Rede von Birgit Honé, Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, zu TOP 31 „Haushaltsberatungen 2022/2023 – Schwerpunkt Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung“ im Nds. Landtag am 15.12.21 | Nds. Ministerium für Bundes

Rede von Birgit Honé, Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, zu TOP 31 „Haushaltsberatungen 2022/2023 – Schwerpunkt Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung“ im Nds. Landtag am 15.12.21 | Nds. Ministerium für Bundes

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

schon im letzten Jahr wurde bei den Haushaltsberatungen immer wieder erwähnt, dass ein schwieriges Jahr zu Ende gehen würde. Wir hatten sicher alle die Hoffnung, dass sich diese Einschätzung im Jahr 2021 nicht wiederholen würde, leider ist es anders gekommen.

Die Corona-Einschränkungen bestimmen nach wie vor den Alltag. Wir arbeiten erneut so umfassend wie irgend möglich im Homeoffice. Die Landesvertretungen in Berlin und Brüssel und unser Europäisches Informationszentrum sind von den Einschränkungen besonders betroffen. Für ihre Arbeit sind persönliche Kontakte außerordentlich wichtig.

Alle drei Einrichtungen haben gleich zu Beginn der Corona Pandemie auf Online-Veranstaltungen umgestellt. Das ist so gut gelungen, dass wir auch in Zukunft eine Kombination von Online-, Hybrid- und Präsenzveranstaltungen planen.

Das Jahr 2021 hat für die Europäische Union Entscheidungen von großer Tragweite gebracht. Ende Mai war das Ratifizierungsverfahren für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) von 2021-2027 abgeschlossen. Zusammen mit dem Aufbauinstrument „Next Generation EU“ stehen in der EU beispiellose 1,8 Billionen Euro an Finanzmitteln zur Verfügung, um die Erholung von der COVID-19-Pandemie zu unterstützen und die langfristigen Prioritäten der EU in verschiedenen Politikbereichen zu sichern.

Bei der Verteilung der Mittel haben wir in den drei Fonds – EFRE, ESF, ELER – für Niedersachsen eine Erhöhung erzielen können. Niedersachsen erhält in der neuen EU-Förderperiode 2021-2027 für die großen Fonds insgesamt 2,9 Milliarden Euro EU-Mittel. Im Zeitraum 2014-2020 waren es 2 Milliarden.

Bestandteil des Wiederaufbauinstruments „Next Generation EU“ ist das Programm „REACT-EU“. Aus diesem Programm fließen nun rund 212 Millionen Euro nach Niedersachsen in das laufende Multifondsprogramm. Wir haben die erfreuliche Mitteilung bekommen, dass Niedersachsen mehr Geld erhalten wird, und zwar statt 207 Millionen Euro rund 212 Millionen Euro. Das freut uns natürlich sehr, denn es wird positive Auswirkungen auf unser Sofortprogramm „Perspektive Innenstadt!“ haben, aber dazu komme ich gleich noch.

Auch der ELER profitiert von diesem Wiederaufbauinstrument. In den nächsten zwei Jahren fließen allein 86 Millionen Euro für die Aufstockung von ELER-Fördermaßnahmen nach Niedersachsen. So gehen wir gestärkt in die Verlängerungsphase der Förderperiode 2014-2020, die um die Jahre 2021/2022 erweitert wurde.

Bei der Entwicklung und Stärkung der Fördermöglichkeiten haben wir die regionalen Belange unter Beteiligung der Partnerinnen und Partner vor Ort in den Vordergrund gestellt. Damit setzen wir ein zentrales Ziel der fondsübergreifenden EU-Landesförderstrategie um.

Unsere Programme verfolgen ein wichtiges Ziel: Wir müssen die Regionen für die Zukunft fit machen und resilient aufstellen.

Unsere Innenstädte stehen vor großen Herausforderungen. Durch die Corona-Pandemie wurden die Herausforderungen, die schon länger durch die Zunahme des Online-Handels oder die Problematik von Leerständen bestanden, extrem verstärkt. Betroffen sind nahezu alle Städte, unabhängig von ihrer Größe und ihrer Lage.

Aus dem EU-Hilfsprogramm REACT-EU haben wir in enger Zusammenarbeit mit den Kommunalen Spitzenverbänden das Sofortprogramm „Perspektive Innenstadt!“ auf den Weg gebracht. Da wir nun mehr Mittel aus dem REACT-EU-Programm erhalten, werden wir dieses Programm finanziell aufstocken, sodass rund 120 Millionen Euro für unsere Innenstädte zur Verfügung stehen. Und das ist gut so, denn das Programm ist ein echter Volltreffer: Wir haben 207 Anträge erhalten – und konnten alle positiv bescheiden.

