Zuständigkeitsbereich des Jugendhilfeträgers liege. Denn der Träger müsse die Gesamtverantwortung tragen. Auch müsse die Einrichtung zur Bedarfsbefriedigung erforderlich sein. Das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern könne nicht zu einem Anspruch auf Förderung einer Einrichtung führen.

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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 17.03.1999 Widerspruch. Die Planungsverpflichtung des Jugendhilfeträgers bedeute, dass dieser Rücksicht auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger zu nehmen habe. Wenn hiernach eine Betreuung in einem außerkreisgebietlichen Kindergarten gewünscht werde, müsse der Jugendhilfeträger dies berücksichtigen. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg habe mit Beschluss vom 25.02.1998 festgestellt, dass die Kreisgrenzen jedenfalls keine Planungsgrenzen seien. Eine fehlerhafte Planung könne einem Förderungsbegehren hiernach nicht entgegen stehen.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.1999 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ein Einrichtungsträger könne einen Förderanspruch nur gegen den örtlichen Jugendhilfeträger richten. Denn dieser trage die Gesamtverantwortung. Der Bedarfsplan des Landkreises Verden weise für die Gemeinde G. einen Überschuss aus. Dieser betrage zum 01.08.1997 fünf Plätze, zum 01.08.1998 27 Plätze und zum 01.08.1999 26 Plätze. Nach der zweiten Fortschreibung des Kindertagesstättenbedarfsplanes betrage der Überschuss zum 01.08.1998 einen Platz und zum 01.08.1999 vier Plätze. Der kreisweite Bedarf betrage 4.257 Plätze (per 01.08.1999). Vorhanden seien demgegenüber 4316 Plätze. Der Kläger sei nicht in den Bedarfsplan aufgenommen. Der Bedarf an waldorfpädagogisch ausgerichteten Kindertagesstätten sei durch die Einrichtung in H. gedeckt. Im Übrigen beziehe sich die von dem Kläger angeführte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg nicht auf Fördermaßnahmen nach dem SGB VIII, sondern auf die Regelung des § 90 SGB VIII.

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Der Kläger hat am 13.09.1999 Klage erhoben, mit der er geltend macht:

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Die durch den Beklagten angestellte Bedarfsplanung sei fehlerhaft. Denn die Planungspflicht des Jugendhilfeträgers ende nicht an den Kreisgrenzen. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts werde Bedarf als Nachfrage verstanden. Das andere Verständnis des Beklagten führe somit zwangsläufig zu einer fehlerhaften Planung. Im Übrigen ergebe sich ein Förderanspruch auch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß § 74 Abs. 5 SGB VIII. Denn der Beklagte fördere bei dem Waldorfkindergarten in Ottersberg auch dort betreute auswärtige Kinder. Dann müsse der Beklagte aber auch Kinder aus seinem Kreisgebiet, die außerhalb der Kreisgrenzen betreut würden, durch Zuschüsse an diese Einrichtungen fördern. Es sei im Übrigen nicht richtig, dass der Beklagte erst durch das anhängige Verfahren von der bestehenden Nachfrage nach auswärtigen Plätzen erfahren habe. Denn der Kläger habe sich bereits im Jahre 1995 an die Gemeinde G. mit diesem Vorbringen gewandt. Wenn der Beklagte einwende, eine weitere Förderung von Kindergartenplätzen außerhalb seines Kreisgebietes führe zu einer Doppelförderung, so sei dies letztlich dadurch bedingt, dass der Beklagte offenbar Fördermittel für Plätze vorhalte, die zwar vorhanden, aber nicht belegt seien. Offenkundig habe der Beklagte die Vorschrift des § 80 SGB VIII verkannt bzw. nicht angewandt. Dies führe zwingend zu einer falschen Planung. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Verlauf des Rechtsstreits mit Urteilen vom 25.04.2002 klargestellt, dass durchaus die Förderung einer auswärtigen Kindertagesstätte erfolgen könne. Über die beantragte Förderung habe der Jugendhilfeträger eine Ermessensentscheidung zu treffen. Der Beklagte habe seine ablehnenden Bescheide ausschließlich darauf gestützt, dass die Einrichtung des Klägers sich nicht innerhalb seines Kreisgebietes befinde. Das sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts falsch. Der Beklagte sei deshalb verpflichtet, im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens eine Neubescheidung durchzuführen.