Dies liegt nicht zuletzt an dem guten Zusammenspiel zwischen meinem Haus und unseren Ämtern für regionale Landesentwicklung, die hier in kürzester Zeit alle notwendigen Weichen gestellt haben. Denn: die Hilfe soll schnell in den Regionen ankommen, das fordert auch die EU: bis März 2023 müssen alle geförderten Projekte abgeschlossen sein.

Für größere Städte haben wir zusätzlich das EFRE-Programm „Resiliente Innenstädte“ entwickelt. Der Startschuss für das mit 61,5 Millionen Euro ausgestattete Programm ist gefallen. Bis zu den Sommerferien 2022 wird entschieden, wer in das Programm aufgenommen wird.

Für unsere kleinen und mittleren Städte führen wir das erfolgreiche Landesprogramm „Zukunftsräume Niedersachsen“ fort. Ich bin den Regierungsfraktionen sehr dankbar, dass sie das Programm über die Politische Liste um jeweils 4,5 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt haben. Damit stehen für die Jahre 2022 und 2023 für die Zukunftsräume und die soziale Daseinsvorsorge jeweils 7 Millionen Euro zur Verfügung.

Es wurden bisher gut 11 Millionen Euro für zirka 60 Projekte gebunden. Das ist ein großer Erfolg! Wir werden die Umsetzung der Programme zügig fortsetzen, die Nachfrage ist groß.

Neben der finanziellen Förderung wird mit Veranstaltungen und Vernetzungsangeboten auch die Möglichkeit zum fachlichen Austausch unterstützt.

Mit den „Regionalen Versorgungszentren“ (RVZ) stärken wir die Versorgungsstrukturen und damit die Attraktivität der ländlichen Räume. Gerade in der vergangenen Woche durfte ich der Gemeinde Auetal in Kooperation mit dem Landkreis Schaumburg einen Förderbescheid für den Aufbau eines RVZ überreichen. Damit haben wir fünf Modellprojekte in Niedersachsen auf den Weg gebracht.

Mithilfe von ELER-Mitteln wollen wir dieses erfolgreiche Projekt in den landesweiten Rollout bringen. Wir werden ZILE-Mittel einsetzen, um Kommunen die Konzeptionierung und den Aufbau von regionalen Versorgungszentren zu ermöglichen.

In den niedersächsischen Regionen finden derzeit gewaltige Transformationsprozesse statt. Viele für Niedersachsen zentrale Branchen stellen sich neu auf – von der Automobilindustrie über die Stahlerzeugung bis hin zur Agrarwirtschaft und dem Energiesektor.

Diese Transformationsprozesse nehmen natürlich auch Einfluss auf die Arbeit in den einzelnen Kommunen. Es bedarf in diesem Kontext bei vielen Zukunftsprojekten der Kooperation ganzer Regionen über Kommunal- und Kreisgrenzen hinaus. Mit unserem Programm „Zukunftsregionen in Niedersachsen“ fördern wir Kooperationsvorhaben, die aus bestehenden Fachprogrammen nicht bedient werden können.

Die Projekte können die Innovationsfähigkeit, den Umwelt- und Klimaschutz, Versorgung sowie den Arbeitsmarkt und die Teilhabe in der Region verbessern. In der neuen EU-Förderperiode werden wir die regionale Zusammenarbeit mit knapp 100 Millionen Euro aus unseren EU-Mitteln dauerhaft stärken. Wir unterstützen die kommunalen Zusammenschlüsse beim Aufbau eines Regionalmanagements. Das ermöglicht den Regionen eine erfolgreiche Teilnahme und schafft Ressourcen für die Entwicklung und Umsetzung anspruchsvoller Projekte auch für die Hebelung weiterer Mittel.

Fortgeführt und erweitert werden die bewährten Interreg-Programme. Sie erweitern die Möglichkeiten niedersächsischer Akteurinnen und Akteure, insbesondere bei den Themen Umwelt, Innovation und wirtschaftlicher Wandel mit anderen europäischen Partnern zusammenzuarbeiten. Diese internationale Vernetzung bietet den Regionen eine weitere Chance, sich zukunftsfähig aufzustellen.

Vom Interreg A-Programm Deutschland – Nederland soll in der neuen Förderperiode weiterhin die gesamte Region Weser-Ems profitieren. Das Programm mit einem Gesamtvolumen von 240 Millionen Euro ist eingereicht und wir haben erste positive Signale aus der Europäischen Kommission erhalten, insbesondere zur Gebietskulisse. Die niedersächsische Kofinanzierung beträgt 20 Millionen Euro.

Das weitere Interreg-Programm, Interreg B, richtet sich auch an die anderen Regionen unseres Landes.

Lüneburg ist weiterhin beim Ostsee-Programm dabei, neu sind das Programm „Mitteleuropa“ für die Region Braunschweig und das Programm „Nordwesteuropa“ für Weser-Ems und Leine-Weser. Das Nordseeprogramm ist für ganz Niedersachsen nutzbar. Bei den Interreg B-Programmen leisten wir keine Kofinanzierung, sondern tragen lediglich die Verwaltungskosten.