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Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

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den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 11.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1999, dem Kläger einen Zuschuss zum Betrieb seines Kindergartens für 1997 in Höhe von 1.935,76 DM, für 1998 in Höhe von 3.039,40 DM, sowie für 1999 anteilig zu zahlen,

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hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Forderung des Klägers werde nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach bestritten. Die Klage könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Kläger nicht in dem Bedarfsplan des Beklagten aufgenommen sei. Dem Beklagten sei die punktuelle Nachfrage nach Plätzen in der Einrichtung des Klägers aus dem Landkreis Verden erst durch dieses Verfahren bekannt geworden. Das mache den vorhandenen Bedarfsplan aber nicht gleich fehlerhaft. Der Beklagte habe den Bedarf in Kirchlinteln mit 312 Plätzen richtig ermittelt. Hierfür stünden 313 Plätze tatsächlich zur Verfügung. Inwieweit vorhandene Plätze tatsächlich in Anspruch genommen würden, sei letztlich nicht planbar. Wenn man „Bedarf“ mit „Nachfrage“ gleichsetze, werde der Wunsch des Personensorgeberechtigten zum Rechtsanspruch. Dieses sei mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht mehr zu vereinbaren. Im Übrigen betrage nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts eine planbare Größe für Kindertagesstätten 20 bis 25 Kinder. Diese werde durch die Zahl der in der Einrichtung des Klägers betreuten Kinder aus dem Kreisgebiet des Beklagten weit unterschritten. Schließlich müsse der Jugendhilfeträger bei seiner Kindertagesstättenbedarfsplanung eine möglichst ortsnahe Versorgung anstreben. Hierfür könne eine „Abstimmung mit den Füßen“ allein nicht Grundlage sein. Auch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.04.2002 seien für den Beklagten kein Anlass, eine andere Entscheidung zu treffen. Zwar treffe es zu, dass der Beklagte eine Förderung von Einrichtungen außerhalb seines Kreisgebietes für ausgeschlossen gehalten habe. Der Sachverhalt in dem hier zu entscheidenden Fall unterscheide sich jedoch von dem, der der Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung vom 25.04.2002 zu Grunde liege, wesentlich. Im Bereich des Beklagten gebe es nämlich Waldorfkindergärten. Das vorhandene Angebot werde nicht einmal voll genutzt. Also müsse der Beklagte allenfalls unvollständige Ermessenserwägungen ergänzen, nicht aber Ermessenserwägungen nachschieben oder gar austauschen. Demzufolge ergänze der Beklagte die angefochtenen Entscheidungen entsprechend § 114 Abs. 2 VwGO dahin, dass der Beklagte bei seiner Förderentscheidung davon ausgegangen sei, dass die vorhandenen Plätze ausreichend seien. Das Bundesverwaltungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass der Jugendhilfeträger sein Ermessen richtig ausübe, wenn die Förderung weiterer Maßnahmen abgelehnt werde, die über den vorhandenen Bedarf hinaus gingen. Weiter habe das Bundesverwaltungsgericht erklärt, dass den Einrichtungen der Vorzug zu geben sei, die stärker an den Interessen und Bedürfnissen der Betroffenen orientiert seien. Das sei im vorliegenden Fall bei dem Waldorfkindergarten H. der Fall. Der Beklagte habe bei seiner Förderentscheidung auch den Grundsatz der ortsnahen Versorgung berücksichtigt. Das Angebot des Klägers erfülle dieses Gebot allenfalls für eine Randlage des Kreisgebietes. Schließlich sei anzumerken, dass die Argumentation des Klägers fehl gehe, der Beklagte habe seine ablehnende Entscheidung ausschließlich auf die fehlende örtliche Zuständigkeit gestützt. Letztlich sei das Angebot des Klägers nämlich deshalb nicht berücksichtigt worden, weil das bereits bestehende Angebot den Bedarf decke.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die die Kammer mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.

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Sie ist unbegründet, weil der Kläger die begehrte Zuschussbewilligung durch den Beklagten ebenso wenig beanspruchen kann, wie die hilfsweise beantragte Neubescheidung. Denn die angefochtenen Bescheide erweisen sich im Ergebnis als rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Dazu im Einzelnen:

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Nach § 74 Abs. 1 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe fördern, wenn der jeweilige Träger die in § 74 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 SGB VIII festgelegten Kriterien erfüllt. Dass der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung des beantragten Zuschusses ist jedoch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen noch nicht zwingend gegeben. Denn gemäß § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die Art und Höhe der Förderung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen. Dieses Ermessen ist im vorliegenden Fall nicht dahingehend reduziert, dass der Kläger einen Förderanspruch hat.

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Allerdings ist durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.04.2002 (hier: 5 C 17.01) klargestellt, dass die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Rechtsauffassung des Beklagten, ein Förderungsanspruch nach § 74 SGB VIII scheide bereits deshalb aus, wenn der Kindergarten, für den die Förderung begehrt wird, nicht im Gebiet des angegangenen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gelegen ist, aber von Kindern aus dessen Gebiet besucht wird, unzutreffend ist. Ausdrücklich führt das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hierzu aus:

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… Denn daraus ergibt sich, dass ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Förderung nach § 74 SGB VIII unabhängig vom Standort des Kindergartens dazu nutzen kann, ein ausreichendes Angebot an Kindergartenplätzen für die Kinder aus seinem Gebiet sicherzustellen, um ihnen gegenüber seine Verpflichtungen aus § 24 Satz 1 SGB VIII erfüllen zu können. Daraus folgt weiter, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für eine Förderung von Kindergartenplätzen in einem außerhalb seines Gebietes gelegenen Kindergarten dann zuständig ist, wenn er damit Kindern aus seinem Gebiet, die ihm gegenüber einen Anspruch nach § 24 Satz 1 SGB VIII haben, Kindergartenplätze anbieten will. Zuständig ist demnach der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, dem das Angebot im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch die Nutzbarkeit von Kindergartenplätze zugute kommt.

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Eine Reduzierung des dem Jugendhilfeträger eingeräumten Ermessens ergibt sich im vorliegenden Fall nach der oben angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht aus der Jugendhilfeplanung des Beklagten nach § 80 SGB VIII. Denn nur, wenn eine solche Planung vorliegt, ist diese bei der Förderung nach § 74 SGB VIII zu beachten. Der Beklagte hat die Einrichtung des Klägers aber nicht in seinen Kindertagesstättenbedarfsplan aufgenommen.

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Ebenso führt der Umstand, dass regelmäßig Kinder aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten die Einrichtung des Klägers besucht haben, nicht zu einer Ermessensbindung. Zwar bestimmt sich der Bedarf an Kindergartenplätzen insofern an der tatsächlichen Nachfrage, als nach § 24 Satz 1 SGB VIII jedes Kind vom vollendeten 3. Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens hat. Dieser Anspruch bezieht sich aber nicht auf einen bestimmten Kindergartenplatz oder einen bestimmten Kindergarten. Auch das individuelle Wunsch- und Wahlrecht des Kindes bzw. seiner Eltern nach § 5 SGB VIII führt nicht dazu, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII alle von Kindern aus seinem Gebiet besuchten Kindergartenplätze fördern müsste. Denn die institutionelle Förderung von Kindergärten bzw. Kindergartenplätzen nach § 74 SGB VIII ist nicht individuell auf ein konkretes Kind und dessen Wünsche im Einzelfall bezogen, sondern auf Kindergärten insgesamt oder auf ein bestimmtes Kontingent von Kindergartenplätzen, die der Träger der öffentlichen Jugendhilfe institutionell vielmehr deshalb fördert, damit sie Kindern aus seinem Gebiet offen stehen, er ihnen gegenüber also seine Verpflichtung aus § 24 Satz 1 SGB VIII erfüllen kann (BVerwG, a.a.O.).

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Da das Ermessen des Beklagten, über die Art und Höhe der Förderung zu entscheiden, damit nicht auf eine Pflicht zur Förderung dem Grunde nach reduziert war, konnte der Beklagte sein Ermessen dahin ausüben, dass im vorliegenden Fall eine Förderung nicht erfolgt. Diese Ermessensausübung ist den angefochtenen Bescheiden auch zu entnehmen, selbst wenn der Beklagte davon ausgegangen ist, dass eine Förderung bereits dem Grunde nach nicht in Betracht kommen kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 25. April 2002 im Einzelnen die zu berücksichtigenden Ermessensgesichtspunkte aufgeführt. Danach gilt Folgendes:

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Nach § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ist auf der Grundlage der oben dargestellten Förderungszuständigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn mehrere Antragsteller die Förderungsvoraussetzungen erfüllen und die von ihnen vorgesehenen Maßnahmen gleichgeeignet sind, zur Befriedigung des Bedarfs jedoch nur eine Maßnahme notwendig ist. Folglich kann eine Förderung von weiteren Maßnahmen (von weiteren Kindergartenplätzen) abgelehnt werden, wenn die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Maßnahmen (Kindergartenplätze) bereits vorhanden sind. Bei sonst gleichgeeigneten Maßnahmen soll solchen der Vorzug gegeben werden, die stärker an den Interessen der Betroffenen orientiert sind und ihre Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Maßnahme gewährleisten (§ 74 Abs. 4 SGB VIII). Bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen mehrerer Träger sind unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Bezogen auf Kindergärten sind insbesondere deren Aufgabe und verschiedenen Leistungsangebote in den Blick zu nehmen: In Kindergärten soll die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert werden (§ 22 Abs. 1 SGB VIII); die Aufgabe umfasst die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes (§ 22 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII); das Leistungsangebot soll sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und Familien orientieren; bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollen die in den Einrichtungen tätigen Fachkräfte und andere Mitarbeiter mit den Erziehungsberechtigten zum Wohle der Kinder zusammenarbeiten (§ 22 Abs. 3 SGB VIII). …