Last but not least komme ich zu einigen wichtigen europapolitischen Themen:

Europa will bis 2050 der erste klimaneutrale, wettbewerbsfähige Kontinent werden. Der europäische Grüne Deal ist der Plan, um dieses Ziel zu erreichen.

Der Transformationsprozess, den die EU mit dem europäischen Grünen Deal angestoßen hat, ist wegweisend. Wichtig ist, dass den ehrgeizigen EU-Klimazielen auch ein hinreichend konkreter Rechtsrahmen folgt. Es braucht klare und verlässliche Rahmenbedingungen, um umweltfreundliche Technologien anzustoßen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen sicherzustellen.

Dafür wird es mehr Energie brauchen, vor allem deutlich mehr Strom als heute. Die erneuerbaren Energien im Stromsektor müssen entschlossen ausgebaut werden. Hindernisse müssen energisch aus dem Weg geräumt werden.

Neben mehr sauberem Strom wird auch Grüner Wasserstoff gerade für industrielle Großverbraucher eine herausragende Rolle spielen. Er bietet große Chancen für Klimaschutz, Innovation und Beschäftigung – übrigens gerade auch für Regionen abseits der Zentren.

Jetzt liegt ein wichtiger Baustein zur Umsetzung des Grünen Deals vor: Das Fit für 55-Paket. Es umfasst zahlreiche Vorschläge zur Anpassung der EU-Vorschriften an das neue 2030-Klimaziel und wird am kommenden Freitag im Bundesrat auf der Tagesordnung stehen.

In der Zielsetzung beim Thema Klimaschutz dürften wir uns einig sein. Mir liegt aber ein Element des Fit für 55-Maßnahmenpakets besonders am Herzen: der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Schaffung eines Klima-Sozialfonds. Die Kommission hat bei Vorlage des Pakets versprochen, dafür zu sorgen, dass ehrgeizigere Klimaschutzziele mit entsprechend stärkerem sozialem Schutz einhergehen. Der neue Klima-Sozialfonds soll soziale Härten abfedern und einkommensschwache Haushalte unterstützen. Hierfür sollen Einnahmen aus dem Emissionshandel in den von der Kommission vorgeschlagenen Klima-Sozialfonds investiert werden.

72 Milliarden Euro stellt die Kommission bereit, rund 6 Milliarden Euro könnten nach Deutschland fließen.

Der ökologische Wandel wird für uns alle, für die Bürgerinnen und Bürger, für Unternehmen und Verwaltungen zwangsläufig auch Herausforderungen mit sich bringen. Aber damit die notwendigen Maßnahmen gesellschaftlich akzeptiert werden und ausreichende Legitimität beanspruchen können, muss es so gerecht wie möglich zugehen.

Apropos Wandel und Gerechtigkeit: Die Herausforderungen an die EU werden schon seit längerer Zeit größer.

Die EU muss sich weiterentwickeln und dabei auch auf ihre Bürgerinnen und Bürger stärker einbeziehen. Die „Konferenz zur Zukunft Europas“ kommt zur richtigen Zeit. Bürgerinnen und Bürger können hier ihre Ideen, Vorschläge und Wünsche für ein Europa der Zukunft einbringen. Wir haben ja hier im Landtag schon darüber diskutiert.

Die Landesregierung wirbt für die Teilnahme und unterstützt die Konferenz unter anderem mit Veranstaltungen. Zusätzlich bringe ich mich persönlich als eine von zwei Vertreterinnen des Bundesrates in der Plenarversammlung ein.

Die EU hat dann eine gute Zukunft, wenn sie auf einem gemeinsamen Wertefundament steht. Und dazu gehört eine unabhängige Justiz.

Die Europäische Union ist weit mehr als nur ein Binnenmarkt. Wir sind eine europäische Rechts- und Wertegemeinschaft – eine Gemeinschaft, die uns lange Jahre wirtschaftliche Sicherheit, Demokratie und Frieden gebracht hat.

Lange Jahre war das gemeinsame Wertegerüst unumstritten. Jetzt sehen wir in einigen Mitgliedsstaaten, dass diese gemeinsame Wertebasis in Frage gestellt wird. Ein schrittweiser nationaler Abbau der Rechtsstaatlichkeit oder eine massive Einschränkung der Pressefreiheit unterminiert die Demokratie und das Wertesystem der Europäischen Union.

Daher müssen wir rechtsstaatsgefährdenden Tendenzen entschlossen begegnen. Der EuGH hat mit seinen Urteilen zur Justizreform in Polen bereits Grenzen aufgezeigt.

Wir müssen alle zusammen dafür Sorge tragen, dass an dem gemeinsamen demokratischen Fundament, auf das unsere Europäische Union gebaut ist, nicht gesägt wird!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Original Quelle Niedersachsen.de

Bilder Pixabay / Original Quelle

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