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Entsprechend den Vorgaben für die Jugendhilfeplanung in § 80 Abs. 2 Nr. 1 und § 4 SGB VIII gilt für die Ausübung des Förderungsermessens nach § 74 Abs. 3 SGB VIII, dass Kindergartenplätze so gefördert werden, dass Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können und Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens nach § 26 SGB VIII i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 5 und 6 Nds. KiTaG i.d.F. vom 25. September 1995 (Nds. GVBl. S. 304) – jetzt § 5 Abs. 1 Satz 4 und 5 Nds. KiTaG i.d.F. vom 4. August 1999 (Nds. GVBl. S. 309) – möglichst ortsnah zu erfüllen ist und sich nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung richtet. Bei der Ermessensentscheidung über die institutionelle Förderung von Kindergartenplätzen sind die maßgeblichen Kriterien einzustellen und abzuwägen. So können z.B. für die Förderung eines Kindergartens dessen Ortsnähe, für die eines anderen dessen günstige Verkehrsanbindung zu Arbeitsstätten der Eltern sprechen. Auch kommt der pädagogischen Ausrichtung eines Kindergartens (z.B. gemeindlicher, kirchlicher oder wie hier Waldorf-Kindergarten) sowie seiner Betreuungsorganisation (z.B. in Bezug auf Vor- und Nachmittagsgruppen) Bedeutung zu. So bedürfte es besonderer Erklärung, warum angebotene Kindergartenplätze mit einer bestimmten Pädagogikausrichtung trotz anhaltender Nachfrage anders als solche mit anderer Pädagogikausrichtung nicht gefördert werden.

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Der Beklagte hat in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid zunächst nicht verkannt, dass er eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. Hiervon ausgehend ist in der Begründung des Widerspruchsbescheides auf die maßgeblichen Gesichtspunkte der Ermessensausübung eingegangen worden, auch wenn der Beklagte von einer bereits dem Grunde nach nicht gegebenen Förderfähigkeit der Einrichtung des Klägers ausgeht. So hat der Beklagte ausgeführt, dass der vorhandene Bestand an Plätzen den kreisweiten Bedarf übersteigt. Das Angebot des Klägers sei nicht in den Kindertagesstättenbedarfsplan für den Beklagten aufgenommen. Zur Bedarfsdeckung der ortsnah zu erhebenden Kindertagesstättenplätze unterhielten die öffentlichen und freien Träger der freien Jugendhilfe im Landkreis Verden ein ausreichendes und plurales Angebot, um den kreisweiten Planungen, insbesondere auch vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz, im vollen Umfange zu genügen. Die Trägervielfalt im Landkreis Verden sei gewünscht und entspräche dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern und Kinder im Landkreis Verden. Das Angebot an Kindergartenplätzen mit waldorfpädagogischer Ausrichtung sei mehr als ausreichend abgedeckt mit dem Angebot des Waldorf-Kindergartens Ottersberg, der mit zwei Gruppen mit 50 Plätzen in den Kindertagesstättenbedarfsplan für den Landkreis Verden aufgenommen sei. Die für den Sozialraum Gemeinde Kirchlinteln eingerichtete lokale Arbeitsgruppe habe im Rahmen der 1997 durchgeführten Jugendhilfeplanung einen Bedarf für das Angebot der freien Kindergarteninitiative I. e.V., außerhalb der Kreisgrenzen Waldorf-Kindergartenplätze vorzuhalten, nicht festgestellt. Im Übrigen sei eine möglichst ortsnahe Versorgung durch die Einrichtung des Klägers nicht gegeben.

27

Diese Erwägungen des Beklagten lassen eine Ermessensausübung im Rahmen der gesetzlichen Regelung in § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII erkennen. Der Beklagte hat diese Erwägungen darüber hinaus mit Schriftsatz vom 7. November 2002 ergänzt und präzisiert. Im Einzelnen nimmt die Kammer hierzu Bezug auf die Ausführungen des Beklagten in diesem bei den Gerichtsakten befindlichen Schriftsatz. Diese halten sich im Rahmen der gesetzlichen Regelung des § 114 Satz 2 VwGO. Denn es geht hierbei nicht um ein vollständiges Nachschieben von Ermessenserwägungen oder ein Austauschen oder Nachschieben wesentlicher Teile der Ermessenserwägungen. Diese sind vielmehr den angefochtenen Bescheiden in den Grundzügen durchaus zu entnehmen.

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Zusammenfassend bleibt damit festzuhalten, dass der Kläger eine Verpflichtung des Beklagten zur Förderung der von ihm betriebenen Einrichtung nicht beanspruchen kann. Ebenso wenig kommt eine Verpflichtung des Beklagten durch das Gericht zur Neubescheidung in Betracht. Denn die angefochtenen Bescheide erweisen sich unter Berücksichtigung der in dem Schriftsatz des Beklagten vom 7. November 2002 enthaltenen Erwägungen als ermessensfehlerfrei.

 


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